Lebendige repräsentative Demokratie – mit dem Bürgerrat demokratische Teilhabe stär­ken

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD und Grünen im Landtag

Portrait Antje Grothus

I. Ausgangslage

Unsere Demokratie stellt die Einhaltung von Grund- und Menschenrechten sowie Rechtsstaat­lichkeit sicher. Demokratie ermöglicht Teilhabe nicht nur, sie lebt davon, dass sich Menschen an politischen Debatten und Entscheidungsprozessen beteiligen. Doch Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Besonders in Zeiten, in denen demokratische Gesellschaften auf die multiplen Krisen unserer Zeit reagieren müssen und demokratische Werte offen angegriffen werden, gilt es, unsere Demokratie als lebendiges und sich stets veränderndes Gut unserer Gesellschaft zu pflegen, weiterzuentwickeln und mehr Teilhabe zu ermöglichen. Hierfür sind Bürgerräte ein geeignetes Instrument, um unterschiedliche Perspektiven in politische Ent­scheidungsprozesse einzubeziehen.

Bürgerräte können die Akzeptanz und das Vertrauen in demokratische Prozesse stärken, in­dem sie repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger frühzeitig und vorbereitend in po­litische Entscheidungsprozesse einbeziehen. Auf diese Weise ergänzen und stärken sie die bestehenden Instrumente repräsentativer Demokratie deliberativ und ermöglichen politische Reaktionen. Indem sie möglichst repräsentativ die Lebenswirklichkeiten der Bürgerinnen und Bürger abbilden und einen geschützten Raum für Diskussionen und politische Auseinander­setzung schaffen, setzen sie der oft polarisierten öffentlichen Debatte eine sachorientierte und strukturierte Debatte entgegen und erreichen Menschen, die sich bisher möglicherweise wenig in politischen Entscheidungsprozessen engagiert haben. Diese auf Konsens und produktive Kooperation angelegte Diskussion zielt darauf ab, mit einer demokratischen Debattenkultur teils festgefahrene Situationen aufzulösen und Handlungsempfehlungen an das Parlament zu formulieren. Auf diese Weise können Bürgerräte Politikverdrossenheit entgegenwirken und helfen durch Dialog und Diskussion, parlamentarische Entscheidungen zu verbessern und auf eine breitere Basis zu setzen.

Beispiele für die erfolgreiche Umsetzung von Bürgerräten gibt es auf den unterschiedlichen politischen Ebenen, von der Kommune bis zur Bundesebene, inzwischen viele. Mit der Einset­zung eines Bürgerrats wird der Landtag von Nordrhein-Westfalen dieses Instrument nutzen, um Handlungsempfehlungen zu einem bestimmten Thema zu erhalten, eine sachorientierte Debattenkultur und damit unsere Demokratie zu stärken.

Für die Zusammensetzung des Bürgerrates ist es wichtig, dass ein repräsentativer Ausschnitt der Gesellschaft nach Zufallsprinzipien ausgewählt wird und ausgewählte Personen aktiv zur Teilnahme motiviert werden. Den Teilnehmenden sollen notwendige Informationen durch Ex­pertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis zur Verfügung gestellt werden. Die fach­liche Begleitung soll objektiv, überparteilich und umfassend gestaltet sein, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten. Wichtig für die Arbeit des Bürgerrats ist eine inhaltlich neutrale und professionelle Moderation sowie der Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Er­kenntnissen. Über den Verlauf der Beratungen des Bürgerrats soll in angemessener Form öffentlich berichtet werden, jedoch soll der geschützte Debattenraum zu jeder Zeit gewährleis­tet sein.

Gegenstand der Arbeit von Bürgerräten ist ein vorgegebenes Thema zu dem Handlungsemp­fehlungen beispielsweise durch ein Bürgergutachten erarbeitet werden. Die Ergebnisse des Bürgerrats sollen öffentlich zugänglich gemacht werden und in die politische Entscheidungs­findung einfließen, unter anderem indem sie im Plenum des Landtags diskutiert werden.

Um Erkenntnisse für die zukünftige Anwendung von Bürgerräten zu gewinnen, soll der Pro­zess wissenschaftlich begleitet, evaluiert und nachbereitet werden.

I. Beschlussfassung
Der Landtagstellt fest:

  • Bürgerräte können die Akzeptanz demokratischer Prozesse stärken, weil sie breite ge­sellschaftliche Gruppen in geschützten Räumen frühzeitig vorbereitend in politische Ent­scheidungsprozesse einbeziehen.
  • Bürgerräte bilden die Vielfalt der Bevölkerung ab und schaffen die Möglichkeit, Men­schen zu erreichen, die vorher nicht von Politik erreicht wurden.
  • Durch die Etablierung von Bürgerräten möchte Nordrhein-Westfalen den bereits in an­deren Ländern (auch auf internationaler Ebene) beobachteten Mehrwehrt auch im eige­nen Bundesland spürbar machen.

Der Landtag beschließt:

  • Der Landtag Nordrhein-Westfalen setzt im Jahr 2026 einen Bürgerrat zu einem konkre­ten Thema ein.
  • Dem Bürgerrat gehören 80 Personen an, die nach dem Zufallsprinzip aus allen Men­schen mit einem Lebensalter von mindestens 16 Jahren mit Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen ausgewählt werden. Hierbei ist eine ausgewogene Teilnahme im Hinblick auf soziokulturelle- und demografische Kriterien (Alter, Geschlecht, Herkunft, Gemeinde­größe, Bildungshintergrund) zu erreichen. Bei der Auswahl ist sicherzustellen, dass ein repräsentativer Ausschnitt der Bevölkerung unter Berücksichtigung u.a. von Lebensla­gen (z.B. Schichtarbeitende, Alleinerziehende), Diversität und Inklusion zufällig ausge­sucht wird.
  • Das Parlament ist rund um den Prozess der Themenfindung einzubeziehen.
  • Die notwendigen finanziellen Mittel zur Organisation und Durchführung eines Bürger­rates im Jahr 2026 sowie für eine Aufwandspauschale für die Teilnehmenden werden zur Verfügung gestellt.
  • Den Teilnehmenden des Bürgerrats werden die weiteren notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt.
  • Der Bürgerrat legt dem Landtag nach maximal zehnwöchiger Beratung mit Sitzungen in Präsenz und digital seine Handlungsempfehlungen zur Beratung vor. Zu den Hand­lungsempfehlungen findet eine Aussprache im Plenum statt. Die Handlungsempfeh­lungen werden an den zuständigen Ausschuss des Landtags zur Beratung überwiesen. Weitere Ausschüsse können an den Beratungen beteiligt werden. Die Ergebnisse des Bürgerrats werden angemessen veröffentlicht und zugänglich gemacht.
  • Der Bürgerrat wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert.