Nordrhein-Westfalen zum führenden Standort einer nachhaltigen Bioökonomie machen – Die Bioökonomie und biotechnologische Innovationen fördern!

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Jan Matzoll

I. Ausgangslage

Damit Nordrhein-Westfalen als Industrie- und Wirtschaftsland erfolgreich bleibt und die wirt­schaftliche Grundlage für Hunderttausende Menschen gesichert bleibt, müssen wir neue Wege in vielen Bereichen finden, um nachhaltiger, ressourcenschonender und gleichzeitig weiterhin ökonomisch erfolgreich zu wirtschaften. Das ist für die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN ein entscheidender Faktor in dem aktuellen Transformationsprozesses der Wirt­schaft hin zur Klimaneutralität.

Die Bioökonomie ist zentrales Element für diesen Transformationsprozess. Grundlage der Bioökonomie ist die Umstellung auf eine biobasierte, nachhaltige und umweltverträgliche Wirt­schaft, die auf dem effizienten Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen aus naturverträgli­chem Anbau basiert und gleichzeitig soziale und wirtschaftliche Ziele verfolgt. Dies umfasst insbesondere den Einsatz biologischer Prozesse für die Herstellung von biobasierten Produk­ten anstelle von fossilen Rohstoffen. Die Bioökonomie orientiert sich somit an natürlichen Stoff-kreislaufen und trägt dazu bei, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren.

Die Bioökonomie ermöglicht einen neuen Blick auf die Leistungen, Fähigkeiten und Diversität der Natur, auf die Vielfalt der nachwachsenden Rohstoffe, deren nachhaltigen Anbau, auf die 100-prozentige Nutzung der Ressourcen inklusive Kreislaufführung möglicher Abfälle, sowie den wirtschaftlichen und kreativen Einsatz moderner Technologien. Biobasierte Ressourcen ermöglichen wissenschaftliche und technologische Fortschritte in innovativen Anwendungen, die über den Ersatz von Erdöl weit hinausgehen und einen Mehrwert schaffen. Beispiele dafür sind pflanzenbasierte Biokunststoffe auf der Grundlage von Mais, Zuckerrüben oder Cellulose, Bioraffinerien zur Steigerung der Ressourceneffizienz und der Produktion von Chemikalien oder Brennstoffen aus Reststoffen, Biopharmazeutika sowie Algenkulturen zur Produktion von Biokraftstoffen, Nahrungsmittelzusatzstoffe oder Chemikalien.

In diesem Zusammenhang zeichnet sich jedoch ein Zielkonflikt ab, da die Substitution fossiler Rohstoffe eines massiven Zuwachses an mariner, forstwirtschaftlicher und landwirtschaftlicher Biomasse bedarf. Um hierbei Nutzungskonkurrenzen zu vermeiden muss eine auf nachwach­senden Rohstoffen (NaWaRos) basierende Wirtschaft allen voran den Ressourceneinsatz ver­ringern und Stoffkreisläufe schließen. Im Sinne einer Kaskadennutzung hat die stoffliche Ver­wertung von Biomasse Vorrang vor einer energetischen Nutzung.

Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN hat sich zum Ziel gesetzt, Nordrhein-Westfalen zu einem innovativen europäischen Standort für eine nachhaltige Bioökonomie auszubauen.

Zum einen kann die Bioökonomie einen wichtigen Beitrag zur weiteren Wirtschaftsentwicklung leisten, indem sie neue zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft und den Wissenstransfer fördert. Sie bietet Chancen, die regionale Wirtschaft zu stärken und gleichzeitig nachhaltige Lösungen für eine Vielzahl von Herausforderungen der Zukunft zu entwickeln. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass nahezu alle Branchen in Zukunft biobasierte Produkte und Ver­fahren in Anwendung bringen, die auf biotechnologischer Forschung und Entwicklung beru­hen. Dieser Erkenntnis kommt für Nordrhein-Westfalen eine große Bedeutung zu, wenn man bedenkt, dass das Land eine starke Rolle in verschiedenen Branchen wie Landwirtschaft, Le­bensmittelproduktion, Forstwirtschaft, Biotechnologie, chemischer Industrie und Energie zu­kommt und daher umfassendes Potenzial für die nachhaltige Transformation aufweist.

