NRW braucht einen digitalen Aufbruch

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Nordrhein-Westfalen muss in den nächsten Jahren noch viel stärker einen ökologischen und sozialen Wandel vollziehen. Das stellt das Land vor große Herausforderungen. Die Gestaltung der Digitalisierung ist ein zentrales Element, damit diese Transformation erfolgreich verlaufen kann. Gleichzeitig sind bereits heute digitale Angebote aus Bildung, Beruf und Freizeit nicht mehr rauszudenken. Digitalisierung und Innovationen dürfen dabei nicht als Selbstzweck be­trieben werden. Sie müssen konsequent an Klimaneutralität, Nachhaltigkeit und unseren Grundwerten ausgerichtet werden, um nicht zum Brandbeschleuniger von Klimakrise, sozialen Konflikten und ökonomischen Abhängigkeiten zu werden. Die Digital- und die Innovationspolitik sind zentrale Querschnittsaufgaben für eine unabhängige, klimaneutrale und gerechte Gesellschaft.

Nordrhein-Westfalen bietet mit seiner starken mittelständischen Wirtschaft und ihren Hidden Champions, einer vitalen Startup-Szene und seiner vielfältigen Wissenschaftslandschaft ein großes Potenzial für einen digitalen Aufbruch. Diese Vielfalt ist Stärke und Fundament für eine klimaneutrale Zukunft. Um diese Potenziale freizusetzen, bedarf es eines umfassenden Ver­ständnisses von technologischen, sozialen und ökologischen Innovationen. Die Entwicklung klimaneutraler Technologien kann Nordrhein-Westfalen zur Herzkammer der Innovation im Herzen Europas machen.

Die Grundlage für eine digitale Gesellschaft ist der konsequente Ausbau einer flächendecken­den, schnellen digitalen Infrastruktur. Gipfel, Pakte und Masterpläne kombiniert mit vielen, wohlklingenden Zielen führen nicht zum Erfolg. Die schwarz-gelbe Landesregierung hängt ih­ren eigenen Ausbauzielen hinterher, wie ihre Antworten auf die Große Anfrage „Digital First oder NRW Second – Wie ist die schwarz-gelbe Digitalisierungsbilanz“ zeigen (https://www.landtag.nrw.de//portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-15002.pdf). Damit hinter­lässt sie der nächsten Regierung große Aufgaben: Statt wie angekündigt im Jahr 2022 eine hundertprozentige Anbindung zu erreichen, haben CDU und FDP bisher lediglich 20 Prozent der Gewerbegebiete an zukunftsfähige Glasfasernetze angeschlossen. 84 Prozent der priva­ten Haushalte und 58 Prozent der Schulen können nicht auf Glasfaserkabel zugreifen. Die Landesregierung sieht ihre Aufgabe auch schon als erledigt an, wenn die Kabel bloß an den Gebäuden vorbei führen. Dabei haben Schulen gleichzeitig mit zu viel Bürokratie zu kämpfen, wenn sie versuchen ihre digitale Ausstattung zu verbessern.

Bis zu 1.125 Funklöcher ohne 4G sind in NRW noch zu schließen. Das entspricht 815 km2 bzw. 2,39 Prozent der Landesfläche und 1.933 Haushalten. Über den Stand des Mobilfunk-ausbaus ist die Landesregierung gar nicht im Bilde. Sie hat keine Übersicht darüber, ob es an allen Schulen, Gewerbegebieten und Krankenhäusern LTE-Empfang gibt. Laut Landesregierung seien mittlerweile rund 71 Prozent von Nordrhein-Westfalen mit 5G versorgt. Dabei wird verschwiegen, dass das nicht für alle Anbieter gilt und dass ein Großteil der Ver­sorgung nur mit 5G erfolgt, nicht aber mit dem erwarteten schnellen 5G+ (5G Stand Alone).

Die WLAN-Ausstattung im öffentlichen Raum ist vollkommen unzureichend. CDU und FDP sind von dem eigenen Ziel aus ihrem Koalitionsvertrag, offenes WLAN an allen Landesbehör­den anzubieten, meilenweit entfernt. Das gibt es bisher noch nicht einmal an 150 Standorten öffentlicher Gebäude in NRW.

Neben der digitalen Infrastruktur hat der Staat noch einen weiteren großen Hebel, um Digita­lisierung und Innovationen voranzubringen: Die Verwaltung. Eine digitale und moderne Ver­waltung hilft Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern Zeit, Geld und Nerven zu sparen, wenn Behördengänge ohne Warteschlangen und Papierausdrucke erledigt werden können. Fortschritte bei der digitalen Gesellschaft und der digitalen Wirtschaft gibt es nur, wenn der Staat mit der Digitalisierung bei sich selbst anfängt.

Doch die Landesverwaltung hängt bei der Digitalisierung hinterher. Trotz aller Ankündigungen von Schwarz-Gelb sind erst knapp 36 Prozent der Verwaltungsprozesse der Landesverwal­tung digitalisiert, wie die Antwort auf die Große Anfrage 34 zeigt. Die allermeisten Verwal­tungsdienste von Land und Kommunen will die Landesregierung innerhalb der verbliebenen Monate dieses Jahres digitalisiert haben. Das erscheint vor dem Hintergrund des bisherigen Fortschritts kaum machbar. Dem OZG-Dashboard Online-Dienste Nordrhein-Westfalen der Landesregierung (https://www.giscloud.nrw.de/ozg-dashboard.html) nach bietet der weit überwiegende Teil der Städte und Gemeinden in NRW bisher nur einen Bruchteil der Verwaltungsleistungen online an. Die vom Land aufgesetzten Online-Plattformen sind erst seit Kurzem online und teilweise noch im Testbetrieb.

