Politisch motivierte Kriminalität Rechts im Jahr 2020

Kleine Anfrage von Verena Schäffer

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Neben der Covid-19 Pandemie hat auch das Phänomen Rechtsextremismus das Jahr 2020 geprägt. Der rassistische Anschlag am 19. Februar 2020 in Hanau folgte auf die rechtsterroristischen Anschläge im Jahr 2019. Die rechtsterroristischen Organisationen „Combat 18“ und „Gruppe S.“ wurden im Frühjahr 2020 verboten, was möglicherweise weiteren Anschlägen vorgebeugt hat. Das Risiko rechtsterroristischer Anschläge ist damit aber nicht gebannt. Solche Anschläge stellen die Spitzen rechter Gewalt dar. Denn wir müssen feststellen, dass es eine Kontinuität rechtsextremer Gewalt in Deutschland gibt. Das zeigen die Zahlen der letzten zehn Jahre, wo es statistisch gesehen seit dem Jahr 2011 in jedem Jahr mindestens jeden zweiten Tag eine politisch rechts motivierte Gewalttat gab.
Die bekannten neonazistischen Gruppen sowie auch die bürgerwehrähnlichen Gruppierungen haben im vergangenen Jahr weiterhin versucht, den öffentlichen Raum mit Versammlungen zu besetzen. Hierzu haben sie sich vor allem den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen angeschlossen und versucht, auf diese einzuwirken. Ein großer Teil der Teilnehmenden an diesen Versammlungen ist den Sicherheitsbehörden als rechtsextremistisch bekannt. Diese verschwörungsideologisch geprägten Versammlungen bieten eine hohe Anschlussfähigkeit für rechtsextreme Ideologien, da sie sich altbekannter antisemitischer und rassistischer Narrative bedienen.
Ein weiterer Bereich, in dem das Phänomen Rechtsextremismus im Jahr 2020 deutlicher zum Vorschein kam, sind die Sicherheitsbehörden selbst. Mit der Aufdeckung von Chatgruppen, in denen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte rassistische und rechtsextreme Inhalte teilten, begann eine bis heute anhaltende öffentliche Debatte über Rassismus und Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden. Mit Stand vom 14. Dezember 2020 zählte das Innenministerium 202 rechte Verdachtsfälle und Hinweise in den Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen.
Die Anzahl der politisch rechts motivierten Straftaten blieb im Vergleich der Jahre 2019 mit 3.661 Fällen und 2018 mit 3.767 Fällen in etwa auf dem gleichen Niveau. Im Vergleich der ersten Halbjahre 2019 und 2020 deutete sich jedoch ein leichter Anstieg an. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Entwicklungen im Phänomenbereich Rechtsextremismus im Jahr 2020 ist eine Auswertung der Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität von großem Interesse.
Aufgrund der langjährigen Erfahrungen von Expertinnen und Experten ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer politisch rechts motivierter Straftaten deutlich höher liegt, als die in der Kriminalstatistik erfassten Zahlen. Dennoch liefert die Statistik über die politisch rechts motivierte Kriminalität wichtige Anhaltspunkte über die Aktivitäten von Neonazis in Nordrhein-Westfalen und kann damit einen entscheidenden Erkenntnisgewinn und wichtigen Beitrag zur Entwicklung zivilgesellschaftlicher Strategien gegen Rassismus und Rechtsextremismus liefern.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Wie viele politisch rechts motivierte Straftaten wurden im Jahr 2020 in Nordrhein-Westfalen verübt? (Bitte nach Ort und Deliktsgruppe auflisten.)
2. Wie viele Straftaten der Allgemeinkriminalität von bekannten Rechtsextremen wurden im Jahr 2020 in Nordrhein-Westfalen verübt?
3. Wie verteilen sich die politisch rechts motivierten Straftaten im Jahr 2020 nach Themenfeldern? (Bitte Zahlen für Ober- und Unterthemen angeben.)
4. Wie viele Tatverdächtige wurden wegen politisch rechts motivierter Straftaten im Jahr 2020 in NRW festgenommen? (Bitte nach Ort, Alter und Geschlecht auflisten.)
5. In wie vielen Fällen politisch rechts motivierter Kriminalität kam es im Jahr 2020 zur Einleitung von Ermittlungsverfahren, Erhebung einer Anklage, Verurteilung oder Einstellung der Ermittlungen? (Bitte auch Grund für die Einstellung des Verfahrens angeben.)