I. Ausgangslage
Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer leisten gerade in Nordrhein-Westfalen einen essenziellen Beitrag zur Sicherstellung von Warenströmen, zur Versorgung der Bevölkerung und zur Funktionalität der Wirtschaft. In der Bundesrepublik arbeiten etwa 480.000 Menschen in diesem Beruf. Ohne sie würden Lieferketten unterbrochen, Produktionsprozesse verzögert und die Mobilität im öffentlichen Personenverkehr erheblich eingeschränkt. Trotz dieser enormen Bedeutung erscheint das Berufsbild derzeit für viele wenig attraktiv.
Nordrhein-Westfalen ist als wirtschaftsstarkes Bundesland mit einer zentralen Lage in Europa ein Dreh- und Angelpunkt für Logistik und Transport. Über 70 Prozent aller Güter in Nordrhein-Westfalen werden über die Straßen transportiert. Die Straße wird auch mittel- und langfristig eine große Rolle beim Gütertransport spielen. Zudem sind auch Nahverkehrsunternehmen und Busunternehmen auf gut ausgebildetes Fahrpersonal angewiesen, um eine zuverlässige Personenbeförderung im Linien- und Schulverkehr sowie im Gelegenheits- und Reiseverkehr sicherzustellen.
Ein funktionierender, verlässlicher Transportsektor ist für die Wettbewerbsfähigkeit von Nordrhein-Westfalen, für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung sowie für die wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftliche Teilhabe unabdingbar. Bereits heute fehlen jedoch in Deutschland bis zu 80.000 Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer (ca. 70.000 Lkw-Fahrer, ca. 7.700 Busfahrer), Tendenz steigend. Das Durchschnittsalter der Fahrerinnen und Fahrer liegt bei über 50 Jahren, während zu wenige junge Menschen in den Beruf nachrücken. Zwar ist die Zahl der Auszubildenden seit 2010 bereits stark gestiegen. Jedoch können diese die demografische Delle nicht ausgleichen.
Damit sich in Zukunft mehr Menschen für einen Beruf in der Transportbranche entscheiden, gibt es mehrere zentrale Hebel: Gute Arbeitsbedingungen einschließlich einer angemessenen Bezahlung, die Beschäftigung von aus dem Ausland stammenden Fachkräften sowie der Abbau von bürokratischen Hürden und die Senkung der Kosten der Ausbildung. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sind insbesondere die sozialen Standards, die mangelhafte Infrastruktur für Fahrerinnen und Fahrer, gesundheitliche Belastungen sowie fehlende gesellschaftliche Anerkennung Herausforderungen, die das Berufsbild für viele unattraktiv machen. Die Transportbranche reagiert hier bereits mit entsprechenden Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung und ist auch weiterhin gefordert, das Arbeitsumfeld attraktiver zu gestalten.
Zur konsequenten Einhaltung der Arbeitszeiten wurden in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren bereits wichtige Schritte unternommen. Dazu gehört insbesondere die Stärkung der Arbeitsschutzbehörden. Um Sozialdumping vorzubeugen, gilt es darüber hinaus, die bestehenden Kabotageregeln der EU konsequent anzuwenden. Insbesondere im kombinierten Verkehr sollten diese stärker in den Blick genommen werden. Neben der konsequenten Durchsetzung des geltenden Rechts müssen ebenso die infrastrukturellen Rahmenbedingungen verbessert werden. Dazu gehören insbesondere eine ausreichende Anzahl an Park- und Stellplätzen sowie ansprechende sanitäre Anlagen an Rasthöfen, Rastplätzen, Depots und ggf. Wendepunkten bzw. Endhaltestellen im Personennahverkehr.
Die Anwerbung von geeigneten Fachkräften aus dem Ausland für eine Tätigkeit als Berufskraftfahrerin oder -kraftfahrer in Deutschland bei hier ansässigen Unternehmen sowie die zügige Integration von Menschen, die bereits in Deutschland sind, ist angesichts der demografischen Rahmenbedingungen ebenso notwendig. Bestehende Hürden bspw. in der Anerkennung von Qualifikationen, müssen gesenkt werden. Dabei ist klar, dass die zunehmende Beschäftigung von ausländischen Fachkräften zu guten Löhnen und den hier geltenden Sozialstandards erfolgen muss. Dies kann auch ein Beitrag dazu sein, die Problematik zu vermindern, dass ausländische Unternehmen Mindestlohnregelungen und Arbeitszeitvorschriften bei Transportdienstleistungen in Deutschland unterlaufen.
Ebenso zentral für den Mangel an Berufskraftfahrern sind komplexe Vorgaben der Berufskraftfahrer-Richtlinie der EU sowie der ebenso komplexen Umsetzung auf Bundesebene. Um den Beruf ausüben zu dürfen, braucht es die Grundqualifikation. Diese kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Die Schulungen werden in vom Land anerkannten Ausbildungsstätten durchgeführt, die Prüfungen müssen bei der IHK abgelegt werden. Die Fahrerlaubnis (Güterverkehr oder Personenverkehr) wird dabei getrennt von der Grundqualifikation erworben. Daher ist die Aus-! Weiterbildung in Deutschland teurer und zeitaufwendiger. Inhaltlich gibt es bei beiden Prüfungen jedoch Schnittmengen. In vielen europäischen Mitgliedsstaaten findet auf der Basis der Richtlinie 2003!59!EG eine stärkere Verzahnung statt. Weitere Potenziale für die Ausbildung lassen sich etwa beim Abbau von Sprachbarrieren für den Erwerb von Führerschein und Grundqualifikation, bei den Prüfkapazitäten, der Anerkennung von Ausbildungsstätten oder bei der Digitalisierung von Antragsverfahren ausschöpfen. Zuletzt wurde im Deutschen Bundestag bereits eine Änderung des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes diskutiert. Insbesondere die Digitalisierung der Ausbildung war dabei Thema des Gesetzesentwurfs. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Um zu deutlichen Erleichterungen zu kommen, wären bei der Gesetzgebung im Bund jedoch weitere Schritte notwendig.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Problematik schon frühzeitig erkannt und sich im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz aktiv für Verbesserungen bei der Ausbildung von Berufskraftfahrern eingesetzt.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer im Bereich Transport und Logistik wie im Personenverkehr leisten unverzichtbare Arbeit für eine funktionierende Wirtschaft ebenso wie für einen attraktiven Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen.
