Nordrhein-Westfälische Wirtschaft braucht konkrete Unterstützung bei der Digitalisierung anstatt wirkungslose Symbolpolitik

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Ausgangslage

Die Digitalisierung stellt für die Unternehmen in unserem Land eine wichtige Herausforderung mit großen Chancen, aber auch Risiken für ihre wirtschaftliche Entwicklung dar. Nordrhein-Westfalens zukünftige wirtschaftliche Entwicklung hängt maßgeblich davon ab, wie die hiesigen Unternehmen diese Herausforderungen meistern. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen müssen darin unterstützt werden, die Potenziale der Digitalisierung zu heben – insbesondere wenn dies zu mehr Klima- und Ressourcenschutz oder Datensicherheit führt. Für die ökologisch-industrielle Modernisierung ist die Digitalisierung der Motor.
Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen der Digitalisierung ist eine zeitgemäße technische Infrastruktur. Hier hat die rot-grüne Landesregierung in den letzten Jahren massiv investiert und unter anderem bis 2018 bis zu 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um die flächendeckende Versorgung des Landes mit schnellem Internet zu gewährleisten. Die Erfolge dieser Strategie sind bereits heute wahrnehmbar: In der dritten und vierten Förderrunde des Bundesförderprogramms Breitband, für welche das Land die Kofinanzierung sicherstellt, konnten in diesem Jahr 176 Mio. Euro (dritte Runde im März) bzw. 165,62 Mio. Euro (vierte Runde im Juli) an Bundesmitteln nach Nordrhein-Westfalen geholt werden so viel wie in keinem anderen Bundesland in 2017. Zusammen mit dem Landesanteil bei der Finanzierung entspricht dies einem Gesamtfördervolumen von bislang 661 Millionen Euro in diesem Jahr. Während die rot-grüne Landesregierung mit ihrer Glasfaserstrategie noch das Ziel verfolgte, bis Ende 2018 alle Gewerbegebiete mit Glasfaser zu versorgen, hat die schwarz-gelbe Landesregierung ausweislich des Koalitionsvertrags dieses Ziel aufgegeben und verfolgt nunmehr lediglich einen flächendeckenden Ausbau bis 2025. Zudem beabsichtigt die neue Landesregierung eine erneute Bestandsaufnahme zum Netzausbau zu erstellen, obwohl mit der Studie „Nachhaltiger NGA-Netzausbau als Chance für Nordrhein-Westfalen“ bereits eine nahezu flächendecke Erhebung vorliegt. Dadurch droht ein erheblicher Zeitverlust beim weiteren Netzausbau. Bei der schwarz-gelben Ankündigung, zusätzliche Mehrinvestitionen zur Stärkung und Beschleunigung der Digitalisierung in Höhe von sieben Milliarden Euro zur Verfügung stellen zu wollen, fehlt jeder Hinweis darauf, woher diese Gelder kommen sollen und in welchen Jahren welche Mittel fließen sollen. Damit bleibt die Frage offen, welche Mittel in der 17. Wahlperiode des Landtages für dieses Ziel überhaupt zusätzlich bereitgestellt werden sollen. Zum Vergleich: das Bundesprogramm Breitband, aus dem Projekte in ganz Deutschland gefördert werden, hat einen Gesamtumfang von vier Milliarden Euro. Die bis heute fehlenden Hinweise auf die Finanzierung und der finanzielle Vergleich mit dem Bundesprogramm lassen die schwarz-gelben Versprechungen nicht glaubwürdig erscheinen.
Mit dem Netzausbau allein ist jedoch die digitale Zukunft des Standorts NRW nicht gesichert. Vielmehr bedürfen insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen der konkreten Unterstützung durch das Land. Zu diesem Zweck hat die letzte Landesregierung bereits im Jahr 2015 die bundesweit erste Strategie zur Stärkung der Digitalen Wirtschaft vorgelegt. In diesem Rahmen werden gemeinsam mit der NRW.Bank Maßnahmen gefördert, die an den Bedarfen der Betriebe orientiert sind und die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung verbessern sollen.
Eine der Schlüsselmaßnahmen ist die Einrichtung von sechs DWNRW Hubs in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Münster und dem Ruhrgebiet, die als Drehschreibe für die Organisation der Zusammenarbeit zwischen Start-ups, Industrie und Mittelstand fungieren sollen. Darüber hinaus sind der Aufbau von Netzwerken, die Unterstützung von Messeauftritten für Startups, ein Beteiligungsprogramm der NRW.Bank mit Startkapital für digitale Gründungen und Venture Capital Investitionen der NRW-Bank für die spätere Wachstumsphase junger Unternehmen Bestandteile dieser Strategie.
