LSBTI*-Rechte sind Menschenrechte – Artikel 3 Absatz 3 Satz 3 des Grundgesetz endlich ergänzen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Josefine Paul

I.  Der lange Weg der rechtlichen Diskriminierung
Wir leben in einer Gesellschaft gelebter Vielfalt. Seit Gründung der Bundesrepublik hat sich ein stetiger Wertewandel hin zu steigender Akzeptanz gegenüber vielfältigen Lebensformen vollzogen. Diese Akzeptanz zeigte sich nicht zuletzt darin, dass eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung die Öffnung der sogenannten „Ehe für Alle“ schon weit vor der überfälligen Gesetzesänderung im vergangenen Jahr befürwortete. Eine große Kraftanstrengung von Seiten (quer-)politischer Initiativen konnte letztlich erreichen, dass die gesellschaftliche Realität auch ein entsprechendes Abbild in Recht und Gesetz fand. Das gilt gleichermaßen für unsere Verfassung, welche die Vielfalt in unserer Gesellschaft schützen und abbilden soll. Dies erkannten auch die Verfasserinnen und Verfasser des Grundgesetzes. Geprägt durch die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, verankerten sie in Artikel 1 nicht nur das Bekenntnis zur unantastbaren Würde des Menschen, sondern auch das Bekenntnis des Deutschen Volkes „zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt (Artikel 1 Absatz 2 GG).“ Diese Worte müssen entsprechend der geschichtlichen Einordnung, als klarer Auftrag verstanden werden. Der Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung gegenüber einzelnen Gruppen in der Gesellschaft ist unabdingbar.
Untermauert wird dieser Leitgedanke durch den Grundrechtskatalog in welchem entsprechend unantastbaren und individuellen Grundrechten aufgelistet sind. Von den Verfasserinnen und Verfassern damals nicht bedacht wurde die Gruppe der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*- und inter*Menschen (LSBTI*). So sahen sie sich auch nach der Niederschlagung des Dritten Reiches offener Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. Dabei kann die rechtliche Diskriminierung von LSBTI*-Menschen in der jungen Bundesrepublik keinesfalls mit der aktiven Verfolgung im Dritten Reich gleichgesetzt werden. Und doch offenbart ein Blick auf die ersten 20 Jahre der BRD und seine Rechtsgeschichte, eklatante Missstände. Unverändert galt beispielsweise bis zu einer ersten, kleinen Reform im Jahre 1969 der § 175 StGB („Unzucht zwischen Männern“). Das Grundgesetz bot der Gruppe der LSBTI*-Menschen für viele Jahre keinen ausreichenden Schutz vor Diskriminierung. Und auch wenn seit Bestehen der Bundesrepublik und Dank des unermüdlichen Einsatzes der LSBTI*-Community und einzelner herausragend mutiger Menschen, ein Großteil der Benachteiligungen abgebaut werden konnten, so muss dennoch festgestellt werden, dass die jahrzehntelange gesetzliche Diskriminierung von LSBTI* trotz des gesellschaftlichen Wandels noch lange nachwirkt.
Denn auch wenn die Vielfalt in Deutschland längst gesellschaftliche Realität ist, so darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass LSBTI* auch in Deutschland noch immer Benachteiligungen, Anfeindungen und nicht selten gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt sind. Zuletzt belegte dies die Antwort der Bundesregierung vom 4.8.2017 (BT-Drs.18/13255) auf die schriftliche Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion. Sie zeigt, auch in Deutschland stieg die Zahl der Übergriffe gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- und inter*-Menschen im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr an.
Ein entsprechend wichtiges und starkes Zeichen wäre es, die Rechte von LSBTI* als Menschenrechte anzuerkennen und im Grundgesetz zu verankern. Denn als Basis für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung bildet das Grundgesetz eine gesellschaftlich verbindliche Orientierungsleitlinien. Eine entsprechend Ergänzung des Gleichheitsgebot des Grundgesetzes (Artikel 3) um die Merkmale der sexuellen und geschlechtlichen Identität wurde von Bündnis 90/ Die Grünen bereits bei der Verfassungsreform 1994 vorgebracht. Leider erhielt dieser Vorschlag seinerzeit jedoch lediglich eine einfache, nicht aber die erforderliche 2/3 Mehrheit.
II.  Der Landtag stellt fest:
Der bisherige Gleichbehandlungsartikel (Art.3 GG) schützt Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- und inter*-Menschen nur unzureichend vor Benachteiligungen und Diskriminierung. LSBTI*-Rechte müssen durch die Einfügung des Kriteriums der "sexuellen und geschlechtliche Identität" zu einem festen Bestandteil der im Grundgesetz verankerten Grund- und Menschenrechte werden. Dies entspricht auch der in weiten Teilen der Gesellschaft gelebten Vielfalt und Akzeptanz und wäre angesichts der der Verfolgungsgeschichte im Dritten Reich, aber auch im Nachkriegsdeutschland der 1950er und 1960er-Jahre, geboten.
III.  Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1.     sich der Bundesratsinitiative der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Hamburg (Drs. 225/18) anzuschließen.
2.     die Geschichte der Verfolgung und Ausgrenzung von Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- und inter*-Menschen in Nordrhein-Westfalen nach der Gründung 1946 aufzuarbeiten.