Nordrhein-Westfalen hat zum anderen wichtige Fortschritte in der Bioökonomie erzielt und di­verse Vorzeigeprojekte erfolgreich umgesetzt und somit eine bundesweite Vorreiterrolle ein­genommen. Dies insbesondere durch die Modellregion „BioökonomieREVIER“, ein Projekt, das darauf abzielt, ein Braunkohlegebiet in eine Vorzeigeregion für die Bioökonomie zu ver­wandeln. In dieser Region wird die Vernetzung von Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern sowie landwirtschaftlicher Betriebe angestrebt, um Entwicklungen im Bereich der Bioökonomie zu testen und voranzutreiben. Die Modellregion fördert zudem die Umstellung auf Erneuerbare Energien, die Entwicklung von Biokraftstoffen und die Ver­wendung von Biomasse zur Herstellung zum Beispiel von Papier, Walzen, Kleidung oder Che­mikalien. Durch die sektorübergreifende Verknüpfung verschiedenen Innovationen ist diese auch ein Motor für innovative Lösungen in einer biobasierten Kreislaufwirtschaft. Auch im Be­reich der Innovationsförderung ist Nordrhein-Westfalen aktiv: Mit dem Förderwettbewerb Zu-kunftBIO.NRW unterstützt das Land KMU bei der Entwicklung marktreifer biotechnologischer Produkte. Mit dem EFRE-Wettbewerb im Innovationsfeld „Innovative Medizin, Gesundheit und Life Science“ wurden bereits die Voraussetzungen für ein herausragendes Bio-Innovationssystem geschaffen.

Es gibt weitere erfolgreiche Bioökonomie-Projekte in Nordrhein-Westfalen. Diese sind unter anderem das BioSC – ein Forschungsverbund, der sich mit der biologischen Produktion von Chemikalien, Materialien und Brennstoffen befasst; die Pflanzenölraffinerie Rheinland, in der aus Rohstoffen wie Raps, Sonnenblumenkernen oder Sojaöl erneuerbare Kraftstoffe produ­ziert werden oder das Projekt „Biomasse mobil“. Dabei handelt es sich um ein Vorhaben, das die Erzeugung von Energie aus Biomasse fördert und die regionale Wertschöpfung erhöht. Hierbei werden landwirtschaftliche Reststoffe wie Strohschrot, Grasreste oder Maisreste als Brennstoffe eingesetzt. Daneben ist das Kompetenzzentrum Bio4MatPro, ein Netzwerk zur biologischen Transformation der Materialwissenschaft und Produktionstechnik, zu nennen. Ziel ist die bioökonomische Produktion von Produkten durch den Ersatz von Grundstoffen auf Erdölbasis mithilfe von nachwachsenden Rohstoffen sowie durch Einbringungen von bioba­sierten, maßgeschneiderten Funktionsbausteinen in und auf Materialien.

Darüber hinaus sind das Faserinnovationszentrum Zerkall sowie die „Modellfabrik Papier“ als Beispiele für Projekte der Bioökonomie in Nordrhein-Westfalen anzuführen. Das Faserzentrum verfolgt die Produktion und Erschließung von pflanzen- und reststoffbasierten Faserquellen sowie deren Aufarbeitung für neue Faserprodukte in diversen Branchen. Diese Fasern können als Grundstoff in der Modellfabrik Papier zu einer wassereffizienten Produktion eingesetzt wer­den. Damit zeigen die beiden Projekte, wie sich Innovationen und Nachhaltigkeit in der Pro­duktion neu miteinander verbinden lassen.

