I. Ausgangslage
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gelingende Integration und Teilhabe in Deutschland sind Sprachkenntnisse. Wer die deutsche Sprache beherrscht, hat eine größere Chance, erfolgreich an Bildung und Beschäftigung teilzuhaben. Eine gemeinsame Sprache trägt maßgeblich zum Gelingen der Kommunikation bei und hilft dabei vorhandene Potenziale abzurufen. Als schwarz-grüne Zukunftskoalition erkennen wir Mehrsprachigkeit als Kompetenz an und wollen diese fördern. Dazu gehört auch, dass möglichst vielen Menschen der Zugang zu Sprachbildungsangeboten ermöglicht wird. Diese Aufgabe zu bewältigen, erfordert unbürokratisches Vorgehen und ein gutes Zusammenspiel aller Beteiligten. Deshalb setzt sich die Landesregierung für die frühzeitige Vermittlung von Sprachkenntnissen für Zugewanderte ein.
Aus dem Sondervermögen, das die Landesregierung zur Bewältigung der Krisensituation in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine eingerichtet hat, fließen 10 Millionen Euro in die Bereitstellung niedrigschwelliger Sprachgelegenheiten. Die mit den Mitteln für Maßnahmen aus dem Sondervermögen geplanten Angebote dienen dazu, erste elementare Sprachkenntnisse zu vermitteln und die Geflüchteten alltagsnah in der Ankommens- und Orientierungsphase zu unterstützen.
Die „Basissprachkurse zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen“ stellen seit Jahren ein gelungenes Instrument des Landes Nordrhein-Westfalen zum frühzeitigen Spracherwerb und zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten dar. Sie verfolgen das Ziel, die Lücke im Sprach-förderangebot des Bundes zu schließen. Das Programm soll Teilnehmenden den Anschluss an weiterführende berufsbezogene Sprach- und Schulangebote ermöglichen.
Um vor allem den vielen ukrainischen Frauen mit Kindern die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen zu ermöglichen und gleichzeitig die Kinder in Angebote der frühkindlichen Bildung zu integrieren, stärkt die Landesregierung die Brückenprojekte. Aus dem Sondervermögen werden 5 Millionen Euro bereitgestellt.
Zentraler Baustein, Geflüchteten flächendeckend den Erwerb der deutschen Sprache zu ermöglichen, sind jedoch insbesondere auch die Integrationskurse in Verantwortung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Außerdem muss der Zugang zu den Sprach- und Integrationskursen dringend flexibler möglich sein. Das System muss Menschen Teilhabe ermöglichen und darf kein Ausschlusskriterium sein. Deshalb ist es geboten, dass das BAMF schon vor 2025 neue Erstzulassungsverfahren für Träger von Sprach- und Integrationskursen durchführt.
Schon die Wartezeiten für eine Teilnahme belaufen sich mancherorts auf mehrere Monate. Exemplarisch werden in der ZUE Soest mit einer Kapazität von 1.800 Plätzen derzeit nur zwei Erstorientierungskurse (EOK-Kurse) angeboten. Die Situation ist zunächst für Geflüchtete frustrierend, die schnellstmöglich die deutsche Sprache erlernen möchten, um so ein selbstständiges Leben führen zu können. Dies verzögert aber meistens auch eine Teilhabe am Arbeitsmarkt, auf dem Arbeits- und Fachkräfte dringend benötigt werden. Es gibt viele Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, die mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte beschäftigen wollen, sich aber aufgrund der Sprachbarriere gegen eine Einstellung entscheiden.
Träger von Kursen empfinden die administrativen und konzeptionellen Vorgaben als wenig zielführend und zu eng geführt. Statt einheitlich vorgegebener zentraler Lernkonzepte müssen die Träger vor Ort in die Lage versetzt werden, aufgrund ihrer Einschätzung von Lernbedürfnissen und Lernmöglichkeiten der Teilnehmenden, individuelle und passgenaue Lernwege zu gestalten.
Schon die schwer zu erfüllenden Grundvoraussetzungen zeugen von einer mangelnden Flexibilität, die es dringend bräuchte, um Integrationskurse annähernd in der benötigten Anzahl durchführen zu können. Mit Eintritt in das Erstzulassungsverfahren müssen zwei Unterrichtsräume mit jeweils 20 Plätzen vorhanden sein. Außerdem müssen Träger neben hochqualifi-zierten Lehrkräften, mindestens eine eigene Verwaltungskraft, die nicht gleichzeitig auch eine Lehrtätigkeit für diesen Antragstellenden ausübt, anstellen.
