Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt weiter verbessern

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP

I. Ausgangslage
Unsere Städte und Gemeinden sind das Fundament unseres Landes und die Keimzellen der Demokratie. Auf der kommunalen Ebene werden Entscheidungen getroffen, die das alltägliche Lebensumfeld der einzelnen Bürgerinnen und Bürger unmittelbar prägen. Deshalb gehört es zu den landespolitischen Verpflichtungen, dieses Fundament zu stärken und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch in Zukunft die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger erhalten bleibt, sich in der Kommunalpolitik aktiv einzubringen. In Nordrhein-Westfalen engagieren sich insgesamt rund 20.000 Bürgerinnen und Bürger in kommunalen Vertretungen. Sie sind dabei als Ratsmitglieder oder Kreistagsabgeordnete tätig, haben ein Mandat in einer Bezirksvertretung oder arbeiten als sachkundige Bürgerin bzw. als sachkundiger Bürger in einem Ausschuss mit. Unsere Demokratie ist auf ihr Engagement dringend angewiesen, da hierdurch ein unverzichtbarer Beitrag für das Wohlergehen der Allgemeinheit geleistet wird! Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, dass ihre Tätigkeit auf ehrenamtlicher Basis ausgeübt wird. Dies bedeutet, dass sie außerhalb eines Dienstverhältnisses unentgeltlich in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis sui generis bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirken. Es gehört zum Wesen der ehrenamtlichen Tätigkeit, dass diese nicht wie ein Beruf der Sicherung des eigenen Lebensunterhalts dient, sondern dass sie vielmehr während der Freizeit für eine gewisse Zeit neben der beruflichen Tätigkeit ausgeübt wird. Das Leitbild des Freizeitpolitikers begegnet indes vielerorts angesichts des stetig steigenden Zeitaufwands sowie komplexer werdender Themen und Kontrollaufgaben wachsenden Schwierigkeiten. Ratsmitglieder leisten für ihr Mandat häufig 20 Wochenstunden und mehr. Bereits jetzt erweist es sich in einigen Kommunen als schwierig, bei einer hinreichenden Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern die Bereitschaft zur Übernahme eines kommunalpolitischen Mandats zu wecken. Ohne Verbesserungen bei der Attraktivität der Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt drohen zukünftig ein weiterer Rückgang des kommunalpolitischen Engagements und damit eine Austrocknung eines der wesentlichen Fundamente unserer Demokratie. Kommunale Vertretungen müssen auch künftig ein Spiegelbild der Gesellschaft sein! Das kommunale Ehrenamt stößt jedoch an seine Grenzen und hat Schwierigkeiten Nachwuchs zu gewinnen. Daher ist es umso wichtiger, dass die Rahmenbedingungen zur Ausübung eines Ehrenamtes weiter verbessert werden.
Bereits in der 14. Wahlperiode hatte sich der Landtag deshalb intensiv mit einer Verbesserung der entsprechenden Rahmenbedingungen befasst und daraufhin im September 2012 ein Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamts erarbeitet. Durch dieses Gesetz wurden unter anderem verbindliche Freistellungsregelungen bei flexiblen Arbeitszeiten sowie ein Anspruch auf Weiterbildungsurlaub in Höhe von acht Tagen in der Wahlperiode eingeführt. Auch nach Verabschiedung dieser wichtigen gesetzlichen Verbesserungen wurde jedoch sehr schnell deutlich, dass weitere Reformen erforderlich sind. In seiner Sitzung am 11. Juli 2013 hatte der Landtag deshalb beschlossen, den bereits eingeschlagenen Weg fortzusetzen und innerhalb des Ausschusses für Kommunalpolitik erneut eine Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Rahmenbedingungen des kommunalen Ehrenamts einzurichten. Die Gruppe hat ihre Arbeitsergebnisse in Handlungsempfehlungen zusammengefasst, die am 16. Juni 2015 von ihr beschlossen und am 28. August 2015 in einem Bericht dem Ausschuss für Kommunalpolitik vorgestellt wurden. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt sich demnach sowohl bei der Verbesserung der unmittelbaren Rahmenbedingungen für kommunale Mandatsträger und Mandatsträgerinnen als auch bei der Stärkung der Fraktionen und der Rechte der kommunalen Vertretungen. Die Arbeitsgruppe sprach insbesondere folgende Empfehlungen aus:
Zum 01. Januar 2016 soll eine einmalige deutliche Anhebung der Aufwandsentschädigung für Ratsmitglieder, Kreistagsmitglieder, Mitglieder der Bezirksvertretungen, Landschaftsversammlungen sowie des Regionalverbands Ruhr erfolgen.  
