Pestizideinsatz in nordrhein-westfälischen Wäldern – Ultima Ratio oder riskantes Laisser-faire?

Kleine Anfrage von Norwich Rüße

Portrait Norwich Rüße

Das Artensterben schreitet weltweit voran. Auch Nordrhein-Westfalen (NRW) hat einen dramatisch fortschreitenden Verlust an Artenvielfalt zu beklagen, von dem in besonderem Maße Insekten betroffen sind. Ausdruck des gestiegenen Bewusstseins in der Bevölkerung für diese Problematik ist die erfolgreiche Unterschriftensammlung der Volksinitiative Artenvielfalt NRW.1 So wird sich demnächst auch der Landtag mit ihren Forderungen befassen müssen.

Neben dem Verlust von Lebensraum gilt der Einsatz von Pestiziden als ein Haupttreiber für den Rückgang der Artenvielfalt.2 Nach dem Kontakt mit Pestiziden sterben neben den Zielorganismen auch andere Arten.3 Über die Nahrungskette gelangen die Giftstoffe in weitere Organismen und auch Pestizidausträge in Gewässer stellen eine Bedrohung dar. Der massive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft wird im öffentlichen Diskurs häufig thematisiert. Recherchen des ARD-Magazins „Panorama“ belegen nun, dass aufgrund des starken Borkenkäferbefalls auch im Lebensraum Staatswald in den Bundesländern der Einsatz von Pestiziden massiv gestiegen ist.4

Hinzu kommt, dass sich diese höchst besorgniserregende Entwicklung möglicherweise nicht nur im Staatswald, sondern auch im Privat- und Körperschaftswald vollzieht und das ohne, dass die Landesregierung hier überhaupt gegensteuern könnte. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Privat- und Körperschaftswald ist nicht genehmigungs- bzw. meldepflichtig und der Landesregierung liegen daher keine Erkenntnisse über den Einsatz von Insektiziden im Privat- und Körperschaftswald vor, wie aus einer Kleinen Anfrage aus dem Jahr 2019 hervorgeht.5 Dabei macht Privatwald mit über 60 Prozent einen großen Anteil der Waldflächen in NRW aus.6 Damit entziehen sich im Hinblick auf den Pestizideinsatz große Teile des für die Artenvielfalt bedeutsamen Lebensraumes Wald dem Sichtfeld der Landesregierung, was vor dem Hintergrund des fortschreitenden Artensterbens und der dringend notwendigen Maßnahmen zur Gegensteuerung besonders bedenklich ist.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Inwiefern wird die Erforderlichkeit des Einsatzes von Pestiziden vor der Anwendung im Staatswald geprüft? (Bitte ausführen, inwieweit geprüft wird, ob eine nicht-chemische, alternative Methode im Einzelfall möglich ist und inwieweit, wenn der Einsatz eines nicht­chemischen Pestizids nicht möglich ist, bei der Wahl eines Pestizids berücksichtigt wird, dass dasjenige Mittel ausgewählt wird, welches für Nicht-Ziel-Organismen das geringste Gefährdungspotenzial aufweist)
  2. Welche Sachkunde müssen Personen vorweisen können, die mit dem Ausbringen von Pestiziden im Staatswald betraut werden?
  3. Plant die Landesregierung angesichts der Gefahr, die vom Einsatz von Pestiziden für das Ökosystem Wald ausgeht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Erkenntnisse über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf Waldflächen, die nicht Staatswald sind, zu gewinnen, um darauf basierend gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zur Reduzierung des Pestizideinsatzes ergreifen zu können? (Antwort bitte begründen)
  4. Wo gibt es Wasserschutzgebiete in Waldgebieten in NRW?
  5. Wie wird sichergestellt, dass es bei dem Einsatz von Pestiziden in Waldgebieten keinen Kontakt der Pestizide zu Grund- und Oberflächengewässern gibt? (Bitte auch bestehende rechtliche (Verbots-)Regelungen und implementierte
    Monitoringmaßnahmen benennen)

 

 

1 https://artenvielfalt-nrw.de/.

2 https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/pflanzenschutzmittelverwendung-in-der#umweltwirkungen-von-pflanzenschutzmitteln.

3 https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/pestizide-113.html.

4 Ebd.

5 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-7038.pdf.

6 https://www.wald-und-holz.nrw.de/wald-in-nrw.