- Ausgangslage
Der Verkehrssektor ist für die Erreichung der Klimaschutzziele elementar, denn er ist derzeit für ein Viertel aller Treibhausgasemissionen in Europa verantwortlich. Doch im Gegensatz zu anderen Bereichen wie dem Energiesektor oder der Industrie sinkt der CO2-Ausstoß im Verkehr bislang nicht. Nur wenn es gelingt, in den nächsten Jahren die schädlichen Emissionen zu senken und Mobilität klimaneutral zu gestalten, haben wir eine Chance, den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen.
Doch nach wie vor ist eine Verkehrswende hin zu klimaneutraler und umweltfreundlicher Mobilität nicht in Sicht. Statt einer Konzentration von finanziellen und personellen Ressourcen auf den Ausbau von Schiene, ÖPNV und Radverkehr findet nach wie vor ein weiterer massiver Ausbau des Straßennetzes statt. Und das, obwohl Deutschland eines der dichtesten Straßen-und Autobahnnetze weltweit hat. In NRW gibt es insgesamt rund 2.300 Kilometer Autobahnen, 5.000 Kilometer Bundesstraßen und über 13.000 Kilometer Landesstraßen. Hinzu kommen noch knapp 10.000 Kilometer Kreisstraßen und unzählige Gemeindestraßen.
Demgegenüber steht in NRW ein Schienennetz mit einer Gesamtlänge von 4.800 Kilometern, das nur zu 62 Prozent elektrifiziert ist. Das NRW-Radverkehrsnetz umfasst derzeit 13.800 Kilometer, der bauliche Zustand ist jedoch in vielen Bereichen sehr schlecht und der Sanierungsaufwand enorm. Von den ursprünglich im Jahr 2014 durch einen landesweiten Wettbewerb bestimmten sieben Radschnellwegen ist nur ein Teilstück des Radschnellwegs Ruhr bislang realisiert.
Die Ursachen für diese ungleiche und unzeitgemäße Entwicklung sind vielfältig. Neben den aus den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts stammenden verkehrspolitischen Vorstellungen in den Köpfen der CDU/SPD-geführten Bundesregierung – insbesondere des CSU-Verkehrsministers Andreas Scheuer – setzt auch die derzeitige CDU/FDP-geführte Landesregierung weiter den Schwerpunkt auf die Förderung des individuellen motorisierten Individualverkehrs.
Dass dieses Denken mittlerweile an seine Grenzen stößt, zeigen nicht nur die zahlreichen Organisationen der Zivilgesellschaft gegen den Neubau von Autobahnen und anderen Straßen, sondern auch die Schwierigkeiten beim Übergang der Zuständigkeiten für die Autobahnen vom Landesbetrieb Straßen.nrw auf die neu gegründete Autobahn GmbH des Bundes. Hier sprechen namhafte Stimmen bereits von einem „Fehlstart“, da der immens teure Neuaufbau und die mangelnde Integration von Personal und Strukturen die Arbeitsfähigkeit der neuen Gesellschaft auf längere Zeit einschränken wird. Und dies vor dem Hintergrund, dass ein rein für die Autobahnen zuständiger Bundesbetrieb den Zukunftsaufgaben in der Mobilität überhaupt nicht gerecht werden kann.
Doch für das Land eröffnet sich mit der Abgabe der Zuständigkeiten für den Autobahnbau an die Autobahngesellschaft des Bundes nun die Chance, die verbleibenden Strukturen des Lan-desbetriebs Straßen.nrw in eine zeitgemäße und den durch die Klimakrise notwendigen Anforderung gerecht werdende Form zu überführen. Denn die Neuausrichtung des Landesbetriebs in eine moderne Mobilitäts-Infrastruktur-Einrichtung ist längst überfällig. Natürlich muss die vorhandene Straßeninfrastruktur durch den Landesbetrieb nach wie vor gepflegt und saniert werden. Aber der Schwerpunkt soll zukünftig weniger auf der alleinigen Zuständigkeit für die Straßen liegen, sondern in der Planung, der Umsetzung und der Pflege der anderen Verkehrsträger. Hier müssen dringend Planungsprozesse beschleunigt und geplante Vorhaben endlich in die Tat umgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass beispielsweise ein schon seit Jahrzehnten beschlossenes Projekt wie der RRX derart lange Umsetzungsphasen hat und die jahrelangen Planfeststellungsverfahren immer noch nicht abgeschlossen sind. Mit der im Jahr 2005 geschlossenen Rahmenvereinbarung zwischen Bund, Land NRW und Deutscher Bahn und der aktuell anvisierten Fertigstellung des RRX-Zielnetzes im Jahr zwischen 2030 und 2035 gehen damit über ein Vierteljahrhundert ins Land, bis ein 15-Minuten-Takt auf der Nahverkehr-Hauptachse zwischen Köln und Dortmund hergestellt ist. Schon heute ist klar, dass die damals geplanten Fahrgast-Kapazitäten nicht ausreichend sein werden, um ein attraktives Angebot für den Umstieg von Pendlerinnen und Pendler zu bieten.
Auch im Güterverkehr geht es nicht voran, immer mehr Güter werden mit LKWs transportiert. Dieser negativen Entwicklung müsste dringend Einhalt geboten werden, doch statt den Ausbau der Schienenwege in Richtung Belgien und Niederlande entschieden voran zu treiben, werden Autobahnen mit zusätzlichen Fahrspuren erweitert und Umgehungsstraßen gebaut.