Das Konzept hinter den DWNRW-Hubs, nicht nur Start-Ups den Weg zu Mittelstand und Industrie zu erleichtern, sondern besonders auch umgekehrt Mittelständlern, die sich über die Digitalisierung ihres Betriebs oder ihrer Geschäftsmodelle Gedanken machen, mit innovativen Start-Ups zu vernetzen, ist richtig und weithin anerkannt. Ob dieses Konzept jedoch auch die Unterstützung der neuen Landesregierung findet, erscheint nun fraglich. Denn die Hubs sollen im kommenden Jahr laut Koalitionsvertrag „auf ihre Wirksamkeit und Optimierungspotenziale hin überprüft“ werden. Diese Ankündigung überrascht insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Hubs erst Mitte 2017 – im Falle bspw. des digital HUB.Aachen erst am 1. August 2017 – ihren Betrieb aufgenommen haben. Die Hubs, die bei ihnen angesiedelten Start-Ups und die mit ihnen kooperierenden Mittelständler und Industriebetriebe benötigen dringend langfristige Planungssicherheit.
Ein weiterer wichtiger Baustein der Strategie DWNRW war die Bestellung des renommierten Wissenschaftlers, Prof. Tobias Kollmann zum Beauftragten der Landesregierung für die Digitale Wirtschaft ins Wirtschaftsministerium. Seine bisherige Arbeit wurde über alle Grenzen hinweg als Erfolg gewertet und trägt – auch unabhängigen Evaluationen zufolge – bereits heute Früchte: so sind in den vergangenen drei Jahren in NRW 1.000 neue Start-ups im Bereich der Digitalen Wirtschaft entstanden. Der Digitalisierungsgrad des nordrhein-westfälischen Mittelstands liegt inzwischen über dem Bundesdurchschnitt und die Industrieunternehmen in NRW liegen im Digitalisierungsindex sogar an der Spitze der Bundesländer. Die Abordnung von Prof. Kollmann endete am 30.06.2017 und wurde von der neuen Landessregierung nicht verlängert, so dass die bisherige Tätigkeit ersatzlos entfällt, obwohl auch Wirtschaftsminister Prof. Pinkwart die Arbeit als Erfolg wertete. Sofern diese wichtige Unterstützungsstruktur dauerhaft wegfällt, drohen insbesondere für digitale Start-Ups, aber auch für die Digitale Wirtschaft in NRW insgesamt, erhebliche Nachteile.
Nordrhein-Westfalen ist ein Land mit starken Regionen, die bereits in den letzten Jahren – auch durch Unterstützung der Landesregierung – jeweils eigene Profile bei der Digitalisierung entwickelt haben. Beispielhaft hierfür sind die vitale Start-Up-Szene im Ruhrgebiet, die durch zahlreiche Ausgründungen der technischen Hochschulen geprägte Landschaft im Rheinland sowie die Fortschritte bei Industrie 4.0 in Ostwestfalen-Lippe. Viele der in diesen Kontexten tätigen Akteure wurden durch die Ankündigung eines „Rheinland Valley“ durch Wirtschaftsminister Prof. Pinkwart vor den Kopf gestoßen. Eine zukunftsfähige Digitalisierungsstrategie darf sich nicht auf einzelne Regionen unseres Landes konzentrieren, sondern muss die jeweiligen Spezifika einbeziehen und offensiv weiterentwickeln. Strukturen wie der Spitzencluster „it’s OWL“ sind daher durch die Landesregierung auch in Zukunft nachhaltig zu fördern.
II. Der Landtag beschließt:
Die Strategie „Digitale Wirtschaft NRW“ ist durch die Landesregierung fortzuführen. Dabei ist insbesondere die Vernetzung von mittelständischen Unternehmen zu innovativen Start-Ups als Schwerpunkt beizubehalten.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, das anerkannte Konzept der DWNRW-Hubs fortzuführen und diese Hubs beizubehalten. Die Landesregierung wird aufgefordert, so Planungssicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten und dem Landtag ihre diesbezüglichen Überlegungen kurzfristig darzustellen.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die DWNRW-Stabsstelle als wichtige Unterstützung insbesondere für digitale Start-Ups beizubehalten und die Stelle der oder des Beauftragten für die Digitale Wirtschaft unverzüglich wieder zu besetzen.
Der Landtag begrüßt, dass die Regionen in Nordrhein-Westfalen spezifische Profile für die Digitale Wirtschaft entwickelt haben. Er fordert die Landesregierung auf, sich bei ihrer Förderpolitik nicht auf einzelne Regionen zu beschränken, sondern die Digitalisierung in ganz Nordrhein-Westfalen voranzutreiben.