Mit nachhaltigen und zukunftsfähigen Strategien Nordrhein-Westfalen schrittweise aus der Krise führen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I. Ausgangslage:
Die Corona-Pandemie hält die ganze Welt in Atem. Rund um den Globus kämpfen Menschen gegen die Ausbreitung des Virus. Das Leben jedes und jeder Einzelnen hat sich weltweit fundamental verändert. Das gemeinsame Ziel ist, das Virus einzudämmen und eine Überforderung der Gesundheitssysteme zu verhindern. Trotzdem haben bereits zu viele Menschen ihr Leben verloren.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zeigen, wie vernetzt die Staaten und ihre Wirtschaftssysteme in unserer globalisierten Welt sind. Nationalismus kann für die Überwindung der Krise aber nicht die Antwort sein. Vielmehr sind Hilfen für andere Staaten bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten und mit notwendigen Materialien humanitär geboten. Offene Grenzen und freier Handel sind darüber hinaus wichtige Errungenschaften, die es unbedingt zu erhalten gilt. Wie schon in anderen Krisen ist es notwendig, dass die Staaten der Europäischen Union zusammenarbeiten und sich untereinander besser über Maßnahmen und Hilfen abstimmen.
Die verschiedenen Maßnahmen – von Kontaktverboten über Schließungen von Bildungseinrichtungen und Geschäften – haben in Deutschland und anderen Ländern zwischenzeitlich zu einer Verringerung der Neuinfektionen geführt. Es gibt Anlass für vorsichtigen Optimismus, wenn auch noch keine Entwarnung gegeben werden kann. Wir befinden uns noch immer in einer ernsten Situation, die nicht geeignet ist, übermütig oder leichtsinnig zu werden. Die Anzahl der Neuinfektionen muss weiterhin reduziert werden, um insbesondere vulnerable Gruppen zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Auch die Steigerung der Intensivkapazitäten in den Krankenhäusern muss weiter vorangetrieben werden.
Gleichzeitig kann der Zustand mit weitreichenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens, wie sie seit März in Deutschland bestehen, nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus sozialen, gesundheitlichen und demokratischen Erwägungen kein Dauerzustand sein.
Insofern ist es richtig, dass die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung am 15. April 2020 beschlossen haben, Schritte zur vorsichtigen Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen einzuleiten. Für Nordrhein-Westfalen gilt es, viele Details zu klären und weitere notwendige Maßnahmen zu treffen.
Gesellschaft im Ausnahmezustand
In der Corona-Krise erleben wir täglich, wie kreativ und solidarisch Menschen auf der ganzen Welt mit dieser Ausnahmesituation umgehen. Die bisher beschlossenen Maßnahmen zeigen erste Erfolge, weil sich die weitaus meisten Menschen aus Einsicht und Solidarität zueinander an die Regeln gehalten haben.
So bewältigen viele Menschen unter schwierigen Umständen ihren Alltag und nehmen belastende Umstände auf sich. Beispielhaft seien genannt:

  • Eltern, die auf teils sehr engem Raum arbeiten und gleichzeitig ihre Kinder betreuen.
  • Kinder, die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen nicht besuchen dürfen, ihre Freunde nicht treffen können und in ihrem natürlichen Bewegungsdrang stark eingeschränkt sind.
  • Ältere Menschen, die ihre Kinder, Enkelkinder oder anderen für sie wichtigen Besuch nicht sehen dürfen.
  • Schülerinnen und Schüler, die nicht wissen, wie sie ihre anstehenden Prüfungen bewältigen sollen.
  • Menschen in systemrelevanten Berufen, die teilweise mit geringem Schutz Arbeit für die Bevölkerung leisten.

Die Folgen der Corona-Krise belasten die Wirtschaft und einen großen Teil der Bevölkerung existenziell:
·         Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fürchten um ihre Arbeitsplätze oder haben existenziell bedrohliche Einkommensverluste.
·         Große wie kleine Betriebe, Solo-Selbstständige und Kulturschaffende wissen nicht, ob und wie sie die Krise überstehen können.