Die traurige Lage der Binnenschiffinfrastruktur, die gerade in NRW eine für die Wirtschaft im wahrsten Sinne tragende Rolle spielt, wird zwar überall konstatiert, aber die notwendigen Investitionen an Schleußen und Kanälen werden nicht oder nur schleppend getätigt. Hier ist der Bund in der Verantwortung, Abhilfe zu schaffen.
Was beim Straßenbau über Dekaden erfolgreich umgesetzt wurde, nämlich die Koordination und Umsetzung von Projekten mit unterschiedlichsten Ebenen und Akteuren muss endlich auch für die anderen Verkehrsträger zum Standard werden. Dazu ist nicht nur eine gerechtere Verteilung von Bundes- und Landesmitteln, sondern vor allem auch eine andere Prioritäten-setzung mit entsprechenden personellen Kapazitäten für Planung und Umsetzung notwendig.
Dazu muss sich der Landesbetrieb Straßen.nrw zu einem Dienstleister für eine moderne Mobilitätsinfrastrukturpolitik weiterentwickeln. Dies erfordert für den Bau einer leistungsfähigen und flächendeckenden Fahrradinfrastruktur nur geringe Anpassungen, da die Unterschiede zwischen Straßen- und Radinfrastruktur nicht groß sind und dafür im Wesentlichen nur Personal und finanzielle Mittel umgeschichtet werden müssten. Außerdem könnte ein Infrastruktur-betrieb die zum guten Teil personell ausgedünnten Planungsabteilungen der Kommunen entlasten und zumindest für überörtliche Radwegeverbindungen Machbarkeitsstudien und Planungen übernehmen.
Bei der Planung, Koordination und Umsetzung von Schieneninfrastruktur sind weitaus größere Umstrukturierungen notwendig. Bislang liegt die Verantwortung für den Bau von Schieneninfrastruktur im Wesentlichen in der Hand der Deutschen Bahn. Diese hat aber zum Teil eigene Vorstellungen und Interessen (Stichwort Netzentgelte und Trassenkonflikte), die nicht unbedingt mit denen des Landes deckungsgleich sind. Auch ist eine Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren beim Ausbau der Schieneninfrastruktur beteiligt. Hier wäre es für die dringend notwendige Beschleunigung für Schienenprojekte jeglicher Art sinnvoll, wenn Zuständigkeiten koordiniert und gebündelt würden sowie durch eine umfassende Koordination finanzielle und personelle Ressourcen gezielt eingesetzt werden könnten. Dabei geht es nicht darum Bezirksregierungen, Kommunen, Verkehrsverbünde oder die Deutsche Bahn zu entmachten, sondern politisch beschlossene Projekte nach Prioritäten zu begleiten und Planungen zu beschleunigen. Schienenprojekte insbesondere des Nahverkehrs dürfen nicht länger aufgrund der jeweiligen Interessenlage vor Ort verzögert und die Beauftragung von Planungsvorarbeiten wie Machbarkeitsstudien etc. von der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der kommunalen Ebenen abhängig gemacht werden.
Wenn man als Land ein gut ausgebautes Schienensystem ähnlich der Schweiz oder Österreich anstrebt, muss das Land auch entsprechend aktiv werden. Ein landeseigener Infrastrukturbetrieb könnte dabei hilfreich sein.
- Der Landtag stellt fest
- Zur Erreichung der Klimaschutzziele und der Bekämpfung des Klimawandels sowie zur allgemeinen Verbesserung der Mobilität im Personen- und Güterverkehr ist ein grundsätzliches Umsteuern in der Verkehrspolitik notwendig
- Die Straßeninfrastruktur des Landes ist weitestgehend ausgebaut und bedarf nur noch vorrangig der Sanierung sowie punktueller Ausweitung und Anpassung. Eine eigens dafür zuständiger Landesbetrieb, der sich nur mit Straßenbau beschäftigt, ist aus der Zeit gefallen und wird einer modernen Infrastrukturpolitik nicht gerecht
- Wichtige Schieneninfraprojekte im Landesinteresse wie der RRX, die BETUWE-Linie, die 3RX-Linie und eine Vielzahl weiterer notwendiger Maßnahmen wie die Reaktivierung und Elektrifizierung von Strecken sowie die Beseitigung von Engpässen dauern in der Planung und Umsetzung viel zu lange. Sie müssen dringend voran gebracht und prioritär fertiggestellt werden.
- Die Planung und Umsetzung der bislang beschlossenen Radschnellwege in NRW stockt, von einem flächendeckenden Radschnellwege- und Radroutennetz ist das Land weit entfernt.
III. Der Landtag beschließt:
Die Landesregierung wird aufgefordert:
- Den Landesbetrieb Straßen.nrw bis Ende 2022 in einen modernen und leistungsfähigen Betrieb für Infrastrukturmaßnahmen aller Verkehrsträger umzuwandeln („Mobilität.nrw“).
- Diesen neu aufgestellten Landesbetrieb finanziell und personell so auszustatten, dass er in der Lage ist, neben der Pflege und Sanierung von Straßen auch Projekte im Landesinteresse bei der Schienen- und ÖPNV-Infrastruktur sowie des Radwegenetzes zu koordinieren und ggfs. selbst Planungs- und Durchführungsaufgaben übernehmen oder vergeben zu können.
- Den Bund aufzufordern, eine ähnliche Struktur auch auf Bundesebene zu implementieren.
- Eine Priorisierung der vom neuen Infrastrukturbetrieb in Angriff zu nehmenden Projekte und Maßnahmen im Bereich Schienenverkehr und Radwegebau vorzunehmen und dem Landtag zur Beschlussfassung vorzulegen.
- Dem Landtag über die geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen sowie Zeitpläne und Umsetzungserfolge der Infrastrukturprojekte regelmäßig Bericht zu erstatten.