Rechte von Kindern und Jugendlichen in NRW stärken

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

I. Ausgangslage

Am 20. November 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) durch die UN-Vollversammlung beschlossen. Die UN-Kinderrechtskonvention ist ein Meilenstein in der Geschichte der Kinderrechte, da sie grundlegende Menschenrechte für Kinder konkretisiert. So wurden erstmals politische Bürgerrechte sowie kulturelle, wirtschaftliche und soziale Rechte für Kinder in einem völkerrechtlichen Vertrag zusammengeführt. Die UN-Kinderrechtskonvention verfolgt das Ziel, das Kind als eigene Persönlichkeit zu schützen (protection) und zu fördern (provision) sowie sein Recht auf Beteiligung (participation) in allen es berührenden Angelegenheiten zu gewährleisten.
In Deutschland trat die Kinderrechtskonvention am 5. April 1992 in Kraft. Die damalige Bundesregierung ratifizierte die Konvention zunächst mit Vorbehalten. Erst 2010 wurde gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen die Rücknahme dieser Vorbehalte erklärt.
Die UN-Kinderrechtskonvention erfordert einen Perspektivenwechsel: Kinder und Jugendliche müssen als eigenständige Rechtssubjekte und nicht als zu erziehende Objekte wahrgenommen werden.
Politik und Gesellschaft haben sich mit der Anerkennung und Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention dazu verpflichtet, Kindern und Jugendlichen umfassende Schutz-, Förderungs- und Beteiligungsrechte im öffentlichen und privaten Raum zu garantieren. „Ratifizierungen allein schaffen jedoch keine Gerechtigkeit“, hielt Bundespräsident Gauck auf der Matinee aus Anlass des 65. Jahrestages der allgemeinen Menschenrechte fest.
Insgesamt hat sich die Situation in Deutschland seit dem Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention verbessert. Gewalt ist als erzieherisches Mittel tabu. § 1631 Abs. 2 BGB lautet: „Gesetz zur Achtung der Gewalt in der Erziehung: Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
Dennoch ist Gewalt in Familien immer noch verbreitet, es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Nüchtern betrachtet muss festgestellt werden, dass die UN-KRK in zahlreichen Bereichen unzureichend umgesetzt und noch immer zu wenig bekannt ist.
Eine UN-Menschenrechtskonvention kann nur dann die von den Vertragsstaaten gewollte Wirkung entfalten, wenn sie vollständig in nationales Recht umgesetzt und ein transparentes Monitoring-, Beschwerde- und Einklage-Verfahren eingerichtet wurde oder besteht. Die Einrichtung der unabhängigen Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-KRK im Deutschen Institut für Menschenrechte im Jahr 2015 ist ein wichtiger Schritt dahin.
Die Zustimmung zum Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention (Human Rights Council A/HRC/17/L.8) durch den Menschenrechtsrat am 17. Juni 2011 bedeutete eine Aufwertung der Konvention, die so im Vergleich mit anderen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte im Rahmen der Vereinten Nationen gleichrangig wurde. Das Fakultativprotokoll sieht ein „Individualbeschwerdeverfahren“ sowie ein Untersuchungsverfahren bei schwerwiegenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen vor. Kinder und Jugendliche sollen so als eigenständige und selbstständige Rechtssubjekte ernst genommen werden.
Das Individualbeschwerderecht ist eine Ergänzung zur UN-Kinderrechtskonvention. Diese begründet zunächst lediglich Staatenverpflichtungen, die durch die Individualbeschwerde auch im Einzelfall geltend gemacht werden können. Mit dem Kinderrechtsausschuss steht zudem ein internationales Gremium zur Verfügung, dass dem Schutzanliegen der Kinderrechte mit einer besonderen Sensibilität und Sympathie gegenübersteht. Allerdings erlangen die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses nicht dieselbe Wirksamkeit wie gerichtliche Entscheidungen, z. B. des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Zudem muss der Rechtsweg auf nationaler Ebene ausgeschöpft sein, bevor das Verfahren der Individualbeschwerde greift.
Die Beschwerdemöglichkeiten müssen allen Kindern und Jugendlichen und allen Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen (zusammen)arbeiten, bekannt gemacht werden. Die Einrichtung eines wirksamen Mechanismus zur Koordinierung und Überwachung der Durchführung des Beschwerdeverfahrens auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene ist für die Wirksamkeit dieses Instruments relevant.
Im Grundgesetz sind Kinder und Jugendliche an vielen Stellen Träger eigener Rechte, denn die Grundrechte gelten auch für sie. Es fehlt jedoch ein Grundrecht, das sich speziell auf die Lebenssituation von Kindern bezieht und ihnen ein eigenes Recht auf angemessene Daseinsbedingungen für ihre persönliche Entfaltung gewährt. Zudem ist das Prinzip der vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls noch nicht normiert.
In Artikel 6 der Landesverfassung NRW ist das Recht jedes Kindes auf Achtung seiner Würde als eigenständige Persönlichkeit und auf besonderen Schutz durch Staat und Gesellschaft festgeschrieben. In Absatz 2 werden die Rechte des Kindes konkretisiert: Es hat das Recht auf Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung, Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung. Das Land hat viele Maßnahmen umgesetzt, um die Rechte von Kindern und Jugendlichen sicherzustellen.
Die Durchsetzung und Wahrung der Kinderrechte ist jedoch nicht nur eine Frage des kodifizierten Rechts, sondern ein stetiger Prozess, der auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen vorangetrieben und dessen Umsetzung fortlaufend geprüft werden muss.

II. Recht auf Beteiligung und Beschwerde

In Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention werden Partizipationsrechte formuliert. Es wird festgestellt, dass jedes Kind das Recht hat, seine Meinung in allen es selbst betreffenden Angelegenheiten frei zu äußern. Die Meinung des Kindes muss angemessen und entsprechend des Alters und der Reife des Kindes berücksichtigt werden.
Die in der UN-Kinderrechtskonvention formulierten Beteiligungsrechte werden in Deutschland zwar in unterschiedlichen Gesetzen und auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt. Auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene geht es unter dem Stichwort der Partizipation aber um die gesellschaftliche Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den Entscheidungsprozessen. Leider wird in Deutschland das Recht auf Partizipation unzureichend umgesetzt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte stellt in einem Bericht fest:
In den Bundesländern wird Partizipation sowohl rechtebasiert als auch funktional verstanden, die Ausgestaltung und der Umfang von gelebter Partizipation sind jedoch sehr unterschiedlich und nicht nachgehalten. So wird in einigen Bundesländern die Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Kommunalverfassung oder Gemeindeordnung festgeschrieben (so § 47f der Gemeindeordnung in Schleswig-Holstein), in anderen gibt es für solche Beteiligungsformen keine gesetzliche Grundlage.
Unterhalb der gesamtgesellschaftlichen Ebene werden die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in einzelnen Fachgesetzen verankert. In der Jugendhilfe wird in SGB VIII geregelt:
„Kinder (…) sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen“.
In Nordrhein-Westfalen sind die Beteiligungsrechte erstmals durch das 3. Gesetz zur Förderung der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes-, Kinder- und Jugendförderungsgesetz (3. AG-KJHG-KJFöG) vom 12. Oktober 2004 in § 6 geregelt; Kinder und Jugendliche sollen an allen ihre Interessen berührenden Planungen, Entscheidungen und Maßnahmen in angemessener Weise beteiligt werden.
In §6 Abs. 3 KJFöG heißt es außerdem:
„Das Land soll im Rahmen seiner Planungen, soweit Belange von Kindern und Jugendliche berührt sind, insbesondere aber bei Gestaltung des Kinder-und Jugendförderplans, Kinder und Jugendliche im Rahmen seiner Möglichkeiten hören“.
Das Land NRW ist mit seinem 3. AG-KJHG-KJFöG, ein Ausführungsgesetz zum Achten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) beispielgebend. Denn Kindern und Jugendlichen in NRW werden dadurch mehr Beteiligungsrechte zugesprochen, als im SGB VIII vorgesehen sind. Während die Ausführungsgesetze der übrigen Bundesländer ausschließlich eine gesetzliche Beteiligung in den Themenbereichen der Jugendhilfe zum Gegenstand haben, ist bei uns in NRW eine Beteiligung auch in anderen Politikfeldern vorgesehen.