·         Studierende verlieren ihre Nebenjobs und wissen nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt sichern sollen.
·         Für Menschen in Armut fallen zusätzliche Hilfen weg, wie das kostenlose Mittagessen ihrer Kinder in der Schule oder das Angebot der Tafeln.
·         Kommunen, die diese Folgen abfedern, geraten immer mehr in finanzielle Notlagen aufgrund steigender Kosten und wegfallender Gewerbesteuereinnahmen. Insbesondere die Kommunen, die ohnehin schon seit Jahren in der Haushaltssicherung sind, bekommen die Krise und ihre Folgen besonders hart zu spüren.
·         Die häuslichen vier Wände können durch die Ausgangsbeschränkungen insbesondere für Frauen und Kinder zur Gefahr werden, wenn häusliche Gewalt oder Missbrauch zunehmen und sie sich keine Hilfe von außen holen können.
Diese zahlreichen Problemlagen stellen Gesellschaft und Politik vor enorme Herausforderungen. Nur mit einer gemeinsam Kraftanstrengung kann diese  Mammutaufgabe bewältigt werden.
Es muss gelingen, die Menschen in der Krise zu schützen und gleichzeitig Schritt für Schritt Voraussetzungen zu schaffen, weitere Bereiche des Lebens wieder zu öffnen. Hierzu muss immer wieder abgewogen werden, in welcher Geschwindigkeit Maßnahmen gelockert werden und gleichzeitig der Gesundheitsschutz gewährleistet werden kann.
Solange es keinen Impfstoff gegen das Corona-Virus und keine wirksamen Medikamente gibt, werden Datenerhebung, Hygiene- und Abstandsmaßnahmen, die Erweiterung von Testkapazitäten und eine datenschutzkonforme App zur Nachverfolgung von Corona-Kontakten die notwendigen Instrumente zum Schutz aller Menschen, insbesondere der Risikogruppen, sein. Der effektive Infektionsschutz ist der Türöffner zur schrittweisen Öffnung aller Lebensbereiche.
II. Der Landtag stellt fest:
·         Der Gesundheitsschutz für alle Menschen, besonders für vulnerable Gruppen, ist von hoher Bedeutung.
·         Die Menschen in Nordrhein-Westfalen nehmen in Solidarität zueinander einschneidende Maßnahmen auf sich. Ihre Sorgen und Anliegen müssen gehört und dafür Lösungen entwickelt werden.
·         Die Menschen in systemrelevanten Berufen verdienen nicht nur gesellschaftliche Anerkennung, sondern auch einen guten Gesundheitsschutz und eine angemessene Vergütung.
·         Frauen und Kinder, die physische und psychische Gewalt im häuslichen Umfeld erleben, brauchen entsprechende Hilfsangebote. Durch die aktuell notwendigen Kontaktbeschränkungen müssen Beratungsstellen in die Lage versetzt werden, ihre Tätigkeit telefonisch und online anbieten zu können. Wo notwendig, müssen schnell und unbürokratisch zusätzliche Zufluchtskapazitäten geschaffen werden.
·         Bildung ist für unsere Gesellschaft von grundlegender Bedeutung. Kindern und jungen Menschen muss ein chancengerechter Zugang zu Bildung ermöglicht werden, ohne dabei die Gesundheit der Beteiligten und ihrer Angehörigen zu gefährden.
·         Die Grund- und Freiheitsrechte sind auch in Krisenzeiten keine beliebig disponierbare Verhandlungsmasse. Gerade in der Krise muss der demokratische Rechtsstaat seine bürgerrechtlichen Stärken zeigen. Das bedeutet: Alle Beschränkungen von Grundrechten sind stets und wiederholt auf Verhältnismäßigkeit zu prüfen und zeitlich zu befristen.
·         Die Krise kann nur durch mehr europäische und internationale Kooperation bewältigt werden. Vor allem in der Europäischen Union müssen Zusammenarbeit und Koordination verbessert werden.