- Berufskraftfahrerinnen und -kraftfahrern gebührt Anerkennung und Respekt der gesamten Gesellschaft.
- Fehlende Fachkräfte sind für die überwiegend mittelständisch geprägte Branche ein zunehmendes Problem und ein Wettbewerbsnachteil.
- Vielfach herrschen in der Branche Arbeitsbedingungen, die insbesondere für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger sowie für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger nicht attraktiv sind.
- Zwar sind die Ausbildungszahlen bei Berufskraftfahrern in den vergangenen Jahren gestiegen, nichtsdestotrotz sind der bürokratische Aufwand und die Kosten für die Ausbildung und Qualifizierung in Deutschland zu hoch.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung aus vorhandenen Mitteln,
- gemeinsam mit den zuständigen Stellen darauf hinzuwirken, dass weiterhin ausreichend Prüfungskapazitäten sowohl für die Fahrausbildung als auch für die Grundqualifikation vorhanden sind,
- gemeinsam mit den Kommunen die Digitalisierung der Fahrerlaubnisbehörden, insbesondere der Antragsverfahren für Fahrerlaubnisse, weiter voranzutreiben,
- sich im Bund weiterhin für eine umfassende Änderung und Vereinfachung des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes sowie der Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung einzusetzen, bei der insbesondere folgende Punkte berücksichtigt werden:
- Prüfung einer Verkürzung der Ausbildungszeit durch eine stärkere Verzahnung von Fahrausbildung und Berufskraftfahrerqualifikation, ohne Absenkung der Qualitätsstandards,
- Nutzung der Potenziale von Digitalisierung in der Berufskraftfahrerqualifikation,
- die Möglichkeit, die Prüfung zur Berufskraftfahrerqualifikation in Fremdsprachen abzulegen,
- die Möglichkeit zum Erwerb der Berufskraftfahrerqualifikation für Personen aus dem Ausland zu vereinfachen,
- sich im Bund weiterhin für eine Änderung der Fahrerlaubnisverordnung einzusetzen, bei der insbesondere folgende Punkte in die Prüfung einbezogen werden:
- die Möglichkeiten für eine Erweiterung der Liste der Staaten auszuschöpfen, deren Fahrerlaubnisse anerkannt werden, um mehr ausländischen Fachkräften die Arbeitsaufnahme in Deutschland zu ermöglichen,
- die Möglichkeit, den für die Führerscheine der Klassen C und D erforderlichen Sehtest auch bei einem Optiker durchführen zu lassen,
- sich in Zusammenarbeit mit dem Bund dafür einzusetzen, für die Anwerbung und Beschäftigung von Personen aus dem Ausland als Berufskraftfahrer in Deutschland sowie bei der Integration von Menschen in den deutschen Arbeitsmarkt bestehende Hürden abzubauen,
- sich auf Basis der Pilotphase des Stellplatzinformationsdienstes im Bund für Lösungen bei dauerhaft blockierten Parkplätzen einzusetzen, dazu gehören etwa moderne Systeme der Parkraumbewirtschaftung,
- beim Bund darauf hinzuwirken, dass Rastanlagen für Lkw-Fahrerinnen und Fahrer besser ausgestattet werden, insbesondere mit ganztägig gepflegten Sanitäranlagen, Gastronomie, Überwachung, Verfügbarkeit von Wasserzapfstellen, WLAN sowie Lärmschutz,
- die baurechtlichen Vorschriften des Landes dahingehend zu überprüfen, ob für Betriebe mit hoher Frequenz von Anlieferungen und Abholung durch Lkw ergänzende Festlegungen für die Zahl der Stellplätze getroffen werden müssen,
- zu prüfen, über welche Wege darauf hingewirkt werden kann, dass in Gewerbegebieten mit starkem Ziel-/Quell-Verkehr reservierte Parkplatz-Anlagen inkl. Infrastruktur entstehen,
- sich beim Bund für verstärkte Kontrollen der Lkw-Verkehre einzusetzen und dabei auch die Zusammenarbeit mit den Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf weitere Synergien zu überprüfen,
- sich im Bund für eine konsequente Rechtsdurchsetzung der Kabotageregeln insbesondere im Bereich der kombinierten Verkehre, einzusetzen,
- sich beim Bund dafür einzusetzen, dass zur Kontrolle von Mindestlohn und Arbeitsschutzvorschriften die Potenziale der Digitalisierung dahingehend genutzt werden, dass Lkw-Maut-Daten und verpflichtende eCMR dafür unter Beachtung des Datenschutzes genutzt werden,
- sich weiter für eine Stärkung des Schienengüterverkehrs und des kombinierten Verkehrs einzusetzen.