Umsetzung der Beteiligungsrechte in NRW
Beteiligung im Elementarbereich

Der UN-Kinderrechtsausschuss – das Expertengremium, das die Umsetzung der KRK überwacht – hat bewusst kein bestimmtes Alter festgelegt, ab dem Kinder in der Lage sind, sich zu beteiligen. Mit den entwickelten Fähigkeiten und der Reife des Kindes soll sich die Haltung der Erwachsenen hin zu einem Umgang auf Augenhöhe ändern.
Dies gilt auch im Bildungskontext. Kinder haben bereits in den KiTas und in der Kindertagespflege ein Recht auf Beteiligung. Eine verbindliche Beteiligungs- und Beschwerdekultur erfordert jedoch die Entwicklung einer entsprechenden Haltung von den in Einrichtungen tätigen Fachkräften.
In NRW sind im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) die Rechte von Kindern in § 13 KiBiz festgeschrieben. Zum Wohl der Kinder und zur Sicherung ihrer Rechte sind in Tageseinrichtungen geeignete Verfahren der Beteiligung und die Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten vorzusehen und zu praktizieren. Frühkindliche Bildungsarbeit setzt bei den Fragen und Ideen der Kinder an.
Grundlage für die Beteiligung von Kindern in Kindertageseinrichtungen bildet in NRW die Ausgestaltung des Bildungsauftrags und die Finanzierung der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Träger und ihrer Einrichtungen. Im Bereich des Landschaftsverbandes Rheinland unterstützte das Ministerium für Familie, Kinder Jugend, Kultur und Sport 2014 und 2015 eine Multiplikatorenschulung für Fachkräfte, die künftig KiTas für Fragen der konzeptionellen Verankerung partizipativer Strukturen zur Verfügung stehen.
Die Qualifizierung von Fachkräften ist ein sehr wesentlicher Schritt, um die Verankerung der Kinderrechte in den Kindertageseinrichtungen sicherzustellen. Darüber hinaus ist die Umsetzung eines Qualitätmanagement-Systems notwendig, um die Umsetzung der Kinderrechte in den Einrichtungen zu prüfen. Die veränderten Anforderungen der Landesjugendämter an eine Betriebserlaubnis für die KiTa wirken hier unterstützend. Demnach müssen heute bereits Qualitätsmerkmale – wie die Implementierung von Kinderrechtsbasierten Beteiligungsverfahren – sichergestellt werden.

Beteiligung im Primar- und Sekundarbereich

Partizipation und Teilhabe sind für die Herausbildung demokratischer Werte von enormer Bedeutung. Auch die Schule hat als Lern- und Lebensort die Aufgabe, junge Menschen zu kritischen und sich engagierenden Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen. Darüber hinaus ist sie auch selbst eine Institution, in der sich Kinder und Jugendliche an Entscheidungen beteiligen können. Im Primarbereich gibt es gute Ansätze, Kinder zu beteiligen und zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen. So hat die Wartburg-Grundschule in Münster unter dem Stichwort „Kinder brauchen Verantwortung“ entsprechende pädagogische Leitlinien gefasst und in das Schulleben implementiert. Damit haben sie Modellcharakter für andere Schulen des Landes NRW und sind nicht nur Vorreiter, sondern nehmen eine Vorbildfunktion ein. Es ist zu begrüßen, dass Kinder nicht nur im Elementarbereich, sondern auch weiterführend in der Primarstufe altersgerecht in partizipative Strukturen eingebunden werden. Das Schulgesetz in NRW sieht institutionelle Partizipationsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler ab der Sekundarstufe I über die Schülervertretung vor. Strukturen bestehen über die BezirksschülerInnenvertretung auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte, bis hin zur LandesschülerInnenvertretung.
Mit dem 4. Schulrechtsänderungsgesetz hat Rot-Grün nach dem Regierungswechsel 2010 die Drittelparität in den Schulkonferenzen wiederhergestellt und damit die Stimme der Schülerinnen und Schüler gestärkt. Denn Schule ist ein wichtiger Ort des Alltags von Kindern und Jugendlichen und viele Projekte und Schulprogramme zeigen, dass Partizipation weit über das gesetzlich Normierte hinaus gelebt werden muss. So ist „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ein Projekt von und für Schülerinnen und Schüler. Es bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, indem sie sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden. Mehr als ein Titel für die Schule ist das Projekt eine Selbstverpflichtung der Schülerinnen und Schüler, die immer wieder neu mit Leben gefüllt wird. Über 500 Schulen sind in NRW Mitglied des Netzwerks. Das Land unterstützt das Projekt durch die Bereitstellung einer Landeskoordination. Projekte dieser Art sind sehr zu begrüßen, da sie Schülerinnen und Schüler befähigen, sich sicher und eloquent an gesellschaftlichen Diskussionen zu beteiligen. Wichtig ist, Demokratiebewusstsein bei Kindern und Jugendlichen zu fördern und zu stärken.