Es soll eine Erweiterung und Anhebung der Aufwandsentschädigungen zugunsten von stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden erfolgen. Dafür soll zum einen geregelt werden, dass eine Fraktion bereits ab einer Fraktionsgröße von acht Mitgliedern als „große Fraktion“ gilt, in der ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender gewählt werden kann. Ab einer Zahl von 16 Mitgliedern soll sich die Zahl der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden auf zwei und ab einer Zahl von 24 Mitgliedern auf drei erhöhen. Zum anderen sollen die stellvertretenden Vorsitzenden jeweils einen Anteil von 50 Prozent der Aufwandsentschädigung erhalten, die ein Fraktionsvorsitzender einer großen Fraktion bekommt.
Für die Ausschussvorsitzenden in den Räten, Kreistagen und Landschaftsversammlungen soll eine zusätzliche einfache Aufwandsentschädigung eingeführt werden.
Die verordnungsrechtlichen Voraussetzungen sollen geschaffen werden, um die Aufwandsentschädigung für die Regionalräte an die Aufwandsentschädigung der Mitglieder in den Landschaftsversammlungen und beim Regionalverband Ruhr anzupassen.
Es sollen die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Rechtsverordnung geschaffen werden, welche eine landesweite Vereinheitlichung der Verdienstausfallgrenzen sicherstellt. In der Rechtsverordnung soll der Regelstundensatz für den Verdienstausfall auf den dem aktuellen gesetzlichen Mindestlohn entsprechenden Betrag von 8,50 Euro pro Stunde festgesetzt werden. Der Höchstbetrag für den tatsächlich nachgewiesenen Verdienstausfall soll 80 Euro pro Stunde unter Einbeziehung der Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen betragen. Hinsichtlich der genannten Beträge soll eine regelmäßige Überprüfung in der jeweiligen Wahlperiode erfolgen.
Es soll eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt werden, um die Erforderlichkeit sowie die rechtlichen Voraussetzungen für eine Ausweitung des bisher auf Gleitzeitmodelle beschränkten Nachteilsausgleichs gemäß § 44 Abs. 2 GO auf weitere Berufsgruppen oder Arbeitszeitmodelle zu ermitteln, insbesondere im Hinblick auf eine Abstandsregelung zwischen Sitzungsende und dem Beginn von Nachtarbeit und Schichtarbeit.
Es soll geprüft werden, inwiefern die Einbeziehung von Ortsvorstehern, Vorsitzenden der Bezirksausschüsse sowie von stellvertretenden Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen bzw. Bezirksvorstehern und Bezirksvorsteherinnen in die Freistellungs- und Verdienstausfallregelungen der Gemeindeordnung optimiert werden kann.
Es soll eine Überarbeitung und Aktualisierung des aus dem Jahr 1989 stammenden Erlasses "Zuwendungen kommunale Körperschaften an Fraktionen der Vertretung" erfolgen, um eine Hilfestellung für Fraktionen in denjenigen Kommunen zu geben, in denen derzeit keine angemessene Grundausstattung für die Fraktionsarbeit in Form von Sach- und Geldleistungen gewährt wird.
Es soll geprüft werden, ob die Rechtsgrundlagen für Live-Streams aus kommunalen Gremien präzisiert werden sollen.