·         Über die akut zu bewältigende Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen dürfen andere große Herausforderungen wie die Klimakrise nicht vergessen werden. Der Klimawandel stellt unsere Lebens- und Wirtschaftsgrundlage infrage, daher dürfen dringend notwendige Projekte wie der Kohleausstieg und der Ausbau erneuerbarer Energien nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden. Bei zukünftigen Wirtschafts- und Konjunkturprogrammen muss der Klimaschutz ein Hauptkriterium sein.
III. Der Landtag beschließt:
Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1.    Das Gesundheitssystem zu stabilisieren, vulnerable Gruppen zu schützen, Ansteckungsgefahren zu ermitteln und zu reduzieren.
Dazu gehört:
1.1.        Die Testkapazitäten in NRW sind deutlich zu erhöhen. Die regelmäßige Testung systemrelevanter Gruppen muss gewährleistet werden. Insbesondere Berufsgruppen und deren Angehörige, die mit vulnerablen Gruppen zusammenarbeiten, sollten vorrangig und regelmäßig getestet werden.
1.2.        In Kooperation mit Unternehmen und Verbänden ist eine „Taskforce Pandemie“ einzurichten, deren Aufgabe es ist, die Produktionskapazitäten für Schutzkleidung, Mund-Nasen-Schutzmasken und Ausstattungsgegenstände zu erhöhen, damit die Empfehlungen und Vorgaben für das Tragen von Schutzmasken auch umgesetzt werden können.
1.3.        Die Beatmungskapazitäten sind weiterhin zu erhöhen und die Krankenhäuser darin zu unterstützen, das notwendige fachlich qualifizierte Personal zu schulen.
1.4.        Der Einsatz einer freiwilligen Tracking- bzw. Tracing-App ist zu unterstützen, die zur anonymisierten Warnung von Kontaktpersonen im Fall einer Infektion und damit zum Unterbrechen von Infektionsketten beiträgt. Dabei ist zu gewährleisten, dass der Schutz der Persönlichkeitsrechte im Mittelpunkt steht. Die Datenerhebung und -speicherung muss lokal auf dem Smartphone erfolgen und die Daten müssen nach 14 Tagen automatisch gelöscht werden, die App muss technisch sicher sein und staatliche Behörden dürfen keinen Zugriff auf die Daten erlangen.
1.5.        Es ist eine Informationskampagne durchzuführen, die auf geeignete Weise über Hygieneregeln aufklärt. Dazu gehört zum Beispiel die richtige Anwendung und Reinigung von Mund-Nasen-Masken (sog. Community-Masken).
2.    Die Menschen in Nordrhein-Westfalen auch in der Krise zu schützen, zu fördern und zu ermächtigen.
Dazu gehört:
2.1.        Beschäftigte des Landes sind, je nach Arbeitsbereich und Kontakten zu anderen Personen, mit ausreichend und angemessenen Schutzmaterialien auszustatten. Aufgrund des derzeitigen Mangels an Schutzkleidung muss das Land ein Konzept zur prioritären Verteilung von Schutzmaterialien an die Beschäftigten des Landes auflegen.
2.2.        In den Einrichtungen, die für den Schutz der Menschen besonders wichtig sind, wie soziale Hilfestrukturen, psychosoziale Dienstleistungen, soziale Einrichtungen und Beratungsstellen, muss ein ausreichender Infektionsschutz sichergestellt werden, damit dadurch die weitere Versorgung und Betreuung der Menschen ermöglicht werden kann.
2.3.        Es ist zu prüfen, wie Spielmöglichkeiten im Freien für Kinder, wie Spielplätze, baldmöglichst wieder geöffnet und Freiluftbewegungsangebote speziell für Kinder unter Wahrung des Infektionsschutzes ermöglicht werden können.
2.4.            Auch in Einrichtungen der stationären Altenpflege sind Besuchsverbote nur eine zeitlich befristete Lösung und auf das medizinisch absolut notwendige Maß zu reduzieren. Durch geeignete Maßnahmen zum Infektionsschutz wie z.B. Besuchskorridore sollten so bald wie möglich wieder die für die Gesundheit der Bewohner*innen wichtigen Sozialkontakte ermöglicht werden.