Beteiligung vor Ort

Auf der kommunalen Ebene bestehen mit den Jugendhilfeausschüssen Strukturen, die eine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie die Berücksichtigung ihrer Interessen sicherstellen sollen. Gerade die Beteiligung auf der kommunalen Ebene ist besonders wichtig, da der unmittelbare Sozialraum, in dem sie leben, für Kinder und Jugendliche eine besondere Bedeutung hat. Engagement beginnt bei Jugendlichen meistens in ihrem persönlichen Lebensumfeld. In der örtlichen Praxis sind jedoch große Unterschiede festzustellen: Während in einigen Kommunen die Beteiligung von Jugendlichen gut funktioniert, sind in anderen immer noch Defizite, insbesondere im Bereich der Jugendhilfeplanung und dem Aufstellen von Kinder- und Jugendförderplänen sowie im Bereich der Stadt und Verkehrsplanung, festzustellen. So unterschiedlich wie die Kommunen in NRW sind auch deren Modelle der Jugendpartizipation: Ob als regelmäßig tagendes Jugendparlament, als Kinder- und Jugendrat, Jugendbeirat, -forum oder andere Mitwirkungsprojekte. Aktuell können Kinder und Jugendliche in rund 120 Städten und Gemeinden in NRW bei Jugendthemen mitbestimmen.
Die Kommunikation zwischen den Kommunen und Jugendlichen funktioniert nicht überall gleich gut, obwohl im Absatz 1 des KJFöG eindeutig formuliert ist:
„Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche entsprechend ihrem Entwicklungsstand in den sie betreffenden Angelegenheiten rechtzeitig, in geeigneter Form und möglichst umfassend unterrichtet sowie auf ihre Rechte hingewiesen werden. Zur Förderung der Wahrnehmung ihrer Rechte sollen bei den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe geeignete Ansprechpartner zur Verfügung stehen.“
Teilweise fühlen sich die Jugendlichen schlecht über die Partizipationsmöglichkeiten informiert und wissen nicht, dass es die Möglichkeit der Beteiligung gibt.
Mit der Einrichtung der „Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung“ hat die Landesregierung bestehende kommunale und landesweite Partizipationsstrukturen mit der Bereitstellung von Beratungskompetenz gestärkt. Sie berät, vernetzt und unterstützt, wenn ein Beteiligungsgremium aufgebaut, weiterentwickelt oder auch „wiederbelebt“ werden soll. In den Kommunen müssen die Rahmenbedingungen für umfassende Beteiligungschancen weiter ausgebaut werden. Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen ist das Vorhandensein von personellen Ressourcen zur Unterstützung der Jugendbeteiligung eine entscheidende Bedingung für den Erfolg.

Stärkung der Beteiligungsrechte

Es gehört zum demokratischen Grundverständnis, Kinder und Jugendliche zur politischen Teilhabe und Mitgestaltung zu ermächtigen. Eine einmischende, emanzipatorische und inklusive Jugendpolitik bildet die Voraussetzung, um eine Umwelt zu schaffen, in der das gute und selbstbestimmte Aufwachsen junger Menschen möglich ist.
Auf Bundes- und Landesebene muss also der Anspruch auf Beteiligung im Rechtssinne über die Normierung in Einzelgesetzen hinaus gesamtgesellschaftlich gesichert werden. Bis dahin müssen Kinder und Jugendliche im Rahmen der derzeitigen rechtlichen Möglichkeiten an den sie betreffenden politischen Entscheidungen strukturell beteiligt werden. Die auf Einmischung zielende Kampagne „umdenken jungdenken!“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie jenseits gesetzlicher Regelungen Beteiligung in der Praxis gelingen kann.
Über die Organisationen der Kinder- und Jugendarbeit, insbesondere die Jugendverbände, sind Jugendliche als Interessenvertreterinnen und -vertreter in eigener Sache in allen Politikfeldern unterwegs. Für den direkten landespolitischen Dialog mit Jugendlichen ist eine funktionierende gemeinsame Vertretung gegenüber der Landespolitik notwendig.
Zurzeit wird in NRW fraktionsübergreifend gemeinsam mit dem Landesjugendring, dem KiJuRaT NRW und der Landesschülervertretung an einem Konzept gearbeitet, das zum Ziel hat, eine strukturelle Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Landespolitik zu stärken. Die Ergebnisse des Arbeitskreises müssen im Sinne der Umsetzung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen geprüft, ausgewertet und diskutiert werden.
Dabei kann möglicherweise auf die Erfahrungen und die Strukturen des seit 2008 jährlich stattfindenden mehrtätigen „Jugend-Landtags“ zurückgegriffen werden. Dieser ist ein wichtiges Projekt, das politikaffinen Jugendlichen nicht nur Landespolitik in Form eines Planspiels näher bringen soll, sondern auch die Ergebnisse in den Landtag einbringt. Mehr als 1.000 Jugendliche konnten bisher in die Rolle der Abgeordneten schlüpfen und den parlamentarischen Arbeitsalltag eines Politikers bzw. einer Politikerin selbst erleben. Neben der Information ist auch die Motivation zu langfristigem politischem Engagement das Ziel.
Des Weiteren diskutiert die Verfassungskommission derzeit die Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre, was einen wesentlichen Schritt zur Beteiligung von Jugendlichen darstellt.
 Oft mangelt es an Wissen, wie Kinderrechte im alltäglichen Leben umgesetzt werden können und wie Partizipation in Institutionen und Einrichtungen möglich ist. Durch die Konzipierung und Durchführung von Weiterbildungsprogrammen kann dieses Defizit behoben werden.
Durch die Organisationen von Workshops sollen Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen (zusammen)arbeiten, darin geschult werden, wie sie eine auf Kinderrechte basierende Beteiligung in ihrer Arbeitspraxis umsetzen können. Dabei muss natürlich auch darauf geachtet werden, dass in den Institutionen die Voraussetzungen (Zeit, Personal) bestehen.
Langfristig ist es daher sinnvoll, die Kinderrechte (und dazu gehören auch Partizipationsrechte) in die Ausbildungscurricula von entscheidenden Berufsgruppen wie Ärztinnen und Ärzte, Richterinnen und Richter, Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten sowie Erzieherinnen und Erzieher aufzunehmen.

