Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung – Nordrhein-Westfalen als Vorreiter bei der Umsetzung der internationalen Nachhaltigkeitsziele

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausgangslage

Das Jahr 2015 ist für die Globale soziale Gerechtigkeit, den  Erhalt und Schutz der biologischen Vielfalt, Klimagerechtigkeit und Frieden von zentraler Bedeutung, da die Milleniumentwicklungsziele (Millenium Development Goals, MDG) in diesem Jahr auslaufen und die internationale Gemeinschaft über eine Nachfolgeagenda verhandelt.
Im Jahre 2000 hatte die UN acht Milleniumsentwicklungsziele beschlossen, die bis 2015 erreicht werden sollten. Die internationale Gemeinschaft einigte sich zum ersten Mal auf konkrete Ziele und legte einen Zeitrahmen fest, bis wann sie erreicht werden sollten. Entwicklungspolitik war so zum ersten Mal messbar und einforderbar geworden. Der internationalen Gemeinschaft muss es 15 Jahre später mit der Post 2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung gelingen, die Entwicklungs- und die Umweltagenda für eine globale sozial-ökologisch gerechte Transformation miteinander zu verzahnen, indem sie klare, nachhaltige Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) aufstellt.
Die für die Entwicklung der SDG zuständige Arbeitsgruppe hat mittlerweile einen ersten Entwurf („Zero Draft of goals and targets“) für die Post-2015-SDGs vorgelegt. Darin wird deutlich, dass für nachhaltige Entwicklung in der weltweiten Kooperation ein Paradigmenwechsel möglich wird: denn die Agenda richtet sich nicht einseitig an die sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer, sondern auch die Industriestaaten sind Adressaten. Die alten Kooperationsmuster des Nord-Süd-Denkens, in dem der „reiche Norden“ den „unterentwickelten Süden“ nach seinem Vorbild entwickelt, können so überwunden werden. Probleme können nicht nur sektoral oder isoliert in einem Teil der Welt gelöst werden, sondern erfordern eine Strategie für die kooperative gemeinsame Bewältigung der globalen Herausforderungen. Globale soziale Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit und Frieden können nur erreicht werden, wenn die Industriestaaten strukturelle Änderungen an ihrem Wirtschaften und ihren Lebensstilen vornehmen. Wenngleich die konkreten Ziele der Post-2015-Agenda für die Jahre 2030 und 2050 noch nicht endgültig definiert sind und so deren abschließende Bewertung nicht möglich ist, sind die Dimensionen und Zielrichtungen erkennbar auch für NRW von großer Bedeutung und machen eine Berücksichtigung und Umsetzung in der Nachhaltigkeitspolitik des Landes erforderlich. Das gilt insbesondere für die im Entwurf genannten Ziele, die es bei der Entwicklung der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie zu berücksichtigen gilt. Gleiches gilt für die Weiterentwicklung der Eine-Welt-Strategie. Darüber hinaus muss NRW deutlich machen, wie es mit seiner Politik eigene Akzente in der Eine-Welt- und Nachhaltigkeitspolitik setzt.  
Deutschland und Nordrhein-Westfalen sind bereit, ihre Verantwortung in dieser Hinsicht wahrzunehmen: Die Bundesregierung hat auf dem G7-Gipfel 2015 das Thema Nachhaltigkeit und die Ausformulierung von nachhaltigen Entwicklungszielen mit Blick auf den geplanten UN-Gipfel im September 2015 auf die Agenda gesetzt und mit den anderen Staaten beraten.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat im Mai 2015 erstmals gemeinsam mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) die „Bonn Conference for Global Transformation“ ausgerichtet und damit  eine neue Plattform zum internationalen Austausch über gute Ansätze für nachhaltige Entwicklung geschaffen. Auf der 4. NRW-Nachhaltigkeitstagung am 28. Oktober 2015 im Landtag NRW soll die Einbindung der internationalen Nachhaltigkeitsziele in die NRW-Nachhaltigkeitsstrategie diskutiert werden. Bis Ende des Jahres 2015 soll dann eine Nachhaltigkeitsstrategie für Nordrhein-Westfalen erarbeitet werden.

Landtag stellt fest:

Im Post-2015-Prozess für nachhaltige Entwicklung und insbesondere bei der Umsetzung der SDGs haben auch die deutschen Länder und insbesondere das Land Nordrhein-Westfalen eine wichtige Rolle inne. Denn das Land Nordrhein-Westfalen hat mit den vielen hier angesiedelten internationalen Organisationen und dem UN-Standort Bonn besonders gute Voraussetzungen für den internationalen Austausch. Es wird seine Stärken nutzen, um Impulse in den Prozess der Entwicklung von nachhaltigen Entwicklungszielen zu setzen.
Die Eine-Welt-Strategie Nordrhein-Westfalens hat hier bereits wesentliche Vorarbeit geleistet. Es gilt, die eigenen Lebens-, Arbeits- und Produktionsverhältnisse mit den Anforderungen an eine global gerechte und nachhaltige Entwicklung in Einklang zu bringen.
Zum Grundverständnis der SDGs gehört, dass nachhaltige Entwicklung gemeinsam gestaltet werden soll. Beabsichtigt ist, dass die SDGs universelle Gültigkeit besitzen und somit, auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene auch unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden können, um den spezifischen Gegebenheiten vor Ort gerecht zu werden. Wichtig wird es dabei sein, sicherzustellen, dass die örtlich unterschiedlichen Maßnahmen immer aus einem gemeinsamen Verständnis von Nachhaltigkeit und Entwicklung heraus betrieben werden.
Das Land Nordrhein-Westfalen macht deutlich, dass es sich aktiv in den Prozess der Ausarbeitung und Umsetzung globaler Nachhaltigkeitsziele einbringt. Im Grundgesetz seit 1994 durch den Artikel 20a normiert, wird Nachhaltigkeit auf allen Ebenen, von der kommunalen über die regionale und nationale bis hin zur globalen, die entscheidende Richtschnur zur Bewältigung der globalen gesellschaftlichen Herausforderungen. Nachhaltigkeit umfasst und verbindet dabei soziale Gerechtigkeit mit ökonomischer Vernunft, ökologischer Verantwortung, politischer Stabilität und guter Regierungsführung.
Diese Aspekte greifen ineinander und bedingen einander:
Gerechte Arbeitsbedingungen lassen sich nur mit fairen Löhnen und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen herstellen. Nachhaltigkeit in der Arbeitswelt lässt sich nur erreichen ohne Ausbeutung, gesundheitsbelastende Arbeitsbedingungen oder Kinderarbeit. Die Durchsetzung und Achtung der ILO-Kernarbeitsnormen sind elementarer Bestandteil weltweit gerechter Arbeitsbedingungen. Das seit 2012 gültige Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen weist genau in diese Richtung und hat neue Kriterien für die Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmen formuliert. Nachhaltigkeit in der Arbeitswelt setzt eine gute Bildung weltweit voraus. Gerade deswegen sind die Ergebnisse der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2005-2014) und das sich anschließende Weltaktionsprogramm „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wichtig und sollen im Rahmen der BNE-Strategie in NRW systemisch in allen Bildungsbereichen verankert werden. In den Bereichen Arbeit und Bildung sind stets die Belange und Rechte von Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, mit Behinderung und Personen mit Familienverantwortung besonders zu beachten. Gleichberechtigung und gleiche Teilhabe müssen unabhängig von der kulturellen und sozialen Herkunft vor Ort wie global aktiv vorangebracht werden.
Nordrhein-Westfalen hat sich auf den Weg zu einem nachhaltigen Wirtschaften gemacht, das soziale und ökologische Aspekte beinhaltet. Dies betrifft nicht nur das Land selbst. Das Wirtschaftswachstum hier sollte künftig nicht auf Kosten anderer Länder oder natürlicher Grundlagen geschehen. Unser Wirtschaften und Konsumverhalten haben erhebliche Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Genauso gehört zu einem neuen Nachhaltigkeitsansatz aber auch, dass sich entwickelnde Länder dabei unterstützt werden, nicht die gleichen Fehler zu wiederholen, die andere Länder bereits gemacht haben. Deshalb muss es ein universelles Ziel sein, die wirtschaftliche Entwicklung im Sinne der vielfältige Ansätze einer „Green/Blue Economy“ vom Ressourcenverbrauch und klimaschädlichen Emissionen zu entkoppeln.
Globale Nachhaltigkeit bedeutet auch, dass nach dem Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ (Common but differentiated Responsibilities, CBDR) alle Staaten der Welt einen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Das Klimaschutzgesetz sieht eine Verringerung des Treibhausgasausstoßes in Nordrhein-Westfalen bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80-95 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Bis 2025 soll der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien auf 30 Prozent steigen. Nordrhein-Westfalen muss hier weiter vorangehen.

Der Landtag beschließt:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass die künftigen globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung auch in NRW implementiert werden. Die Implementierung erfolgt unter der Beteiligung aller Ressorts in der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie und bei der Umsetzung der NRW-Eine-Welt-Strategie. Damit kann NRW seiner internationalen Verantwortung gerecht werden.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, bei den internationalen Partnerschaften des Landes die Anforderungen der künftigen globalen nachhaltigen Entwicklungsziele zu berücksichtigen.
Der Landtag begrüßt, dass die Landesregierung mit der Bonn Conference for Global Transformation gemeinsam mit der GIZ eine neue internationale Plattform zum Austausch über Ansätze und Lösungen für eine global nachhaltige Entwicklung geschaffen hat und einen wichtigen Beitrag zu einer „Globalen Partnerschaft“ zur Umsetzung der künftigen SDGs leistet. Der Landtag unterstützt das Ziel der Landesregierung, die Bonn Conference for Global Transformation künftig alle zwei Jahre gemeinsam mit der GIZ auszurichten und damit dazu beizutragen, dass von der Bundesstadt Bonn aus wichtige Impulse für die Begleitung des