Missachtet Verfassungsminister Reul die Gewaltenteilung?

Kleine Anfrage von Verena Schäffer

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Nachdem der Gesetzentwurf der Landesregierung vom 11.04.2018 für ein „Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen – Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen“ – Drucksache 17/2351 – in der ersten Anhörung im Innenausschuss am 7. Juni 2018 von Sachverständigen derart deutlich als verfassungsrechtlich bedenklich kritisiert worden war, massive Proteste von Bürgerinnen und Bürgern hiergegen zum Ausdruck gebracht worden waren und die beiden FDP-Mitglieder Burkhard Hirsch und Gerhart Baum gedroht hatten, Verfassungsbeschwerde gegen den Gesetzentwurf zu erheben, wurde ein erster Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP in einer Pressekonferenz vom 9. Oktober 2018 vorgestellt.
Der wesentliche Inhalt des Änderungsantrags der Fraktionen von CDU und FDP im Landtag von Nordrhein-Westfalen wurde aber nicht von Vertreterinnen oder Vertretern der Fraktionen vorgestellt. Anders als es zu erwarten war, erklärte Innenminister Herbert Reul den anwesenden Journalistinnen und Journalisten, in welchen Punkten der von ihm vorgelegte Gesetzentwurf nun durch die Fraktionen geändert werde – als wäre es ein Änderungsantrag der Landesregierung.

Dieser Linie scheint der Innenminister weiter folgen zu wollen, wenn er auf einer vor wenigen Tagen, am 7. Dezember 2018 veröffentlichten Internetseite seines Ministeriums die geplanten Änderungen des Polizeigesetzes zu erklären versucht und dort die durch die Fraktionen von CDU und FDP geplanten Änderungen am Gesetzentwurf so darstellt, als seien es diejenigen der Landesregierung, die sich damit gleichsam selbst korrigiere.
Auf der Internetseite www.sicherheitspaketeins.nrw gelangt man unter der Rubrik „Dokumente“ auf das aktuell geltende Polizeigesetz und auf den von der Landesregierung in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes. Unter der Überschrift „ÜBERARBEITETER GESETZENTWURF NACH EXPERTENANHÖRUNG“ werden lediglich die Änderungsanträge der Fraktionen von CDU und FDP aufgelistet und zwar mit folgender Bezeichnung, und ohne die Antragssteller zu nennen, als seien es die Anträge der Landesregierung:
1. Änderungsantrag zum Sechsten Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen vom 10.10.2018“ und
2. Änderungsantrag zum Sechsten Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen vom 05.12.2018“.
Des Weiteren ist unter der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ und dort unter der Frage „Ist die ‚drohende Gefahr‘ jetzt vom Tisch?“ folgende Antwort veröffentlicht:
Ja. Der Begriff wurde ersatzlos gestrichen.“ (Stand: 10. Dezember 2018)
Unter der Frage „Warum wurde der Gesetzentwurf noch einmal geändert?“ wurde diese Antwort veröffentlicht:
Der jetzt vorliegende Beschlussentwurf für das „Sicherheitspaket I“ ist das Resultat einer fast einjährigen parlamentarischen Beratung im nordrhein-westfälischen Landtag. In den vergangenen Monaten wurden u.a. zwei Sachverständigenanhörungen mit Rechtswissenschaftlern, Datenschützern und Gewerkschaftsvertretern aus ganz Deutschland durchgeführt. Viele Anregungen der Professoren und anderen Experten wurden anschließend in den Entwurf eingearbeitet. Die in jedem Gesetzgebungsverfahren vorgesehene Sachverständigenanhörung war also keine Show-Veranstaltung. Sondern sie wurde genutzt, um den Gesetzentwurf weiter zu verbessern.“ (Hervorhebung durch Anfragenstellerin) (Stand: 10. Dezember 2018)
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1.       Inwiefern wird nicht gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz und das parteipolitische Neutralitätsgebot der Landesregierung verstoßen, wenn diese auf einer eigens von ihr eingerichteten Internetseite neben dem Gesetzentwurf der Landesregierung zum Sechsten Änderungsgesetz des Polizeigesetzes NRW ausschließlich Anträge der Koalitionsfraktionen auflistet?
2.       Warum versucht die Landesregierung den Eindruck zu erwecken, sie selbst habe den Begriff der „drohenden Gefahr“ aus ihrem eigenen Gesetzentwurf gestrichen, indem sie unter der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ als Antwort auf die Frage „Ist die ‚drohende Gefahr‘ jetzt vom Tisch?“ schreibt, dass der Begriff „ersatzlos gestrichen“ wurde, obwohl nicht sie, sondern die Fraktionen von CDU und FDP die Streichung aus dem Gesetzentwurf der Landesregierung mittels ihres ersten Änderungsantrags beabsichtigen und dieser Antrag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Antwort noch nicht vom Landtag beschlossen wurde (Stand 10. Dezember 2018)?
3.       Werden auch die von den Oppositionsfraktionen eingebrachten Anträge (Änderungsanträge sowie Entschließungsanträge) nach ihrer Veröffentlichung zeitnah auf der Seite des Innenministeriums verlinkt, um die parteipolitische Neutralität der Landesregierung zu wahren?
4.       Wie geht das Innenministerium NRW mit Rückfragen zu den Änderungsanträgen der Fraktionen von CDU und FDP um, die auf der Seite des Innenministeriums unter der Rubrik „Dokumente“ ohne weitere Angaben zu den Antragsstellern aufgelistet werden und deswegen auf Bürgerinnen und Bürger wirken können, als seien es Anträge der Landesregierung?
5.       Warum schreibt das Innenministerium auf seiner Seite unter der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ als Antwort auf die Frage „Warum wurde der Gesetzentwurf noch einmal geändert?“, dass die Sachverständigenanhörung „also keine Show-Veranstaltung“ war – vor dem Hintergrund, dass Sachverständigenanhörungen bewusst vorgesehen und unerlässlich sind, um für die notwendige fachliche Information der Abgeordneten zu Gesetzgebungsvorhaben durch Sachverständige mit entsprechender fachlicher Expertise zu sorgen und um eine fundierte Grundlage zur Beurteilung der Vorlagen zu gewährleisten?