Beschwerdemöglichkeiten stärken

Kinder und Jugendliche, die im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in Jugendhilfeeinrichtungen und Wohngruppen untergebracht werden, benötigen besonderen Schutz und Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten, da sie in einer besonderer Abhängigkeit von den Betreuungspersonen leben und somit asymmetrischen Beziehungen konfrontiert sind.
Durch das Bundeskinderschutzgesetz vom 01.01.2012 sind die Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen gestärkt worden, zu-dem wurde ihnen ein individueller Anspruch auf Beratung in Not- und Konfliktsituationen ein-geräumt. Neue Stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe sind gesetzlich dazu verpflichtet, ein Konzept zu Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten der Kinder in ihrer Obhut vorzulegen. Nach § 45 ff. SGB VIII bildet die Beteiligungsmöglichkeit eine Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis durch das Landesjugendamt. Wenn nach der Erteilung der Betriebserlaubnis die Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten nicht ausreichend umgesetzt sind, sind die Handlungsmöglichkeiten gegenüber dem Träger allerdings sehr eingeschränkt.
Darüber hinaus haben sie seit langem ein Beteiligungsrecht bei den Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII. Diese Beteiligung misslingt allerdings in der Praxis oft, Kinder und Jugendlichen sehen sich bei den Hilfeplangesprächen einer großen Zahl von erwachsenen Fachleuten gegenüber und haben kaum Chancen, ihre eigenen Wünsche zu artikulieren. Hier gilt es, angemessene und für die jeweiligen Altersgruppen geeignete Beteiligungsformen zu entwickeln und umzusetzen.
Insbesondere bei Auslandsmaßnahmen sollte geregelt werden, ob und wie Kinder und Jugendliche und ihre Familien am Hilfeplanverfahren beteiligt werden und vor allem, wie die weitere Beteiligung am Hilfeplanverfahren im Ausland gestaltet wird. Damit die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen gesichert wird, bedarf es weiterer gesetzlicher Regelungen.
Die bundesgesetzlichen Regelungen der Heimaufsicht sind bisher unzureichend, da die Landesjugendämter als Betriebserlaubnis erteilende Stelle nur sehr beschränkte Aufsicht und Eingriffsrechte haben. Der auf Initiative des Landes NRW eingeleitete Prozess zur Überarbeitung und Neufassung der entsprechenden Regelungen im SGB VIII ist deshalb ausdrücklich zu begrüßen. Erforderlich ist eine deutliche und eindeutige Stärkung der Handlungsrechte und Kompetenzen der Heimaufsicht. Die Beteiligungs- und Stärkungsrechte von Kindern und Jugendlichen müssen dabei verbindlich durchgesetzt werden können.
Für Kinder und Jugendliche besteht in Einrichtungen der Jugendhilfe eine Rechtsschutzlücke, die durch die Individualbeschwerde nicht zu schließen ist, denn diese erfordert zunächst die Ausschöpfung des nationalen Rechtswegs bis zum Bundesverfassungsgericht.
Deshalb ist die Einrichtung von unabhängigen externen Beschwerdestellen in der Kinder-Jugendhilfe (Ombudsschaften der Kinder- und Jugendhilfe) erforderlich, an die sich betroffene Kinder und Jugendliche schnell und unbürokratisch wenden können. So sind Ombudsschaften der Kinder-Jugendhilfe Verfahrensformen, um Kindern und ihren Familien die Durchsetzung ihrer Rechte zu ermöglichen und strukturelle Machthierarchien und -asymmetrien auszugleichen. Sie helfen auch bei der Aufklärung über rechtliche Sachlagen, Einzelansprüche und Optionen.
In Nordrhein-Westfalen nimmt die “Ombudsschaft Jugendhilfe NRW“ ihre Aufgabe seit 2011 wahr. Sie nimmt eine vermittelnde Funktion zwischen Betroffenen und Behörden sowie zwischen Betroffenen und Fachkräften ein. Aus diesem Grund sind die Unabhängigkeit und eine nachhaltige strukturelle Förderung der Ombudsstelle wichtig. In NRW konnten bis jetzt über 200 Fälle durch die Ombudsschaft Jugendhilfe NRW bearbeitet und geregelt werden. Diese sehr bewährte Praxis wird seit dem Ablaufen der Förderung von Aktion Mensch e.V. von der Landesregierung gefördert.

III.        Förderung und Schutz sicherstellen!

Ein Recht auf ein Leben ohne Armut!

„(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard an.“
Artikel 27n UN-Kinderrechtskonvention
In Deutschland wachsen 2,6 Millionen Kinder unter 15 Jahren (24%) in einer Familie auf, die armutsgefährdet ist oder Leistungen der Grundsicherung (SGBVII) bezieht.
In NRW waren im Jahr 2014 21,9% der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahre – das sind 637.000 – von relativer Einkommensarmut betroffen. Die SGBII-Quote von Minderjährigen liegt in NRW bei 18%. Aus dem Familienbericht NRW geht hervor, dass Kinder und vor allem die Anzahl von Kindern in einem Haushalten das Armutsrisiko erhöhen.
Kinder können aus eigener Kraft an der prekären Lage nichts ändern und müssen gleichzeitig mit den Folgen von Armut leben; der Umstand, wo und wie ein Kind aufwächst, entscheidet in Deutschland leider immer noch maßgeblich über seine Zukunft.
Denn mit Armutserfahrungen gehen schlechtere Bildungschancen, niedriges Selbstbewusstsein, geringes psychisches Wohlbefinden und vermehrte gesundheitliche Beeinträchtigungen einher. So werden Kinder von Beginn an in ihren Entwicklungsmöglichkeiten und ihre Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben eingeschränkt. Um diese strukturellen Benachteiligungen aufzulösen, ist ein integrativer, auf Prävention ausgerichteter politischer Ansatz gegen soziale Benachteiligung, notwendig.
Zur Verbesserung der Situation von Familien und Kindern in Nordrhein-Westfalen werden viele erfolgreiche Maßnahmen durchgeführt. Dennoch wachsen in NRW immer noch Kinder in benachteiligten Verhältnissen auf. Denn abhängig von der sozialen Herkunft unterliegen Kinder auch in Nordrhein-Westfalen Armut, Not und sozialer Segregation. Zur Schaffung gerechter Kinderwelten und zur Herstellung von mehr Chancengerechtigkeit für Kinder brauchen wir neue Impulse.
Dies ist keine isolierte Aufgabe eines Politikfeldes und kann nur erreicht werden durch eine Kombination von familien-, kinder-, arbeitsmarkt- und integrationsbezogenen Handlungsansätzen.
In der Kommune, dort wo Kinder und Jugendliche leben, in ihrem Wohnumfeld, ihrem Stadt-teil, ihrem Quartier laufen die Handlungsstränge zusammen. Wohnungswirtschaft und Stadtplanung tragen ihren Teil dazu bei, Raum für Familien, für Kinder und ältere Menschen und das Miteinander der Generationen zu schaffen. Es hängt ganz entscheidend von den lokalen Rahmenbedingungen ab, wie die Chancen und der Lebensalltag von Familien und ihren Kindern verbessert werden können. Lokale Bündnisse sind für Kommunen wichtige strategische Partner. Denn für ein tragfähiges Konzept braucht es die Beteiligung der Initiativen, Vereine, Verbände, Kirchen, Unternehmen und Kammern. Nur so ist gesichert, dass wirklich alle Ressourcen genutzt werden.
Menschen leben und erleben Familie vor Ort, in ihrem Stadtteil, in ihrem Quartier. Dabei hängt es ganz entscheidend von den lokalen Rahmenbedingungen ab, wie die Chancen und der Lebensalltag von Familien verbessert werden können. Kommunen sind gefragt, passgenaue Konzepte für eine zukunftsfähige, familiengerechte Infrastruktur zu entwickeln. Voraussetzung für eine zielgenaue Planung ist, die Alltagsprobleme und -bedürfnisse von Familien zu kennen, die soziale Lage von Familien in den Blick zu nehmen, die Bedarfe der unterschiedlichen Altersgruppen zu berücksichtigen sowie die Möglichkeiten zur Teilhabe zu stärken.
Mit Blick auf Migrantenfamilien gilt es neue Wege zu gehen und mit kultursensiblen Konzeptionen die Potenziale der Familien, der Kinder und der Jugendlichen zu weiterzuentwickeln.

