I. Ausgangslage:
Die Stahlindustrie ist für Nordrhein-Westfalen von zentraler Bedeutung. In der Stahlindustrie des Landes arbeiten bis zu 45.000 Beschäftigte in mitbestimmten, tarifgebundenen und damit gut bezahlten Arbeitsverhältnissen. Allein 27.000 sind bei thyssenkrupp Steel beschäftigt, davon rund 13.000 in Duisburg. Jeder Arbeitsplatz in der Stahlindustrie hat direkte Auswirkungen auf bis zu fünf weitere Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie sowie in weiterverarbeitenden Betrieben. Diese Verknüpfung verdeutlicht die bedeutende Rolle der Stahlindustrie nicht nur für die direkte Beschäftigung, sondern auch für die indirekte Unterstützung und Stärkung anderer Wirtschaftszweige. Hinzu kommen die zahlreichen Familien der Beschäftigten.
Am 11. April 2024 hat der Vorstand der thyssenkrupp AG eine Anpassung des Produktionsziels im Sinne einer Reduzierung des jährlichen Produktionsvolumens von 11,5 Mio Tonnen auf 9 bis 9,5 Mio Tonnen Stahl kommuniziert. Schon vorher lag die real produzierte Menge Stahl in Duisburg als Folge chinesischer Subventionspolitik unterhalb der offiziell geplanten 11,5 Mio Tonnen Stahl. Dies hat im Nachgang zu einer großen Verunsicherung der Belegschaft von thyssenkrupp Steel und der Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) geführt. Ministerpräsident Hendrik Wüst, Wirtschaftsministerin Mona Neubauer und Arbeitsminister Karl-Josef Laumann stehen dazu in engem Austausch mit den Unternehmensvertretern und den Belegschaften.
Der Vorstand der thyssenkrupp AG hat zudem am 26. April 2024 den Teilverkauf von zunächst 20 Prozent der Anteile am Stahlbereich thyssenkrupp Steel an die EP Corporate Group a.s. (EPCG) des tschechischen Investors Daniel Křetínský bekannt gegeben. Bereits am selben Tag, an dem die Informationen durch die Medien verkündet wurde, traf sich Arbeitsminister Karl-Josef Laumann mit den Betriebsräten von thyssenkrupp Steel und HKM sowie der zuständigen Gewerkschaft. Zusätzlich hielt Wirtschaftsministerin Mona Neubauer am 2. Mai 2024 ein Treffen mit den Betriebsräten von thyssenkrupp Steel ab, um sich auszutauschen
und weitere Einblicke zu gewinnen. In diesem wie auch in den folgenden Gesprächen kritisierte die Arbeitnehmervertretung insbesondere die mangelnde Transparenz gegenüber dem Beschäftigen. Im Gespräch bestand Einigkeit darin, dass der Transformationsprozess nur Hand in Hand mit den Sozialpartnern beschritten werden kann.
Am 30. April wurde diese Kritik auf der von Betriebsrat und IG Metall organisierten Protestkundgebung in Duisburg mit einem Plädoyer für die Sozialpartnerschaft vertreten. Wiederholt wurde der Vorstand der thyssenkrupp AG nachdrücklich aufgefordert, die Beschäftigten einzubeziehen und die Details der angekündigten Vereinbarung offen zu legen.
Weiterhin besteht große Unsicherheit bei den Beschäftigten. Sie bangen nicht nur um Ihre Zukunft, sie bangen auch um ihre Identität. Für den 23. Mai ist eine weitere Demonstration in Essen angekündigt. Die veränderte und unsichere Situation für die Stahlbeschäftigten muss schnellstmöglich beendet werden. Es braucht jetzt zeitnah ein Zukunftskonzept der Konzernleitungen.
II. Beschlussfassung:
Der Landtag stellt fest, dass
- Nordrhein-Westfalen ein starkes Industrieland bleiben muss.
- die Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist und Stahl in Nordrhein-Westfalen weiter eine Zukunft haben muss. Grüner Stahl ist ein Schlüsselprodukt für die Zeitenwende. Grüner Stahl muss in Nordrhein-Westfalen produziert werden. Dazu muss der sozial-ökologische Umbau des Unternehmens fortgesetzt werden, unter anderem mit dem Bau der ersten Direktreduktionsanlage in Duisburg und dem Ziel, bis 2045 vollständig klimaneutral zu produzieren.
- der Erhalt einer zukunftsfähigen Stahlindustrie und die damit verbundene Sicherung qualifizierter Arbeitsplätze vorrangiges Ziel der Landesregierung ist. Mit einer Kofinan-zierung in Höhe von bis zu 700 Millionen Euro zur Förderung des Projekts „tkH2Steel“ leistet sie einen erheblichen Beitrag, um die Stahlproduktion der thyssenkrupp Steel Eu-rope AG klimaneutral zu gestalten und hochwertige Arbeitsplätze, sowie die Wertschöpfung der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie am Standort Duisburg zu sichern.
- die Landesregierung im intensiven, vertrauensvollen Austausch mit den Unternehmensleitungen und den Beschäftigten steht.
- die Sozialpartnerschaft die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft in Nordrhein-Westfalen ist. Insbesondere in montanmitbestimmten Unternehmen müssen wirtschaftliche Entscheidungen in den Betrieben gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern diskutiert, geplant und umgesetzt werden. An dieser Tradition der Sozialpartnerschaft ist festzuhalten.
- dass betriebsbedingte Kündigungen für die Beschäftigten von thyssenkrupp Steel bis März 2026 ausgeschlossen sind.
- dass die Landesregierung mit der Ausrichtung eines Nationalen Stahlgipfels gemeinsam mit dem Bund und Stahlländern im September 2024 das Ziel verfolgt, weitere wichtige Impulse für die langfristige Sicherung einer erfolgreichen und klimaneutralen Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen zu setzen.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- die Traditionen der Sozialpartnerschaft des Landes Nordrhein-Westfalen von den wirtschaftlichen Akteuren einzufordern. Dazu gehört auch, betriebliche Entscheidungen in der Sozialen Marktwirtschaft in den Betrieben zwischen den Tarifvertragsparteien zu belassen.
- Transparenz über die zukünftigen und übergreifenden Planungen bei der thyssenkrupp AG hinsichtlich der Stahlproduktion einzufordern und die Betriebsparteien aufzufordern, den Beschäftigten Klarheit über die Perspektiven an den Stahlstandorten zu geben, sowie die Mitbestimmung zu wahren.
- sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, Fördermittel zur Transformationsfinanzierung unbürokratischer und zielgerichteter vergeben zu können.