NRW braucht schnelles Netz an jeder Milchkanne

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I.                  Ausgangslage
Schnelles Internet auch unterwegs ist eine der zentralen Voraussetzung für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. Allerdings ist Deutschland im Europavergleich bereits dabei, den Anschluss zu verlieren: die im Europa-Vergleich außerordentlich schlechte LTE-Versorgung in Deutschland ist ein Ergebnis der bisherigen Frequenzversteigerungen, bei denen lediglich der Versteigerungserlös, nicht aber Versorgungsauflagen im Vordergrund standen. Die vielen Milliarden, die durch die Auktion eingenommen wurden, fehlen den Netzbetreibern beim Ausbau. Eine Studie des Beratungsunternehmens P3 im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion ermittelte, dass in den meisten europäischen Staaten die Netzabdeckung deutlich höher ist und die mittleren Datenraten doppelt so schnell sind wie in Deutschland.
Und auch bei der im Frühjahr dieses Jahres anstehenden 5G-Versteigerung werden die Fehler der Vergangenheit wiederholt, anstatt aus ihnen zu lernen. Zu diesen Fehlern gehören unter anderem eine rein auf den Erlös für den Bundeshaushalt ausgerichtete Versteigerung, die sich überwiegend am Geldbetrag und nicht an den Inhalten orientiert, die weitgehende Unverbindlichkeit der Ausbauvorgaben sowie die Betrachtung von Haushalten und nicht der Fläche bei den Ausbauvorgaben.
Vor den Mängeln der bisher geplanten Bedingungen der Frequenzversteigerung warnten im Sommer bereits mehrere führende Abgeordnete der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Auch sie kritisierten unter anderem mangelnde Verbindlichkeit und den Verzicht auf eine Dienstanbieterverpflichtung. Letztere forderte zum Beispiel auch der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner, in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt vom 26. November 2018. Sein Parteifreund und NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart hingegen stimmte im Beirat der Bundesnetzagentur für die Vergaberegeln und erklärte laut Rheinischer Post: „Die heutige Entscheidung der Netzagentur zur Vergabe der Frequenzen ist eine gute Grundlage, damit die nächste Mobilfunkgeneration schnell starten kann“ (Rheinische Post v. 27.11.2018: „Was NRW vom neuen Handynetz hält“). Ebenfalls wird bei der geplanten Frequenzauktion die Chance vergeben, substanzielle Impulse für eine zukunftsfähige Ausrichtung des Netzausbaus in Deutschland anzugehen. So wäre es beispielsweise deutlich günstiger, wenn statt der Errichtung von mehreren parallelen Netzen ein gemeinsames Netz der verschiedenen Anbieter aufgebaut würde.
Aktuell scheint die Bundesregierung bereits eine Positionierung für einen Misserfolg beim Netzausbau vorzubereiten. Kanzleramtsminister Braun (CDU) wurde Ende vergangenen Jahres in den Medien dahingehend zitiert, dass man zwar jeden Haushalt und jeden Straßenabschnitt mit Mobilfunk versorgen wolle, damit aber nicht etwa 5G, sondern LTE gemeint sei. Außerdem erteilte er auch dem sogenannten National Roaming eine Abfuhr, mit dem Netzbetreiber verpflichtet werden, ihre Infrastruktur auch anderen Anbietern zur Verfügung zu stellen. Die aus Nordrhein-Westfalen stammende Bildungsministerin Karliczek (CDU) tat sich sogar mit der Einschätzung hervor, man könne sich mit dem Ausbau ruhig etwas Zeit lassen, denn 5G sei nicht „an jeder Milchkanne nötig“ (Wirtschaftswoche vom 21.11.2018: „5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig“) und erntete dafür sowohl partei-intern als auch parteiübergreifend Kritik und Unverständnis.
Die Forderung für einen flächendeckenden 5G- Ausbau unterstützen u.a. auch der Deutsche Bauernverband sowie der Deutsche Landkreistag. Diese setzen sich seit Monaten dafür ein, 5G als Treiber für die Digitalisierung des ländlichen Raums zu nutzen und somit auch einen Beitrag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu schaffen.
Ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Netzabdeckung speziell in bislang unterversorgten Gebieten ist das sogenannte Roaming. Hierbei öffnen Mobilfunkbetreiber ihre Netze auch für Kundinnen und Kunden anderer Anbieter. Während in der Vergangenheit vor allem über das National Roaming diskutiert wurde, wird nun das lokale Roaming in den Vordergrund gestellt, bei dem insbesondere die Netzabdeckung in ländlichen Gebieten erhöht werden kann. Im finalen Entwurf der Bundesnetzagentur für die Vergaberichtlinie findet sich lediglich eine Regelung, die die etablierten Betreiber dazu verpflichtet, über eine technische und vertragliche Kooperation mit ihren Wettbewerbern zu verhandeln („Verhandlungsgebot“). Experten empfehlen hingegen, das lokale Roaming im Telekommunikationsgesetz verbindlich festzuschreiben. Eine solche Maßnahme sollte jedoch zwingend vor dem Beginn der Frequenzversteigerung erfolgen, um Planungs- und Rechtssicherheit für die Unternehmen zu ermöglichen. 

II.               Der Landtag beschließt:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass im Rahmen der fünften Novelle des Telekommunikationsgesetzes lokales Roaming verpflichtend vorgegeben wird. Die neuen Regelungen müssen Voraussetzung für die anstehende Frequenz- Versteigerung sein, um Planungs- und Rechtssicherheit bei den Beteiligten zu gewährleisten.
  • sich für folgende Neuausrichtung bei den 5G-Mobilfunk-Vergaberichtlinien einzusetzen:
  • die anstehende Versteigerung der Frequenzen in den Bereichen 2 Gigahertz und 3,4 bis 3,7 Gigahertz soll zunächst so ausgestaltet werden, dass alle Versteigerungsgewinner gemeinsam am flächendeckenden Ausbau des 5G Netzes in Deutschland arbeiten, ohne dass parallele Netzstrukturen entstehen.
  • die Ziele zur Verfügbarkeit von schnellem Mobilfunk sollen bis zum Jahr 2022 auch mit angemessenen Sanktionen für den Fall hinterlegt werden, dass sie nicht erreicht werden.
  • die Versorgungsauflagen sollen nicht bezogen auf Haushalte gelten, sondern für zumindest 98% der Fläche in Deutschland.