Handlungskonzept gegen Armut und soziale Ausgrenzung

Mit dem bis 2020 angelegten Handlungskonzept „Gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ hat die Landesregierung einen wichtigen Schritt unternommen, in der Armutsbekämpfung und der Verhinderung von sozialer Ausgrenzung neue Akzente zu setzen. Im Mittelpunkt stehen benachteiligte Stadtteile und Quartiere sowie besonders von Armut betroffene oder gefährdete Menschen wie Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Kinder und Migrantinnen und Migranten. Mit der darauf basierenden Landesinitiative „NRW hält zusammen – für ein Leben ohne Armut und Ausgrenzung“ werden Projekte gegen Armut und sozialer Ausgrenzung finanziert. Hierzu gehören eine Sozialplanung und Strategien zur Vermeidung von Familienarmut, der Verbesserung der Teilhabechancen sowie Teilhabe- und Gestaltungsprojekte im Quartier als Lebens- und Sozialraum. Für 2015 sind hierfür zunächst über vier Millionen Euro bereitgestellt worden, mit einer Fortführung in 2016 in den nächsten Jahren.
Zudem muss die Interdependenz von materieller und kultureller Armut in Kindertagesstätten und Schulen durchbrochen werden. Dazu gehört es, Maßnahmen nicht einfach nach dem Gießkannenprinzip zu fördern, sondern die besonderen individuellen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in den Blick zu nehmen.
Als konkretes Beispiel für eine strukturelle und fachübergreifende Stärkung von (Armuts-) Prävention ist das Programm „plusKITA“ zu nennen. Hier wurde das Prinzip „Ungleiches ungleich behandeln“ umgesetzt, denn gerade den Kindertageseinrichtungen kommt beim Ausgleich von Benachteiligungen eine besondere Rolle zu. Deshalb erhalten KiTas, die in ihrem Umfeld einen hohen Anteil bildungsbenachteiligter Familien aufweisen, eine zusätzliche Förderung für mehr Personal. Seit dem Kindergartenjahr 2014/2015 stellt das Land dafür 45 Millionen Euro landesweit zur Verfügung.
Nordrhein-Westfalen stellt zielgruppenorientierte Sozialarbeit zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets sicher
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte im Jahr 2010 geurteilt, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch die Teilhabe an der Gesellschaft einschließt. Insbesondere für Kinder muss dieses Recht gewährleistet werden. Zu diesem Zweck hat der Bund das Bildungs- und Teilhabepaket geschaffen.
Um die Rahmenbedingungen für eine Inanspruchnahme der Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket sicherzustellen, stellt das Land NRW den Kreisen und kreisfreien Städten im Rahmen eines landeseigenen Förderprogramms für die Jahre 2015 bis 2017 jährlich 47,7 Millionen Euro zur Verfügung, um zielgruppenorientierte Jugendarbeit an Schulen zum Ausgleich sozialer Benachteiligung zu gewährleisten. Der Bund hatte sich seiner Verpflichtung entzogen und die Finanzierung seinerseits bereits Ende 2013 eingestellt.
Kinder dürfen in unserer Gesellschaft kein Armutsrisiko darstellen. Die finanzielle Grundausstattung von Kindern muss durch die Einführung einer Kindergrundsicherung verbessert werden. Bis diese existiert, müssen armutsvermeidend konzipierte Leistungen wie der Kinderzuschlag nach §6a des BKGG, Wohngeld und das Bildungs- und Teilhabepaket auf ihre Wirkung stetig geprüft werden. Auch das Bewilligungsverfahren muss so gestaltet werden, dass Kinder nicht durch den Leistungsantrag stigmatisiert werden. So verzichten immer wieder Eltern darauf, Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket zu beantragen, da Bildungseinrichtungen erst im Zusammenhang mit der Antragstellung erfahren würden, dass das jeweilige Kind aus ärmeren Verhältnissen kommt, z. B. weil Leistungen direkt an die Schule und nicht erst an die Eltern überwiesen werden müssen.
Gute Bildung von Anfang an leistet einen wichtigen präventiven Beitrag gegen die Folgen von Armut. Vor allem tragen Kindertageseinrichtungen zu mehr Bildungsgerechtigkeit bei. Dies ist gerade in Deutschland von großer Bedeutung, da der Bildungserfolg grundsätzlich stark davon abhängt, inwieweit es den KiTas gelingt, gemeinsam mit den Eltern Wege und Strategien zur Förderung der Kinder zu ermöglichen. Deutschland hat hierbei im OECD-Vergleich noch deutlichen Nachholbedarf. Darum ist es wichtig, dass die Qualität in den KiTas gesichert wird und ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot existiert. In Nordrhein-Westfalen ist es seit 2010 gelungen, die Zahl der U3-Plätze um 82% zu steigern.
Gute Bildung für jedes Kind als Voraussetzung für den Abbau ungleicher Lebenschancen ist das Ziel für die weiteren Bildungsphasen im Schulbereich. Auch hier muss analog zum Programm „plusKITA“ das Prinzip „Ungleiches ungleich behandeln“ Berücksichtigung finden. Schulstandorte mit einem hohen Anteil von Kindern aus bildungsbenachteiligten Familien benötigen eine besondere personelle und finanzielle Ressourcenausstattung, damit gleiche Bildungs- und Lebenschancen ermöglicht werden.
Mit dem Projekt „Kein Kind zurück lassen“ setzt NRW auf das Ziel Vorbeugen statt Heilen. Durch die Vernetzung von Akteuren, die auf die Entwicklung von Kindern einen Einfluss haben, wie Schule, Gesundheitssystem, KiTa, Polizei, Jugendhilfe und Sportvereine, werden Präventionsketten gebildet, die auf das gelingende Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sind. Nach dem Beschluss des Landtages ist die Landesregierung aufgefordert, ein Gesetz zur koordinierten präventiven Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Familien und zur Stärkung von Kinderrechten auf den Weg zu bringen, das das gelingende Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen unabhängig von der sozialen Herkunft stärker unterstützt. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Präventionsketten weiter auszubauen – damit hat sich das Land auf den richtigen Weg gemacht.

Zuversichtlich die Zukunft planen

Gute Bildung und Förderung von Anfang an sowie die frühe Unterstützung bei der beruflichen Zukunftsplanung sind entscheidende Schritte in ein Leben als zufriedene Erwachsene ohne Armut. Durch das Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss“ wird für Schülerinnen und Schüler in NRW ab der 8. Klasse der Übergang von der Schule in den Beruf geplant und verbessert. Alle Jugendlichen, unabhängig davon, welche Schulform sie besuchen, und aus welchem familiären sozialen Umfeld sie kommen, sollen durch individuelle Förderung ihr berufliches Potenzial erkennen und durch Praktika in verschiedenen Bereichen auch erste berufliche Erfahrungen sammeln, um nach der Schule lückenlos eine passende Ausbildung oder ein passendes Studium beginnen zu können.

Vielfalt bereichert!