Die Verwaltungen müssen aber nicht nur gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen digitalisiert werden, die Verfahren müssen auch nach innen durchgehend digital sein. Dabei müssen vor allem die Kommunen besser unterstützt werden.

Bei der Digitalisierung der Kommunalverwaltungen setzt die Landesregierung nicht auf Ge­schwindigkeit, sondern beschränkt sich auf einige Modellprojekte. Dabei müssen die Kommu­nen in der Fläche bei der Digitalisierung, sowohl finanziell, als auch personell unterstützt wer­den. Ziel muss es sein, flächendeckend die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen, um den Menschen mit einer bürgerorientierten, digitalen Verwaltung das Leben zu vereinfachen. Bür­gerinnen und Bürger erwarten zu Recht barrierefreie (online-)Dienstleistungen und eine Ver­waltung auf Augenhöhe. Die Verwaltung muss transparenter werden, proaktiv mit den Bürge­rinnen und Bürgern kommunizieren und sie an Entscheidungen beteiligen.

Klimaschutz und Digitalisierung sind eng miteinander verwoben. Viele Maßnahmen des Kli­maschutzes funktionieren nur mit digitalen Technologien. Insbesondere in der Industrie sind mit stärkerer Digitalisierung noch enorme Effizienzgewinne möglich – sowohl ökologische als auch ökonomische. Die Digitalisierung muss konsequent an Klimaneutralität und Nachhaltig­keit ausgerichtet werden, damit sie die Klimakrise nicht weiter anheizt. Auch bei der Digitali­sierung bedarf es des Aufbaus einer Kreislaufwirtschaft, die die Mengen an giftigem Elektro­schrott senkt, wertvolle Rohstoffe der Verwertung direkt wieder zuführt und die Abhängigkeit von den globalen Lieferketten abmildert. Effizienzgewinne sollen nicht durch vermeidbaren Datenverbrauch aufgefressen werden. Die öffentliche Verwaltung kann hierfür mit einer ambi­tionierten Green-IT-Strategie Vorreiter werden, zu der auch klimaneutrale Rechenzentren ge­hören müssen.

Nordrhein-Westfalen hat in den vergangenen Jahren und nicht zuletzt wegen der hervorragen­den Arbeit der von der rot-grünen Landesregierung begründeten DWNRW-Hubs gute Rah­menbedingungen für Startups geschaffen. Für die weitere Entwicklung des Startup-Standorts bedarf es aber auch der gezielten Förderung besonderer Innovationsfelder.

Soziale und ökologische Startups und Innovationen werden nach wie vor von der Landesregierung viel zu sehr vernachlässigt. Andere Bundesländer unterstützen Social Entrepreneurship mit eigenen Programmen, wie etwa das Förderprogramm „Sozialinnovator Hessen“. Die NRW-Landesregierung bleibt stattdessen bei der klassischen Startup-Förderung, die in ihrer Wachstums- und Exitorientierung den Besonderheiten von sozialen und ökologischen Grün­dungen aber meist nicht gerecht wird.

Von ihrem Ziel, den Anteil der Gründerinnen auf ein Drittel zu steigern, ist die Landesregierung nach wie vor weit entfernt, wie die Antworten auf die Große Anfrage 34 zeigen. Nur knapp 13 Prozent der Startup-Gründungen in NRW erfolgen durch Frauen. Bei ihrem eigenen wich­tigsten Förderinstrument, dem Gründerstipendium, verfehlt die Landesregierung mit knapp 24 Prozent Frauenanteil deutlich das Ziel. Die Jurys zur Vergabe des Gründerstipendiums sind nach wie vor nicht paritätisch besetzt. Hier liegt der Frauenanteil nur bei 36 Prozent.

Der Landtag beschließt:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ein Maßnahmenpaket für einen digitalen Auf­bruch in Nordrhein-Westfalen aufzulegen. Dazu gehören unter anderem:

  • eine verbindliche Ausbaustrategie für die digitale Infrastruktur, die einen flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes bis spätestens Ende des Jahrzehnts und bereits deutlich frü­her einen flächendeckenden Ausbau des 5G+ Netzes vorsieht, mit einem Genehmigungs-Turbo für neue Internetleitungen und Funkmasten sowie dem zielgerichteten Einsatz von Fördermitteln,
  • die Digitalisierung aller Verwaltungsprozesse und eine aktive Unterstützung der Kommu­nen bei der Entwicklung von einheitlichen Lösungen und der Umsetzung vor Ort,
  • eine ambitionierte Green-IT-Strategie für die öffentliche Verwaltung, mit der auch sicher­gestellt wird, dass Rechenzentren von Land und Kommunen klimaneutral betrieben wer­den,
  • die Einrichtung von weiteren Gründungszentren, unter anderem einem Sustainability Hub, in dem nachhaltige Geschäftsmodelle und Innovationen gefördert werden,
  • eine bessere Finanzierung für Gründerinnen und Gründer sowie Startups, unter anderem mit einem Social Innovation Fund für Social Entrepreneurship sowie soziale und ökologi­sche Innovationen.