Qualität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stärken – Werbung und Sponsoring schrittweise reduzieren

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aus Sicht des Landtages von Nordrhein-Westfalen ist die Umstellung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von der gerätebezogenen Gebühr zum Haushaltsbeitrag erfolgreich gelungen. Dies war eine gemeinsame Anstrengung aller Länder, des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks und seiner Gremien sowie vieler weiterer gesellschaftlicher Akteure. Wesentliche Grundlage für die Umstellung war das von ARD, ZDF und dem Deutschlandradio in Auftrag gegebene „Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ von Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Kirchhof, Bundesverfassungsrichter a. D. In These 19 hält Prof. Kirchhof fest:
„Dieser Rundfunkbeitrag folgt einem Konzept genereller, markt- und staatsunabhängiger Lastenverteilungsgerechtigkeit, betont damit die Unabhängigkeit der Rundfunkfinanzierung von der tatsächlichen Nutzung der einzelnen Sendungen (Quote), begründet die Beitragslast mit dem strukturellen Vorteil, den die Allgemeinheit und damit jedermann aus dem Wirken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zieht. Dieses Belastungsprinzip ist folgerichtig verwirklicht, wenn der Rundfunk auf Werbeeinnahmen und Sponsoring bei Eigenproduktionen (Tauschgerechtigkeit) verzichtet, damit seine Unabhängigkeit von Privatwirtschaft und Markt deutlicher hervorhebt. Die Abgabenreform würde mit diesem schrittweise und aufkommensneutral zu gestaltenden Werbeverzicht ein deutliches Signal auch für die zukünftige Rundfunkpolitik und die ersichtliche kulturelle Identität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert sich aus den Beiträgen aller, denen dieses Rundfunkangebot zugute kommt; der private Rundfunk finanziert sich aus Zahlungen der Privatwirtschaft.“
Die Diskussion um den schrittweisen Ausstieg von Werbung und Sponsoring erhielt dadurch neuen Auftrieb. Zuvor hatten schon alle Länder in einer gemeinsamen Protokollerklärung zum fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Jahr 2010 verabredet:
„Auf der Basis des 19. KEF-Berichts und der aktualisierten Zahlen soll auch die Frage der Werbung und des Sponsorings im öffentlich-rechtlichen Rundfunk entschieden werden. Dabei soll auch die Frage einer stufenweise weiteren Reduzierung behandelt werden. Gleichzeitig nehmen die Länder in Aussicht, die Auswirkungen der in § 16 Abs. 6 Halbsatz 2 des Rundfunkstaatsvertrages vorgesehenen Beschränkung der Sponsoring-Möglichkeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu prüfen. […]“
Auch hat das Bundesverfassungsgericht klare verfassungsrechtliche Anforderungen an die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks definiert (Entscheidung zum Rundfunkfinanzierungstaatsvertrag vom 11. September 2007):
„Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf der Grundlage des Gebührenaufkommens soll eine weitgehende Abkoppelung vom ökonomischen Markt bewirken und dadurch sichern, dass sich das Programm an publizistischen Zielen, insbesondere an dem der Vielfalt, orientiert und zwar unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen“ (BVerfGE 119, 181, 219)
Die kürzlich durchgeführte Online-Konsultation der Landesregierung zur Novellierung des WDR-Gesetzes hat verdeutlicht, dass sich zudem viele Bürgerinnen und Bürger die Frage stellen, warum sie Rundfunkbeiträge bezahlen und gleichzeitig Werbeunterbrechungen bei ARD, ZDF und zahlreichen anderen öffentlich-rechtlichen Programmangeboten in Kauf nehmen sollen. Für sie und auch viele Experten würde der Werbeverzicht eine Qualitätssteigerung und einen Beitrag zur Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellen.
Gegner einer schrittweisen Werbereduzierung halten dem entgegen, Werbung diene der Information der Zuschauer über das Wirtschaftsleben, Preise und Märkte und sei daher „selbstverständlicher“ Teil eines modernen Vollprogrammes. Werbung gelte gerade für junge Menschen sogar als Indiz für die Kreativität und Modernität eines Programmes (siehe u.a. Stellungnahme von ARD und ZDF zum KEF-Sonderbericht „Verzicht auf Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ – beauftragt durch die Länder am 14. Juni 2012). Es besteht jedoch auch bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Konsens darüber, dass das avisierte sponsoring- und werbefrei ausgestaltete Jugendangebot „durch Unabhängigkeit von kommerziellen Finanzierungs- und Verbreitungsmodellen eine strikt an publizistisch-redaktionellen Kriterien ausgerichtete Alternative“ für junge Menschen bieten wird (Konzept zum Jugendangebot von ARD und ZDF vom 18. Juni 2015).
Aus Sicht des Landtages von Nordrhein-Westfalen überwiegen insofern die Argumente für einen schrittweisen Ausstieg aus Werbung und Sponsoring.

Der Landtag stellt fest:

Der schrittweise Ausstieg aus Werbung und Sponsoring im Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist möglich und sinnvoll. Zahlreiche Anhörungen, Expertenpapiere, Gutachten und die Protokollerklärung aller Bundesländer zum „Fünfzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge“ zeigen, dass die Debatte nun seit einigen Jahren umfassend geführt wurde. Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Beitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch das Ziel einer weitgehenden Abkopplung vom ökonomischen Markt, um publizistische Ziele, vor allem die Vielfalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern. Nach der ausführlichen Diskussion und klaren Erkenntnissen ist es nun Zeit zum Handeln.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

sich auf allen politischen Ebenen für einen schrittweisen Ausstieg aus Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Programm einzusetzen.