Artikel 2: Achtung der Kindesrechte; Diskriminierungsverbot
„(1) Die Vertragsstaaten achten die in diesem Übereinkommen festgelegten Rechte und gewährleisten sie jedem ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Kind ohne jede Diskriminierung unabhängig von der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status […]“
Nordrhein-Westfalen ist ein Land der Vielfalt und Offenheit. Niemand soll hier wegen der Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden.
Dennoch machen schwule, lesbische, bisexuelle, so wie trans* und intersexuelle Jugendlichen im Vergleich zu ihren Altersgenossinnen und -genossen viel öfter Ausgrenzungs- und Mobbing-Erfahrungen in Freundeskreis, Schule und in der Öffentlichkeit. Diese psychischen Belastungen gehen oftmals mit weiteren negativen Folgen, wie einem höheren Auftreten depressiver Erkrankungen, Essstörungen, Suchtmittelmissbrauch bis hin zu einer, im Vergleich zu ihren nicht-homosexuellen Altersgenosseninnen und -genossen, deutlich erhöhten Suizidrate einher.
Daher haben sich die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen bereits im Koalitionsvertrag 2010 darauf geeinigt, einen Landesaktionsplan gegen Homo(- und Trans) phobie zu erstellen. Ziel des Aktionsplans war und ist es, Diskriminierungen zu bekämpfen und die Akzeptanz unterschiedlicher Lebensweisen gleichberechtigt zu fördern.
Dieses Anliegen wird daher in allen Politikfeldern als Querschnittthema verfolgt.
Im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik hat NRW bereits ein Bündel von Maßnahmen ergriffen. So fördert das MFKJKS mit den beiden Vernetzungsstellen „Jugendfachstelle“ und „gerne anders“ den Ausbau der LSBTTI-Jugendarbeit in NRW, eine Reihe von Angeboten der offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie die Fort- und Weiterbildung der sogenannten Regelstrukturen der Jugendhilfe. Hinzu kommt, eine Landeskoordinierungsstelle des schwul, lesbisch, bi und trans* Schulaufklärungsprojekt SchLAu NRW, die vom MGEPA gefördert wird. Flankiert wird diese schulische Aufklärungsarbeit durch das Projekt „Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt“, das vom MSW gefördert wird.

Kulturelle Vielfalt braucht Wertschätzung!

Auch wenn sich die Daten verbessert haben, noch immer entscheidet in Deutschland die Herkunft über die Zukunft. Kinder und Jugendliche aus Familien mit Migrationsgeschichte haben immer noch schlechtere Bildungsabschlüsse und schlechtere Berufschancen als Kinder und Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Hier gilt es weiterhin gegenzusteuern.
Kinder und Jugendliche haben das Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung unabhängig von Religion, Herkunft und Geschlecht. Um dieses Recht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund umzusetzen, ist eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung der Vielfalt von Kindern und Jugendlichen erforderlich. Im Sinne des Individualrechts geht es dabei um individuelle Förderung, Anerkennung und einen Blick für die Chancen, die die unterschiedlichen Hintergründe von Kindern und Jugendlichen mit sich bringen.
Vor allem die Anerkennung und Förderung von Mehrsprachigkeit im Verlauf der Bildungsbiographie spielen hier eine wichtige Rolle. Neben dem Erlernen der Bildungssprache Deutsch gilt es, die Familiensprache der Kinder und Jugendlichen wertzuschätzen und als Chance für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn zu verstehen. Gerade in einer globalisierten Welt ist Mehrsprachigkeit eine wichtige Ressource, die es zu fördern gilt.
Daneben gilt es, potenzielle strukturelle Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit Migrationsgeschichte, vor allem im Bildungsbereich, zu identifizieren und abzubauen. Dies beinhaltet auch Aufklärung über Kinderrechte und Partizipationsmöglichkeiten unter Beteiligung der Eltern und Familien.
Empirische Studien belegen, dass gerade Kinder mit einem Migrationshintergrund von einem frühen KiTa-Besuch profitieren, weil eine gute Basis für den späteren Schulbesuch geschaffen wird. Über Brückenprojekte gelingt es auch, die Kinder aus geflüchteten Familien, die noch nicht mit dem deutschen Bildungssystem vertraut sind, an das Angebot der KiTas heranzuführen. Allerdings besuchen anteilig weniger Kinder mit Migrationshintergrund eine KiTa als Kinder ohne Migrationshintergrund. Dies betrifft vor allem die Unterdreijährigen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Um vermehrt Unterdreijährige mit Migrationshintergrund an den positiven Effekten frühkindlicher Bildung und vor allem frühkindlicher Sprachförderung teilhaben zu lassen, bedarf es einer aufklärenden Elternarbeit zu den positiven Effekten frühkindlicher Bildung, einer weiteren interkulturellen Öffnung der KiTas und mehr Teilhabemöglichkeiten für die Familien.
Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund profitieren auch von den schulischen Ganztagsangeboten. In vielen Städten und Gemeinden nehmen viele von ihnen das Angebot wahr und verbessern so ihre Bildungschancen. Wenn in einzelnen Regionen jedoch Kinder mit Migrationshintergrund Ganztagsangebote nicht nutzen, hängt dies wie beim frühkindlichen KiTa-Besuch auch beim OGS-Besuch eher mit dem Bildungsgrad und der Berufstätigkeit der Eltern, den Kosten, der familialen Lebensweise und dem soziokulturellen Hintergrund der Familie zusammen als mit dem Merkmal „Migrationshintergrund“.

Rechte von Kindern und Jugendlichen ohne sicheren Aufenthaltsstatus sicherstellen!

Die UN-Kinderrechtskonvention gilt für jedes Kind und für jeden Minderjährigen, unabhängig davon, ob dieser über einen sicheren Aufenthaltsstatus verfügt oder nicht. Auch das SGB VIII unterscheidet nicht grundsätzlich zwischen den Nationalitäten oder dem Aufenthaltsstatus. Das Kindeswohl steht sowohl nach UN-Kinderrechtskonvention und nach SGB VIII auch bei Kindern ohne einen sicheren Aufenthaltsstatus im Vordergrund.
Nach Artikel 22 der UN-Kinderrechtskonvention ist unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen derselbe Schutz zu gewähren wie jedem anderen Kind, das aus irgendeinem Grund dauernd oder vorübergehend aus seiner familiären Umgebung herausgelöst worden ist.
Nach Artikel 12 KRK und nach §8 SGBVIII haben auch Kinder und Jugendliche ein Mitspracherecht, wenn weitgehende Entscheidungen, wie Hilfeplanverfahren, aufenthaltsrechtliche Entscheidungen und die Art der Unterbringung außerhalb der Familie getroffen werden.
Kinder und Jugendliche mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus leiden aufgrund der Unwissenheit, ob ihr Aufenthalt verlängert oder beendet wird, unter psychischem Druck. Je länger sie in Deutschland leben, desto größer ist die Angst vor eine Aufenthaltsbeendigung.
Die Bundesregierung muss hier im Sinne des Kindeswohls nachsteuern und die Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung, wie zum Beispiel durch die Aufnahme einer Ausbildung, deutlich verbessern. Dass das Verfahrensalter von 16 auf 18 angehoben wurde, ist zu begrüßen.
Die Bundesregierung hält bis heute am Asylbewerberleistungsgesetz fest. Durch diese Sonderregelung werden Kinder und Jugendliche bei ihrer gesundheitlichen Versorgung erheblich eingeschränkt. Durch die Einführung der Gesundheitskarte konnte das Land NRW den Flüchtlingsfamilien und ihren Kindern in den teilnehmenden Kommunen zwar eine verbesserte Gesundheitsversorgung ermöglichen, nach wie vor stehen aber die Einschränkungen der §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes dieser entgegen.
Die Kommunen sind für die Unterbringung von Flüchtlingen verantwortlich und verantworten somit auch die Qualität der Unterbringung. Seitdem die Flüchtlingszahlen gestiegen sind, stehen die Kommunen in der Unterbringung jedoch vor großen Herausforderungen und sehen sich immer weniger in der Lage, notwendige Standards sicherzustellen. Die Leittragenden sind nicht zuletzt die Kinder und Jugendlichen. Sie wohnen mit ihren Familien auf viel zu engen Raum, haben zu wenig Platz zum Spielen, schämen sich, Freundinnen und Freunde einzuladen. In den Gemeinschaftsunterkünften entstehen durch die engen Räumlichkeiten auch mehr Konflikte zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern. Kinder und Jugendliche sind in manchen Gemeinschaftsunterkünften vor Übergriffen sexueller Gewalt nicht ausreichend geschützt.
Der Bund hat sich im Oktober 2015 auf Druck von Ländern und Kommunen erstmals bereit erklärt sich dauerhaft, dynamisch und strukturell an den Kosten für Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zu beteiligen. Die vom Land und nunmehr auch vom Bund bereitgestellten finanziellen Mittel müssen auch für eine deutliche Verbesserung der Unterbringung und Betreuung von Kindern und ihren Familien genutzt werden.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben ein Recht auf Fürsorge, Teilhabe und Betreuung!