3.    Die Bildungsgerechtigkeit in NRW sicherzustellen.
Dazu gehört:
3.1.        Den Schulträgern und Lehrkräften muss die notwendige Zeit eingeräumt werden, um die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit Kinder und Jugendliche schrittweise ihre Schule wieder besuchen können. Dazu gehören vor allem die Sicherstellung eines ausreichenden Infektionsschutzes, ein Personaleinsatzkonzept und die Erarbeitung pädagogischer Konzepte.
3.2.        In enger Kooperation mit Trägern, Verbänden und Wissenschaft sind Konzepte zu erarbeiten, wie die frühkindliche Bildung schrittweise wieder aufgenommen werden kann. Insbesondere braucht es konkrete Hygienestandards, gesicherten Zugang zu ausreichenden Infektionsschutzmitteln sowie Handlungsempfehlungen für Kitas und Kindertagespflege zur altersgerechten Umsetzung des Infektionsschutzes. Darüber hinaus braucht es Personalkonzepte zur schrittweisen Erweiterung der Betreuungskapazitäten in Einrichtungen der frühkindlichen Bildung.
3.3.        Die Industrie- und Handelskammern sowie das Handwerk müssen unterstützt werden, damit sie im kommenden Herbst so viele Ausbildungsplätze wie möglich zur Verfügung stellen können. Es muss sichergestellt werden, dass Auszubildende, die sich im letzten Ausbildungsjahr befinden, ihren Abschluss machen können. Den Auszubildenden ist bedarfsgerecht Nachhilfeunterricht zu finanzieren, damit für sie kein besonderer Nachteil entsteht.
3.4.        Statt landesweit 50 Millionen Euro pro Jahr für die Digitalisierung der Hochschulen bereitzustellen, muss das Land eine echte Hochschul-Digitalisierungsoffensive beginnen, indem es in jede der 37 öffentlichen Hochschulen bis zu 50 Millionen Euro jährlich zusätzlich investiert, damit deren infrastrukturelle und personelle Ausstattung in Lehre, Forschung und Verwaltung auf den digitalen Stand der Dinge gebracht werden kann.
4.    Die Grund- und Freiheitsrechte zu achten, den Katastrophenschutz zu unterstützen und Katastrophenvorsorge für die Zukunft zu treffen.
Dazu gehört:
4.1.        Die Versammlungsfreiheit hat einen besonderen Rang unter den Grundrechten und ist zu ermöglichen, wenn gewährleistet werden kann, dass Schutzmaßnahmen wie Mindestabstand und das Tragen von Schutzmasken während der Versammlung eingehalten werden. Die  für Ausnahmen vom Versammlungsverbot zuständigen kommunalen Behörden sollten Richtlinien des Landes für die Erteilung von Auflagen zum Gesundheitsschutz erhalten. Ziel ist eine landesweiten einheitliche Anwendung, um die Versammlungsfreiheit in NRW zu gewährleisten.
4.2.        Die anerkannten Hilfsorganisationen erleiden erhebliche Einnahmeausfälle, zum Beispiel durch das Wegbrechen von Sanitätsdiensten bei Großveranstaltungen. Gleichzeitig tragen sie zu einem erheblichen Maße zur Bewältigung dieser Krise bei. Sie sind daher in das Soforthilfeprogramm des Landes einzubeziehen und mit einer Einmalzahlung zu unterstützen, um die wegbrechenden Einnahmen zu kompensieren. Die Kompetenz der Hilfsorganisationen ist zudem stärker als bislang in der Bewältigung der Krise zu nutzen, zum Beispiel im Bereich der Logistik.
5.    Mobilität für alle zu garantieren.
Dazu gehört:
5.1.        Die öffentlichen Verkehrsmittel müssen auch in Krisenzeiten einen verlässlichen und möglichst durchgehenden Takt fahren.
