Menschen in NRW vor Bröckelreaktoren schützen: Brennelementelieferungen stoppen, grenzüberschreitende Lösungen anbieten, Tihange endlich abschalten

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausgangslage

Kaum eine Woche vergeht, in der das Atomkraftwerk Tihange nicht in den Schlagzeilen ist, seit der Reaktor 2 Ende 2015 wieder in Betrieb gegangen ist. Auch die Anzahl der gefundenen Risse im Material der Druckbehälter steigt – sei es nun, weil sie durch neue Untersuchungsmethoden erst jetzt entdeckt wurden oder sie in der Zwischenzeit neu ent- standen sind. Denn unabhängig davon wie lange die Risse schon existieren, verschärfen die immer wieder bekannt werdenden Defizite und Mängel an den Anlagen die Gefahr und Sorge vor einem schwerer wiegenden Unfall. Dieser hätte verheerenden Folgen nicht nur für die Menschen in Belgien, in Aachen und in der Grenzregion, sondern für unser gesam- tes Bundesland und weit darüber hinaus.
Selbst die belgische Atomaufsichtsbehörde hat gravierende technische und organisatori- sche Defizite beim Betrieb der Reaktoren festgestellt. Nach deutschem Recht und unter Vorsorgegesichtspunkten dürfte der Reaktor schon lange nicht mehr betrieben werden.
Die rot-grüne Landesregierung in NRW hat gemeinsam mit der Regierung in Rheinland- Pfalz wiederholt gegenüber den belgischen Behörden gefordert, dass die störanfälligen Atomkraftwerke abgeschaltet werden müssen. Auch auf Bundesebene wurden hierzu in- tensive Gespräche geführt, damit die Bundesregierung sich in diesem Sinne gegenüber Belgien positioniert. Nicht zuletzt ist die rot-grüne Landesregierung den Klagen der Städ- teregion Aachen gegen den Weiterbetrieb von Tihange beigetreten.
Im Gegensatz dazu verhält sich die Große Koalition höchst widersprüchlich: Zwar gibt es Gespräche mit der belgischen Regierung, in denen sich Deutschland für das Abschalten der Atomreaktoren am Standort Tihange einsetzt. Gleichzeitig sorgt die Bundesregierung durch die erteilten Ausfuhrgenehmigungen für die Lieferung von Brennelementen nach Belgien jedoch dafür, dass die Reaktoren weiterhin Strom produzieren können. Damit un- terstützt sie aktiv den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken, die ein erhebliches Risiko für die Gesundheit und die Sicherheit der Menschen in unserem Land darstellen.
Dabei gäbe es Lösungen, um auch ohne die Atomkraftwerke eine sichere Stromversor- gung in Belgien gewährleisten zu können. Das noch von der rot-grünen NRW Landesre- gierung durch Umweltminister Johannes Remmel beim Ingenieur-Büro BET beauftragte Gutachten „Diskussionsbeitrag zur Stromversorgung Belgiens im Falle eines Atomausstie- ges“ zeigt Wege auf, wie durch die Unterstützung aus den europäischen Nachbarländern, die Stromversorgung Belgiens im europäischen Verbund relativ schnell gewährleistet wer- den könnte. Dabei spielt auch der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien, die nach dem Koalitionsvertrag von CDU und FDP massiv behindert werden sollen, eine zentrale Rolle. Ähnlich wie mit Frankreich durch das deutsch-französische Büro für die Energie- wende wäre auch mit Belgien in diesem Bereich eine engere Kooperation wichtig und sinn- voll. Bisher jedoch zeigt die schwarz-rote Koalition in Berlin wenig Interesse daran, diese Chancen zu nutzen und sich mit mehr als Worten für das Abschalten von Tihange einzu- setzen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

sich auf Bundesebene mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass Bundeskanzlerin Mer- kel und die Bundesregierung alles ihr Mögliche unternimmt, um eine sofortige und endgültige Stilllegung des Atomreaktors in Tihange, insbesondere des störanfälligen Reaktors Tihange 2, sowie des Atomreaktors in Doel zu erreichen;
sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass keine Genehmigungen für den Export von Brennelementen aus Deutschland für diese Atomkraftwerke erteilt und beste- hende Genehmigungen zurück genommen werden bzw. alle rechtlichen Möglichkei- ten ausgeschöpft werden, um Brennelementelieferungen nach Belgien zu verhindern;
die Erkenntnisse des BET-Gutachtens „Diskussionsbeitrag zur Stromversorgung Bel- giens im Falle eines Atomausstieges“ weiter zu nutzen und Belgien gemeinsam mit der Bundesregierung Hilfe beim Atomausstieg und dem Umbau der Energieversor- gung anzubieten und den begonnenen Gesprächs- und Austauschprozess fortzufüh- ren;
sich auf Bundesebene mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass ein Büro für die deutsch-belgische Zusammenarbeit im Bereich der Energiewende und Energiever- sorgung geschaffen wird;
den für die Energiewende und den Ausstieg der Atomenergie notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht zu behindern, sondern weiter zu befördern.