An diese gute Ausgangsposition wollen CDU und GRÜNE anschließen und die Bioökonomie in Nordrhein-Westfalen weiter ausbauen. Dazu soll ein aus allen Akteuren bestehender Bioökonomierat eingerichtet werden, der eine landesweite Strategie erarbeiten soll. Er soll Chancen, Risiken sowie bestehende Zielkonflikte in den Blick nehmen und darauf hinweisen, wo noch Unterstützung benötigt wird und Potenziale verborgen liegen. Des Weiteren gilt es, die Qualifizierung und Fachkräftesicherung im Bereich der Bioökonomie zu unterstützen und weiter voranzutreiben.

Auch im Bund wird Nordrhein-Westfalen weiterhin sein Knowhow im Sinne der Nachhaltigkeit einbringen und den bundesweiten Weg der Bioökonomie aktiv mitgestalten. Dazu strebt Nord­rhein-Westfalen einen permanenten Sitz im Bioökonomierat der Bundesregierung an. Durch den in diesem Zuge ebenfalls anzustrebenden Austausch mit den Ländern Baden-Württem­berg sowie Bayern, die bereits einen ständigen Bioökonomierat haben, soll auch hier ein fruchtbarer Austausch und eine gemeinsame Strategie zur Förderung der Bioökonomie etab­liert werden.

Damit die nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft gelingen kann, der Erhalt einer funk­tionsfähigen Umwelt gesichert und Arbeitsplätze und Wohlstand erhalten bleiben, ist es unab­dingbar, bestehende Stärken unseres Landes in der Bioökonomie weiter zu fördern. CDU und GRÜNE sehen in ihr weitere große Potenziale, die wir heben wollen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Die Bioökonomie ist für Nordrhein-Westfalen eine Schlüsseltechnologie, um weiter nach­haltige Wirtschaftsstrukturen aufzubauen und somit dem Klimawandel entgegenzuwir­ken und unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Da die bioökonomische Transformation auf der Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen fußt, müssen Zielkon­flikte und Nutzungskonkurrenzen durch gezielte Schließung von Stoffkreisläufen sowie einen effizienten und verringerten Ressourceneinsatz aufgelöst werden.
  • Nordrhein-Westfalen hat bereits eine starke Wirtschaftsstruktur im Bereich der chemi­schen Industrie, die sich in den letzten Jahren verstärkt auf den Bereich der Bioökonomie fokussiert hat.
  • Es gibt zahlreiche Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Unternehmen in Nord­rhein-Westfalen, die sich mit der Bioökonomie beschäftigen und innovative Verfahren entwickeln.
  • Die Modellregion „BioökonomieREVIER“ ist eine wichtige Säule der Forschung und Um­setzung auf diesem Gebiet.
  • Eine verstärkte Förderung der Bioökonomie in Nordrhein-Westfalen kann zu einem wich­tigen Impuls für die Wirtschaft und die Umwelt beitragen, indem auch nachwachsende Rohstoffe aus naturverträglichen Anbau als zukunftsfähige Alternative zu fossilen Grundstoffen gesetzt wird.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung im Rahmen vorhandener Mittel,

  • die Unterstützung der Bioökonomie in Nordrhein-Westfalen weiter auszubauen und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik zu stärken.
  • einen Bioökonomie-Rat für Nordrhein-Westfalen zu gründen. Dieser soll eine Bioökonomie-Strategie für Nordrhein-Westfalen erarbeiten und die Umsetzung der Strategie begleiten. Zudem soll der Rat Chancen, Risiken und bestehende Zielkonflikte in den Blick nehmen.
  • ein Zukunftsprogramm für die Bioökonomie zu entwickeln, um z. B. mit nach­wachsenden Rohstoffen aus naturverträglichen Anbau eine zukunftsfähige Alter­native zu fossilen Grundstoffen der Chemieindustrie bilden zu können.
  • einen festen Platz im Bioökonomie-Rat der Bundesregierung anzustreben, um die Interessen des Landes in diesem wichtigen Bereich zu vertreten.
  • die Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern und auf europäischer Ebene zu verstärken, um eine gemeinsame Strategie zur Förderung der Bioökonomie zu entwickeln.
  • Infrastrukturen für die Skalierung für Startups und KMU in der Biomedizin und der biobasierten Industrie aufbauen, um das Potenzial biobasierter Unternehmen zu heben.