5.2.        Wo aus Kapazitätsgründen der Fahrplan ausgedünnt wurde, ist sicherzustellen, dass die Fahrgäste in den Fahrzeugen genügend Abstand halten können, um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Denkbar ist auch Orientierungspunkte an Bushaltestellen zu markieren, um zu erleichtern, dass der richtige Abstand eingehalten werden kann, insbesondere an besonders hoch frequentierten Haltepunkten.
5.3.        Statt Umweltspuren zu reduzieren, müssen mehr Autofahrspuren für den Radverkehr freigemacht werden („Pop-Up-Bike-Lanes“). Die Kommunen sind dabei zu unterstützen.
5.4.        Der Trend verstärkt das eigene Auto zu nutzen, um Ansteckung zu vermeiden, muss nach der Krise wieder umgedreht werden. Dafür sind mehr Investitionen in umweltfreundliche Mobilität für eine Verkehrswende zur Verfügung zu stellen.
6.    Einen Rettungsschirm für die Städte und Gemeinden zu schaffen – die Kommunen bei der Bewältigung der Krise nicht allein zu lassen.
Dazu gehört:
6.1.        Mithilfe eines kommunalen Rettungsschirms müssen den Kommunen ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, um Steuerausfälle und die krisenbedingten Mehrausgaben zu kompensieren.
7.    Die Corona-Krise als Digitalisierungsschub zu nutzen.
Dazu gehört:
7.1.        Der Netzausbau muss – auch durch landeseigene Förderprogramme – engagierter als bisher vorangetrieben werden, so dass bis Ende dieses Jahrzehnts eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und 5G „an jeder Milchkanne“ besteht.
7.2.        Die Innovationen, die in der Krise bei der digitalen Verwaltung freigesetzt wurden, müssen in den Regelbetrieb überführt und der Austausch zwischen den Behörden auf den unterschiedlichen Ebenen vorangebracht werden. Damit die Innovationen überall verankert werden können, braucht es ein Investitionsprogramm in die öffentliche IT.
7.3.        Es muss auf Bundes- und Landesebene mit rechtssicheren Regeln für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein Anspruch auf Homeoffice für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verankert werden.
8.    Die soziale Spaltung durch die Krise einzudämmen.
Dazu gehört:
8.1.        Sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, das Kurzarbeitergeld für geringe Einkommen zu erhöhen.
8.2.        Mütter und Väter müssen finanziell unterstützt werden, wenn sie wegen fehlender Kinderbetreuung Gehaltseinbußen haben.
8.3.        Sich gegenüber der Bundesregierung eindringlich dafür einzusetzen, dass das BAföG vorübergehend geöffnet oder ein Notfallfonds des Bundes geschaffen wird, damit der Lebensunterhalt der Studierenden gesichert wird, die aufgrund der Krise ihre Nebenjobs verloren haben.
8.4.        Die soziale Infrastruktur muss in ihrer Vielfalt erhalten bleiben. Insbesondere fehlende Eigenanteile sind für viele Träger existenzbedrohend, weil ihnen in der aktuellen Situation kaum Möglichkeiten zur Mittelakquise bleiben. Fehlende Eigenmittel dürfen nicht zu einem Trägersterben führen und müssen kompensiert werden.
9.    Kulturelles Leben abzusichern.
Dazu gehört:
9.1.        Corona-bedingte Einnahmeausfälle von Kunst- und Kulturschaffenden können derzeit nicht durch die Bundes- und Landeshilfen für Solo-Selbständige und kleine Unternehmen kompensiert werden. Damit sich diese ein eigenes Gehalt auszahlen können, sind die Landeshilfen analog zur Regelung in Baden-Württemberg um eine Nutzungsmöglichkeit für die Kosten des privaten Lebensunterhalts zu ergänzen, wenn keine zeitnahe Änderung der Bundesauflagen möglich ist.
9.2.        Kreativschaffende einzuladen, Konzepte zu diskutieren und weiterzuentwickeln, wie trotz der erhöhten Hygieneanforderungen wieder Kulturveranstaltungen angeboten werden können.
