Schulerfolg versus Ideologie! Was wird aus den erfolgreichen Primus-Schulen?

Kleine Anfrage von Sigrid Beer

Mit dem Schulkonsens wurde 2011 ein Modellversuch für eine Schule von Klasse 1-10 auf den Weg gebracht. Schule und Schulträgern sollte damit auch mehr Verlässlichkeit gegeben werden – unabhängig von der landespolitischen Großwetterlage. So hatten sich CDU, SPD und Grüne vereinbart.
Mit dem Modell der Primus-Schule entwickelte NRW einen Weg, nach dem Vorbild der Versuchsschule des Landes, der Laborschule Bielefeld, deren Erkenntnisse für das Regelschulsystem fruchtbar zu machen. Je Regierungsbezirk sollte jeweils mindestens eine Schule starten, die die Schülerschaft bis zur Klasse 10 gemeinsam unterrichten.
Mit der Primus-Schule Minden startete im Jahr 2013 die erste Modellschule, die sich 2019 auch unter den 20 besten Schulen beim Deutschen Schulpreis platzieren konnte.
Über die Landesgrenzen hinaus ist auch die Primus-Schule in Münster für ihre inklusive Arbeit bekannt. In der eindrucksvollen preisgekrönten Dokumentation „Berg Fidel – Eine Schule für alle“, wurde deutlich, wie wertvoll es gewesen wäre, wenn die porträtierten Kinder über die Grundschulzeit hinaus weiterhin zusammen in der Schule hätten lernen und leben können. Die zweite Dokumentation „Schule, Schule – die Zeit nach Berg Fidel“ zeigt, wie es den Schülerinnen und Schülern nach der Berg Fidel-Zeit auf weiterführenden Schulen ergangen ist. In einer Filmbesprechung wird zusammengefasst: „Der Film ist nicht nur ein Statement für Inklusion. Er zeigt, wie das Potenzial von Kindern in Deutschland verschleudert wird. Weil man sie zu früh trennt, einordnet und es ihnen unnötig schwer macht.“
Mit der Primus-Schule konnte die Grundschule Berg Fidel ihr Konzept zu einer Schule von Klasse 1-10 weiterentwickeln. Auch in Schalksmühle, Tietz und Viersen ist eine engagierte und intensive Schulentwicklungsarbeit zu verzeichnen unter ganz unterschiedlichen Bedingungen.
Im Dezember 2018 hat die Schulministerin Gebauer in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 17/4102 eingeräumt, dass es zu früh wäre, Schlussfolgerungen aus der Schulentwicklungsarbeit der Primus-Schulen zu ziehen. „Die Vornahme einer abschließenden Gesamtbewertung ist aus Sicht der Landesregierung noch verfrüht. Für die Primus-Schulen
gilt die Regelung in § 132b des Schulgesetzes, nach der dieser Schulversuch auf die Dauer von zehn Jahren angelegt ist.“ Anstatt die wertvolle Schulentwicklungsarbeit zu unterstützen und die Erfolge der Schulen zu würdigen, kündigt Schulministerin Gebauer jetzt schon einmal das Aus für die Versuchsschulen an. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung scheinen sie nicht zu interessieren.
Die vorschnelle Entscheidung wendet sich gegen die Empfehlungen der wissenschaftlichen Begleitung, die festgestellt hat, dass mit der überwundenen äußeren Trennung die innere Schulentwicklung dynamisiert werden konnte. Mit dem Lernen in jahrgangsgemischten Lerngruppen, stufenübergreifenden Lernkonzeptionen, multiprofessioneller Teamarbeit und alternativen Formen der Leistungsbewertung werden in den Primus-Schulen Prozesse der inklusiven Schul- und Unterrichtsentwicklung und der Professionalisierung der Lehrkräfte erfolgreich entwickelt. Schülerinnen und Schülern gelingt es, ihre Potenziale zu entfalten, getragen von einem positiven Leistungsverständnis.
Wissenschaftliche Erkenntnisse spielen bei den Entscheidungen im Schulministerium offenbar keine Rolle. Immer mehr treten ideologische Grundhaltungen im Agieren des Schulministeriums zutage.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1.         Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse, empirischen Befunde hat die Landesregierung veranlasst, die Primus-Schulen vorzeitig als Auslaufmodelle zu bezeichnen?
2.         Aus welchen Gründen nutzt die Landesregierung nicht das 15. Schulrechtsänderungsgesetz, um die Versuchsschulen zur systematischen und kontinuierlichen Erprobung dauerhaft fortzuführen?
3.         Welche Perspektiven haben diese Schulen und die Schulträger nach der Vorstellung der Landesregierung?
4.         Wie will die Landesregierung dem Vorwurf begegnen, dass die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Begleitung offensichtlich unerwünscht sind, wenn sie der ideologischen Grundhaltung der Regierung widersprechen?
5.         Welche Eindrücke und Erkenntnisse hat die Schulministerin beim Besuch welcher Primus-Schule gewonnen?