Als Fazit stellte die Arbeitsgruppe zudem fest, dass die weitere Entwicklung und Stärkung des kommunalen Ehrenamts eine Daueraufgabe der Landespolitik bleibt. Angesichts tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen – insbesondere in der Arbeitswelt, aber auch aufgrund der zukünftigen demographischen Entwicklung – kann eine Anpassung oder Veränderung der Rahmenbedingungen zukünftig wieder notwendig werden. Eine Evaluation sämtlicher gesetzlicher Änderungen zum kommunalen Ehrenamt seit 2012 könnte deshalb zu gegebener Zeit erfolgen und die Grundlage für zukünftig erforderlich werdende politische Entscheidungen bilden.  
II. Der Landtag stellt fest:
Der Landtag begrüßt ausdrücklich die Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe zur „Verbesserung der Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt“. Die von der Arbeitsgruppe im Rahmen ihres Berichts vorgestellten Arbeitsergebnisse stellen einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung und attraktiveren Gestaltung des kommunalen Ehrenamts und damit der kommunalpolitischen Landschaft insgesamt in Nordrhein-Westfalen dar. Der Landtag stellt zudem fest, dass die von der Arbeitsgruppe mehrheitlich beschlossenen Handlungsempfehlungen nunmehr zügig in konkrete Gesetzesinitiativen und Maßnahmen umgewandelt werden müssen.
Insbesondere begrüßt der Landtag, dass als Ergebnis der Tätigkeit der Arbeitsgruppe vom Ministerium für Inneres und Kommunales in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden und den kommunalpolitischen Vereinigungen bereits jetzt die Überarbeitung des aus dem Jahr 1989 stammenden Erlasses „Zuwendungen kommunaler Körperschaften an Fraktionen der Vertretung“ in Angriff genommen wurde. Die Überarbeitung dieses Erlasses ist wichtig für die Gewährleistung einer angemessenen Ausstattung für die Fraktionsarbeit in sämtlichen Kommunen des Landes.
Angesichts der bevorstehenden gesellschaftlichen Veränderungen – zum Beispiel in der Arbeitswelt oder aufgrund der zukünftigen demographischen Entwicklung – ist die Landespolitik verpflichtet, auch zukünftig die weitere Entwicklung der Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt im Auge zu behalten. Die hierzu bereits in der Vergangenheit eingeleiteten Maßnahmen bzw. die nunmehr aufgrund der neuen Handlungsempfehlungen einzuleitenden Maßnehmen sind zu einem späteren Zeitpunkt auf ihre Auswirkungen zu überprüfen und gegebenenfalls durch weitere flankierende Maßnahmen zu ergänzen.
III. Der Landtag beschließt:
Der Landtag wird aufgefordert, die von der Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt vorgeschlagenen und in Abschnitt I Ziffer 1-9 dieses Antrags aufgeführten Gesetzesänderungen zügig auf den Weg zu bringen. Zudem wird die Landesregierung gebeten, die von der Kommission vorgeschlagenen entsprechenden verordnungsrechtlichen Maßnahmen nach der Verabschiedung der erforderlichen gesetzlichen Grundlage zügig umzusetzen. Die von der Arbeitsgruppe empfohlenen weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen und Prüfungen zu einzelnen Fragestellungen sollen möglichst zeitnah in Auftrag gegeben bzw. vorgenommen werden.
Die Landesregierung wird gebeten, den derzeit in Überarbeitung befindlichen Erlass „Zuwendungen kommunaler Körperschaften an Fraktionen der Vertretung" zügig in Kraft zu setzen.
Die Landesregierung wird gebeten, durch eine Änderung der Entschädigungsverordnung (EntschVO) zum 01. Januar 2016 eine einmalige Anhebung der Aufwandsentschädigung in Höhe von zehn Prozent für Ratsmitglieder und Kreistagsmitglieder sowie für Mitglieder der Bezirksvertretungen, Landschaftsversammlungen und der Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr zu ermöglichen.