Für Interessentinnen und Interessenten, die Integrationskurse leiten möchten, gibt es strenge Vorgaben. Sogar ein Germanistik-Studium reicht nicht aus. Die Möglichkeiten Lehrkräfte zu gewinnen, die entweder ein erfolgreich abgeschlossenes Studium „Deutsch als Fremdsprache“ bzw. „Deutsch als Zweitsprache“ oder eine vom Bundesamt anerkannte gleichwertige fachliche Qualifikation nachweisen können, sind de facto erschöpft. Vor dem Hintergrund steigender Bedarfe ist es daher geboten, die Anforderungen anzupassen und Bildungsträgern mehr Spielraum im Einsatz von Dozentinnen und Dozenten einzuräumen und gleichzeitig Angebote zu entwickeln, um Lehrkräfte fort- und auszubilden. Diese hat für eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse keine größere Relevanz, denn eine Kontrolle des individuellen Lernerfolgs wird durch die vom BAMF zentral durchgeführten Zwischen- und Abschlusstests gewährleistet.
Insbesondere im ländlichen Raum steigt momentan die Wahrscheinlichkeit weiter, dass Kurse abgebrochen werden müssen und noch längere Wartezeiten entstehen. Ursächlich sind hier Vorgaben des BAMF mit Blick auf Teilnehmerzahl und Räumlichkeiten: Die Mindestgröße von 14 Personen macht ein flächendeckendes Kursangebot im ländlichen Raum schwieriger, und auch die Vorgaben zur Ausstattung von Schulungsräumen sind zu pauschal und nicht bedarfsorientiert. Sie stellen damit ggf. eine unnötige Hürde da.
Abhilfe schaffen könnte der Einsatz digitaler Lehr- und Lernangebote. Diese ermöglichen auch „asynchrone Lernphasen“, die besonders für Eltern wichtig wären, deren Kinder nicht zuverlässig betreut werden können. Darüber hinaus können zu viele Eltern nicht an Sprach- und Integrationskursen teilnehmen, da die Kinderbetreuung zum Zeitpunkt der Unterrichtseinheiten nicht gewährleistet ist.
Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN sieht, dass die Vorgaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Integration und Teilhabe erschweren und unterstützt die Landesregierung in ihrem Ansinnen, bürokratische Hürden für Integrationskurse abzusenken.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Für eine gelungene Integration und gleichberechtigte Teilhabe sind Sprachkenntnisse eine der wichtigsten Voraussetzungen.
- Es braucht seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dringend ein größeres Angebot an Integrationskursen, die sich flexibel an die Bedarfe der Teilnehmenden anpassen und bedarfsgerechte Kinderbetreuung anbieten.
- Der Einsatz digitaler Lern- und Lehrangebote würde mehr Geflüchteten eine Teilnahme an einem Integrationskurs ermöglichen.
- Die Anforderungen an Träger, Räumlichkeiten und Lehrkräfte sind in der aktuellen Situation steigender Geflüchtetenzahlen nicht angemessen.
- Die bundesseitig geförderten Sprachkursangebote sind noch immer nicht allen Geflüchteten und neueingewanderten Personen zugänglich. Somit besteht weiterhin der Bedarf, diese durch das BAMF verursachte Lücke durch landegeförderte Maßnahmen zu schließen.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- sich weiterhin auf allen Ebenen gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dafür einzusetzen, dass Geflüchtete schneller an Integrationskursen teilnehmen können, mehr Kursleiterinnen und Kursleiter für diese zugelassen werden und die Hürden in der Kursorganisation für Träger gesenkt werden.
- sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die finanziellen Mittel für die Integrations- und Berufssprachkurse angemessen zu erhöhen, um das Angebot bedarfsgerecht auszuweiten.
- weiterhin die Möglichkeiten zu nutzen, die der Einsatz digitaler Lernumgebungen und -angebote in den Sprachkursen bieten.
- die Ausweitung von Sprach-Basiskursen und Alphabetisierungskursen in allen regulären Unterbringungseinrichtungen des Landes zu prüfen, um den Bedarf zu decken und die Bandbreite des Angebots verbindlicher zu gestalten.
- weiterhin ESF-Fördermittel für „Basissprachkurse zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten“ durch die Bereitstellung von Ko-Finanzierungsmitteln einzuwerben.
- Angebote in den Kommunen zu unterstützen und deren Ausbau zu fördern.
- die Kammern aufzufordern, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen Angebote zum Spracherwerb zu schaffen.
- sich beim Bund dafür einzusetzen, dass die vorgenommene Reduzierung der Bundesmittel für die Erstorientierungskurse (EOK) zurückgenommen und die Bundesmittel an den erhöhten Bedarf angepasst und somit angemessen aufgestockt werden.