In den letzten Jahren hatte sich die Inobhutnahme von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen auf wenige Jugendämter konzentriert. Aufgrund der ansteigenden Zahlen sind diese Jugendämter bei der Unterbringung und Versorgung nach Jugendhilfestandards an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen. Damit weiterhin eine auf das Kindeswohl ausgerichtete Versorgung und Unterbringung der unbegleiteten Minderjährigen sichergestellt wird, ist eine Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen durch das Ausführungsgesetz notwendig.
Mit dem Fünften Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (5. AG-KJHG) wird in NRW die Verteilung von Kindern und Jugendlichen nach ihrer individuellen Situation und Bedürfnissen sichergestellt. Eine Verteilung erfolgt nicht einfach nur mit dem Rechenschieber, sondern es wird das Kindeswohl an erster Stelle berücksichtigt, indem in der Verteilung qualitative Faktoren und individuelle Bedürfnisse berücksichtigt werden.
In Nordrhein-Westfalen wurde den Kommunen mit der „Handreichung zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Nordrhein-Westfalen“, ein Leitfaden für die Jugendämter in Umgang mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen zur Verfügung gestellt. Diese Handreichung hat durch das neue Gesetz an Bedeutung gewonnen.
Die Handreichung wird vor allem den Kommunen, die durch das neue Gesetz die Betreuung und Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen erstmals wahrnehmen werden, wichtige Hilfestellung geben. Die Kommunen können des Weiteren durch den im Gesetz vorgesehenen interkommunalen Austausch kooperieren, ihre Expertise austauschen und Aufgaben gemeinsam wahrnehmen. Im Gesetz ist zudem vereinbart, dass die Landesregierung alle drei Jahre über die Wirkung und Umsetzung des Gesetzes unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände, der Freien Wohlfahrtspflege, dem Kinderschutzbund und dem Flüchtlingsrat NRW dem Landtag Bericht erstattet. So wird ein regelmäßiges Monitoring des Gesetzes sichergestellt.
Mit dem Fünften Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (5. AG-KJHG) stellt NRW sicher, dass die geflüchteten Kinder und Jugendlichen weiterhin gut untergebracht und versorgt werden. Es werden dabei nicht nur die bisher überproportional beanspruchten Kommunen entlastet, sondern auch die in Nordrhein-Westfalen besondere Form der Entwicklung guter Praxis und bedarfsgerechter Standards in der Versorgung und Unterbringung der Kinder und Jugendlichen aufrecht erhalten und gesichert.

Ein Recht auf gesamtgesellschaftliche Teilhabe!

Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde im Jahre 2008 ratifiziert. Danach müssen Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung die gleichen Rechte und Teilhabechancen gewährleistet werden. Die Realität ist jedoch eine andere: Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung sind immer noch in vielen Bereichen benachteiligt. Von gleichen Teilhabechancen kann heute also noch nicht die Rede sein. Der Zugang zu Angeboten der offenen Jugendarbeit ist Kindern und Jugendlichen mit Behinderung nicht ausreichend ermöglicht. Die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung an Jugendfreizeiten, Freiwilligendiensten oder Jugendreisen sind mit zu vielen Hürden verbunden.
Eine gemeinsame Betreuung in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege ist durch die Anhebung der Pauschalen für Kinder mit einer Behinderung zuletzt im Rahmen der zweiten KiBiz-Revision erleichtert worden und ermöglicht im Elementarbereich die Bildung von inklusiven Gruppen. Inklusion in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege bedeutet für alle Kinder einen Mehrwert und steigert so die Qualität der Betreuung.

Gendersensible Kinder- und Jugendpolitik vorantreiben!

Die geschlechtliche und sexuelle Identität eines Menschen ist bis heute eine zentrale Ordnungskategorie unserer Gesellschaft. Das hat auch Konsequenzen für eine geschlechtersensible Kinder- und Jugendpolitik. Es gilt die unterschiedlichen Bedürfnisse von Mädchen und Jungen in den Blick zu nehmen, ohne dabei stereotype Rollenvorstellungen zu reproduzieren und zu verfestigen. Eine geschlechtersensible Kinder- und Jugendpolitik bedeutet aber auch, dass Mädchen genauso wenig eine homogene Gruppe darstellen wie Jungen. Darüber hinaus gilt es in den Blick zu nehmen, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen sich statisch einem Geschlecht zuordnen wollen oder können.
Die geschlechtersensible Kinder- und Jugendarbeit ist in NRW sehr gut aufgestellt – auch im bundesweiten Vergleich. Der Geschlechterdiskurs ist in der praktischen Jugendarbeit angekommen und prägt eine Vielzahl der Angebote. Die landesgeförderten Landesarbeitsgemeinschaften Mädchenarbeit und Jungenarbeit sowie FUMA – Fachstelle Gender leisten wichtige Beiträge, wenn es um die weitere Verbreitung und die Weiterentwicklung bestehender gendersensibler, pädagogischer Konzepte geht. Gelingende Mädchen- und Jungenarbeit kann dabei nur in einem Miteinander funktionieren.
Trotzdem gilt es, insbesondere auch die Sichtbarkeit von Mädchen und ihren Interessen und Bedürfnissen zu stärken. Art. 2 der UN-Kinderrechtskonvention verbietet eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Auch wenn Mädchen und Jungen in Deutschland die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben, gibt es doch nach wie vor geschlechtsspezifische Unterschiede. So werden Mädchen häufiger Opfer sexualisierte Gewalt, zumeist durch erwachsene Täter und seltener Täterinnen aus dem sozialen Umfeld. Jungen hingegen werden nach den bekannten Statistiken deutlich häufiger Opfer von körperlicher Gewalt im Kontext mit Gleichaltrigen. Gleichwohl ist auch in Hinblick auf sexualisierte Gewalt mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen.
Auch im Bereich der beruflichen Ausbildung ergeben sich deutliche Unterschiede. Noch immer orientiert sich das Berufswahlverhalten von Mädchen an den „klassischen Frauenberufen“, die ihnen nicht nur eine schlechtere Bezahlung, sondern auch schlechtere Karrierechancen bieten, mit deutlichen Konsequenzen für die Alterssicherung.
Um den besonderen Interessen und Bedürfnissen von Mädchen Rechnung zu tragen, haben einige Kommunen Mädchenbeiräte initiiert, die dafür Sorge tragen sollen, dass Mädchenpolitik strukturell Berücksichtigung findet. Daneben sollten die Kommunen auch die spezifischen Belange von Jungen zum Ausgangspunkt ihrer Förderstrategien machen.