9.3.        Einen Fonds zur Förderung digitaler Kulturformate aufzulegen,  um Künstlerinnen und Künstlern neue Perspektiven zu eröffnen.
10.  Infektionsschutz und das gesundheitliche Wohl von Geflüchteten stärker in den Blick zu nehmen.
Dazu gehört:
10.1.     Die Belegungsdichte in den Unterbringungseinrichtungen des Landes für Geflüchtete (ZUE und EAE) lässt das Einhalten von Abstandsregelungen und Hygienevorschriften kaum zu. Daher muss die Belegung in den Einrichtungen zügig entzerrt werden. Besonders gefährdete Personengruppen wie etwa ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen müssen vorrangig und schnell in angemessenen Unterkünften mit abgetrenntem Sanitärbereich und Küchen untergebracht werden. Hierfür muss das Land gemeinsam mit den Kommunen verfügbare Kapazitäten und Ressourcen bündeln und auf freiwilliger Basis neue Kooperationswege einschlagen.
10.2.     Das Land NRW muss schnellstmöglich ein Hygiene- und Schutzkonzept für alle Landeseinrichtungen erstellen. Entsprechend müssen Hygiene- und Desinfektionsmittel sowie Schutzbekleidung und Masken für die Untergebrachten und das Betreuungs- und Beratungspersonal zur Verfügung gestellt werden.
10.3.     Den Untergebrachten müssen umfassende Informationen über die aktuelle Entwicklung der Pandemie in ihren jeweiligen Sprachen zur Verfügung gestellt werden. Internetnutzung muss gewährleistet sein. Dafür sollte WLAN in allen Wohneinheiten zugänglich gemacht werden.
10.4.     Gemeinsam mit den Psychosozialen Zentren in NRW (PSZ) und dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) sollte ein Konzept für die psychosozialen Versorgungsangebote von Geflüchteten in den Landesunterkünften während der Corona-Pandemie erstellt werden.
10.5.     Verfahrensberatung und Betreuungsangebote in den Landesunterkünften für Geflüchtete müssen auch während der Corona-Pandemie aufrechterhalten bleiben. Trägern der Asylverfahrensberatung, der Beschwerdestellen und der Ausreise- und Perspektivberatung müssen grundlegende und fortlaufende Informationen über Maßnahmen des Landes zum Schutz der Geflüchteten sowie der Mitarbeitenden kontinuierlich zugänglich gemacht werden.
10.6.     Abschiebungen von Menschen in einer Pandemiezeit sind nicht zu verantworten und müssen ausgesetzt werden.
10.7.     Das Land muss ein mit den Kommunen abgestimmtes Kontingent von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten aus Camps auf den griechischen Inseln aufnehmen.
11.  Die europäische und internationale Solidarität in Krisenzeiten sicherzustellen.
Dazu gehört:
11.1.     Die Landesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die europäischen Grenzen wieder geöffnet und stattdessen grenzübergreifend abgestimmte regionale Schutz- und Eindämmungsmaßnahmen durchgeführt werden. Die Landesregierung muss dafür Sorge tragen, dass eine solche verstärkte regionale Abstimmung und Zusammenarbeit auch in den Grenzregionen von Nordrhein-Westfalen, Belgien und den Niederlanden erfolgt, wo es bisher keine Grenzschließungen gab.
11.2.     Die Landesregierung muss sich gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen, dass diese echte europäische Solidarität zeigt, indem sie ihre ablehnende Haltung gegenüber den sogenannten Corona-Bonds auf europäischer Ebene aufgibt.
11.3.     Das Land muss das Angebot machen, weitere besonders gesundheitsgefährdete Personen aus europäischen Nachbarstaaten aufzunehmen, wenn in diesen Staaten die Krankenhäuser überlastet sind, aber das hiesige Gesundheitssystem die Lage beherrschen und so das Leben der Patientinnen und Patienten retten kann.