Ein Recht auf Freiräume und Spiel!

Die UN-Kinderrechtskonvention schreibt in Artikel 31 das „Recht auf Spiel“ sowie ein Recht auf aktive Erholung fest. Bewegung, Spiel und Sport kommen beim gesunden Aufwachsen von Kindern eine besondere Rolle zu. Kinder brauchen Raum, um ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachgehen zu können und ihr Lebensumfeld aktiv erfahren zu können. Darüber hinaus sind die positiven Effekte für die physische und psychische Gesundheit von Kindern vielfach nachgewiesen. Insbesondere, da die Anforderungen an Kinder und Jugendliche steigen, sie einen immer höher getakteten Zeitplan haben und sich zunehmend gehetzt fühlen. Die Konsequenz sind physische und psychische Leiden, die auch immer deutlicher artikuliert werden. In NRW hat sich das Bündnis für Freiräume zusammengeschlossen, das zur Sprache bringt, was Kinder und Jugendliche brauchen: Sie brauchen Entschleunigung. Sie haben ein Recht auf Zeitsouveränität, auf ein selbstbestimmtes Leben. Sie müssen entscheiden können, wie sie ihre Freizeit gestalten; junge Menschen brauchen auch einfach mal Zeit fürs ‚Nichtstun‘. Zudem brauchen junge Menschen Platz zum freien (Draußen-)Spiel, Raum, um eigene Subkultur zu inszenieren, Grenzen auszutesten und sich zu erholen. Kinder und Jugendliche brauchen aber auch genügend Bewegungs- und Sport(zeit)räume. Bewegung, Spiel und Sport sollten dabei in allen Bereichen kindlichen und jugendlichen Lebens Berücksichtigung finden, sowohl als selbstgestaltete Bewegung, als auch innerhalb von KiTa, Schule und Sportverein.
Dazu braucht es pädagogikfreie (Zeit-)Räume, eine Stadt- und Verkehrsplanung, die die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt und eine intensivere Einbeziehung von jungen Menschen in Planungsprozesse.

IV. Eltern und Familien beteiligen

Eltern sind für Kinder in der Regel die wichtigsten Bezugspersonen und Vorbilder. Die Kinderrechte durch gezielte Fördermaßnahmen zu stärken funktioniert nur, wenn die Eltern oder Erziehungsberechtigten diese kennen und unterstützen. Es ist daher wichtig die Eltern frühzeitig über Kinderrechte, Unterstützungsmaßnahmen und Bildungsangebote zu informieren, sie von der Wichtigkeit für ihr Kind und die Familie zu überzeugen, und sie an der Umsetzung aktiv zu beteiligen.
Dazu gehört auch, Eltern eine starke Stimme zu geben. Mit der ersten KiBiz-Revision 2011 wurde die Elternmitwirkung in den Kindertagesstätten erheblich gestärkt und auf den Ebenen Einrichtung, Jugendamtsbezirk und Land gesetzlich verankert. Die so entstandenen Gremien sind heute schon wichtige Akteure im Feld der frühkindlichen Bildung.
Darüber hinaus ist in den Strukturen der offenen Ganztagsschulen dafür zu werben, dass die Schulen die gegebenen Möglichkeiten für eine angemessene Interessenvertretung von Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie den anderen Beschäftigten in allen Gremien wie Schulkonferenzen intensiver nutzen als bisher. Eine weitergehende Öffnung wurde durch das 12. Schulrechtsänderungsgesetz vorgenommen.

V. Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird aufgefordert
einen Rahmen zu schaffen, der kommunale Ombudschaften langfristig und nachhaltig unterstützt
dafür Sorge zu tragen, dass die UN-Kinderrechtskonvention in Nordrhein Westfalen einen höheren Bekanntheitsgrad erlangt
mit den für Fortbildungen zuständigen freien und öffentlichen Trägern zu erörtern, wie im Rahmen von Schulungen und Fortbildungsprogrammen die Grundlage dafür gelegt werden kann, dass Kinderrechte in Institutionen und im alltäglichen Umgang umgesetzt werden
die Ergebnisse der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe mit den Vertreterinnen und Vertretern der Jugendlichen zur strukturellen Beteiligung an der Landespolitik auf deren Implementierung zu prüfen
in dem am Ende jeder Legislaturperiode vorzulegenden Kinder- und Jugendbericht auch über die Umsetzung der Kinderrechte in NRW unter Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen mit Armutserfahrung-, ohne sicheren Aufenthaltsstatus-, mit Behinderung, -mit Migrationshintergrund sowie LSBTTI-Jugendlichen zu berichten
Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Umsetzung gendersensibler Pädagogikkonzepte zu unterstützen und damit den unterschiedlichen Bedürfnissen von Mädchen und Jungen sowie LSBTTI-Jugendlichen Rechnung zu tragen
die Wertschätzung der Vielfalt von Kindern und Jugendlichen und einer Kultur der Anerkennung in Nordrhein-Westfalen verstärkt zu fördern
zu prüfen, wie Familien mit Migrationshintergrund über die Vorteile der U3-Betreuung und des Besuches ihrer Kinder einer KiTa und einer Ganztagsschule besser informiert werden können
zu prüfen, wie die Forderungen das Bündnis Freiräume in NRW umgesetzt werden können
auch weiterhin Programme und Projekte zur demokratischen Bildung und zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen wie z. B. „Demokratisch Handeln“, „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ mit Mitteln der Landesregierung zu unterstützen und auf diesem Wege die Partizipation von Schülerinnen und Schülern in allen Schulstufen und Schulformen zu stärken und Kinder und Jugendliche zu befähigen, sich an demokratischen Prozessen aktiv zu beteiligen.
 Die Landesregierung wird darüber hinaus gebeten, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen:
dass die Rechte von Kindern im Grundgesetz verankert werden
dass die Bundesregierung gemäß Artikel 17 des Zusatzprotokolls das Individualbeschwerdeverfahren in der breiten Gesellschaft, aber vor allem innerhalb von Institutionen und Organisationen bekannt macht
dass ein Recht auf Beteiligung – wie es umfassend im SGB VIII formuliert ist – als durchsetzbares Recht definiert wird
Rechtsverletzungen zu beheben, die durch deviierende nationale gesetzliche Bestimmungen entstehen. Dies geschieht insbesondere mit dem Ziel, die Rechte von Minderheiten zu stärken und Benachteiligung zu verhindern
dass die Mittel für das Programm „Demokratie leben“ weiterhin deutlich aufgestockt werden, um vor allem Partizipation und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu stärken.