11.4.     Die Landesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die europäischen Staaten miteinander kooperieren, um die notwendige Produktion von Schutzkleidung sowie weiteren medizinischen und Hygieneartikeln in Europa sicherzustellen.
11.5.     Die Landesregierung muss sich gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen, dass sich diese dazu bereit erklärt, dass die Europäische Union die Finanzierungslücke bei der Weltgesundheitsorganisation schließt, die dadurch zustande gekommen ist, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die fehlgeleitete Entscheidung getroffen haben, ihren Anteil an der Finanzierung der WHO einzufrieren.
11.6.     Im Rahmen der Partnerschaften des Landes mit Ghana und Südafrika sind Unterstützungsmaßnahmen zum Kampf gegen das Coronavirus zu leisten.
11.7.     Die Landesregierung soll die europäischen Städtepartnerschaften, die die Konsequenzen der Corona-Pandemie für das öffentliche Gesundheitswesen in den Mittelpunkt ihres Austauschs stellen, besonders unterstützen.
12.  Aus der Krise lernen – erste Maßnahmen für eine nachhaltige Zukunft zu schaffen.
Dazu gehört:
12.1.     Aus der Krise sind die richtigen Lehren zu ziehen. Wenn die Krise beendet ist, ist das staatliche Handeln aufzuarbeiten und zu evaluieren. Die Schwächen des Gesundheitswesens sind zu analysieren und entsprechende Gegenkonzepte zu entwickeln. Zur langfristigen Stärkung des Gesundheitssystems ist unter anderem eine bessere Bezahlung der Mitarbeitenden in Care-Berufen unerlässlich.
12.2.     Wichtiges medizinisches Material und Medikamente sollten in Zukunft wieder in Deutschland gefertigt und vorgehalten werden.
12.3.     Im Bereich des Katastrophenschutzes werden regelmäßig mögliche Szenarien durchgespielt, etwa durch die regelmäßigen LÜKEX-Übungen (Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübung). Nach Bewältigung der Corona-Krise soll das Land gemeinsam mit allen am Katastrophenschutz Beteiligten sowie unabhängigen Sachverständigen alle bisherigen Berichte und Evaluationen zu Katastrophenszenarien daraufhin überprüfen, welche Schwachstellen derzeit bestehen und einen Fahrplan dafür erarbeiten, wie diese in Zukunft behoben werden können. Das Ziel muss sein, aus dieser Krise zu lernen und in Zukunft besser aufgestellt zu sein.
12.4.     Die konjunkturelle Wiederbelebung der Wirtschaft ist nachhaltig zu gestalten. In vielen Branchen, die auch in NRW stark sind, wie der Stahl- und Chemiebranche, standen auch vor der Corona-Krise bereits große Investitionen an. Die Landesregierung muss unterstützen, dass diese Investitionen nun schneller in Richtung Klimaneutralität geschehen. Denn bei der Bekämpfung der Klimakrise muss jeder anstehende Investitionszyklus genutzt werden. Bei Förderprogrammen, Wettbewerben und anderen staatlichen Unterstützungen muss Klimaschutz in den kommenden Monaten und Jahren Hauptkriterium für die Umsetzung sein.
12.5.     Die energetische Sanierung aller Landesgebäude sowie die Belegung mit Photovoltaikanlagen muss mithilfe eines Sofortprogramms ausgebaut und beschleunigt umgesetzt werden. Damit kann die Landesregierung gleichzeitig Wirtschaft und Handwerk unterstützen und ihrer klimafreundlichen Vorbildfunktion gerecht werden. Die vorliegenden Konzepte für die energetische Sanierung und Installation von Photovoltaikanlagen auf Landesliegenschaften sollen noch 2020 zur Umsetzung ausgeschrieben werden. Für alle anderen Liegenschaften müssen noch in diesem Jahr Konzepte ausgearbeitet werden, damit sie Anfang 2021 ausgeschrieben und zeitnah umgesetzt werden können. Zur Beschleunigung dieser vorbereitenden Aufgaben sind in notwendigem Umfang externe Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.