I. Ausgangslage
Unsere Demokratie stellt die Einhaltung von Grund- und Menschenrechten sowie Rechtsstaatlichkeit sicher. Demokratie ermöglicht Teilhabe nicht nur, sie lebt davon, dass sich Menschen an politischen Debatten und Entscheidungsprozessen beteiligen. Doch Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Besonders in Zeiten, in denen demokratische Gesellschaften auf die multiplen Krisen unserer Zeit reagieren müssen und demokratische Werte offen angegriffen werden, gilt es, unsere Demokratie als lebendiges und sich stets veränderndes Gut unserer Gesellschaft zu pflegen, weiterzuentwickeln und mehr Teilhabe zu ermöglichen. Hierfür sind Bürgerräte ein geeignetes Instrument, um unterschiedliche Perspektiven in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
Bürgerräte können die Akzeptanz und das Vertrauen in demokratische Prozesse stärken, indem sie repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger frühzeitig und vorbereitend in politische Entscheidungsprozesse einbeziehen. Auf diese Weise ergänzen und stärken sie die bestehenden Instrumente repräsentativer Demokratie deliberativ und ermöglichen politische Reaktionen. Indem sie möglichst repräsentativ die Lebenswirklichkeiten der Bürgerinnen und Bürger abbilden und einen geschützten Raum für Diskussionen und politische Auseinandersetzung schaffen, setzen sie der oft polarisierten öffentlichen Debatte eine sachorientierte und strukturierte Debatte entgegen und erreichen Menschen, die sich bisher möglicherweise wenig in politischen Entscheidungsprozessen engagiert haben. Diese auf Konsens und produktive Kooperation angelegte Diskussion zielt darauf ab, mit einer demokratischen Debattenkultur teils festgefahrene Situationen aufzulösen und Handlungsempfehlungen an das Parlament zu formulieren. Auf diese Weise können Bürgerräte Politikverdrossenheit entgegenwirken und helfen durch Dialog und Diskussion, parlamentarische Entscheidungen zu verbessern und auf eine breitere Basis zu setzen.
Beispiele für die erfolgreiche Umsetzung von Bürgerräten gibt es auf den unterschiedlichen politischen Ebenen, von der Kommune bis zur Bundesebene, inzwischen viele. Mit der Einsetzung eines Bürgerrats wird der Landtag von Nordrhein-Westfalen dieses Instrument nutzen, um Handlungsempfehlungen zu einem bestimmten Thema zu erhalten, eine sachorientierte Debattenkultur und damit unsere Demokratie zu stärken.
Für die Zusammensetzung des Bürgerrates ist es wichtig, dass ein repräsentativer Ausschnitt der Gesellschaft nach Zufallsprinzipien ausgewählt wird und ausgewählte Personen aktiv zur Teilnahme motiviert werden. Den Teilnehmenden sollen notwendige Informationen durch Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis zur Verfügung gestellt werden. Die fachliche Begleitung soll objektiv, überparteilich und umfassend gestaltet sein, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten. Wichtig für die Arbeit des Bürgerrats ist eine inhaltlich neutrale und professionelle Moderation sowie der Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Über den Verlauf der Beratungen des Bürgerrats soll in angemessener Form öffentlich berichtet werden, jedoch soll der geschützte Debattenraum zu jeder Zeit gewährleistet sein.
Gegenstand der Arbeit von Bürgerräten ist ein vorgegebenes Thema zu dem Handlungsempfehlungen beispielsweise durch ein Bürgergutachten erarbeitet werden. Die Ergebnisse des Bürgerrats sollen öffentlich zugänglich gemacht werden und in die politische Entscheidungsfindung einfließen, unter anderem indem sie im Plenum des Landtags diskutiert werden.
Um Erkenntnisse für die zukünftige Anwendung von Bürgerräten zu gewinnen, soll der Prozess wissenschaftlich begleitet, evaluiert und nachbereitet werden.
I. Beschlussfassung
Der Landtagstellt fest:
- Bürgerräte können die Akzeptanz demokratischer Prozesse stärken, weil sie breite gesellschaftliche Gruppen in geschützten Räumen frühzeitig vorbereitend in politische Entscheidungsprozesse einbeziehen.
- Bürgerräte bilden die Vielfalt der Bevölkerung ab und schaffen die Möglichkeit, Menschen zu erreichen, die vorher nicht von Politik erreicht wurden.
- Durch die Etablierung von Bürgerräten möchte Nordrhein-Westfalen den bereits in anderen Ländern (auch auf internationaler Ebene) beobachteten Mehrwehrt auch im eigenen Bundesland spürbar machen.
Der Landtag beschließt:
- Der Landtag Nordrhein-Westfalen setzt im Jahr 2026 einen Bürgerrat zu einem konkreten Thema ein.
- Dem Bürgerrat gehören 80 Personen an, die nach dem Zufallsprinzip aus allen Menschen mit einem Lebensalter von mindestens 16 Jahren mit Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen ausgewählt werden. Hierbei ist eine ausgewogene Teilnahme im Hinblick auf soziokulturelle- und demografische Kriterien (Alter, Geschlecht, Herkunft, Gemeindegröße, Bildungshintergrund) zu erreichen. Bei der Auswahl ist sicherzustellen, dass ein repräsentativer Ausschnitt der Bevölkerung unter Berücksichtigung u.a. von Lebenslagen (z.B. Schichtarbeitende, Alleinerziehende), Diversität und Inklusion zufällig ausgesucht wird.
- Das Parlament ist rund um den Prozess der Themenfindung einzubeziehen.
- Die notwendigen finanziellen Mittel zur Organisation und Durchführung eines Bürgerrates im Jahr 2026 sowie für eine Aufwandspauschale für die Teilnehmenden werden zur Verfügung gestellt.
- Den Teilnehmenden des Bürgerrats werden die weiteren notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt.
- Der Bürgerrat legt dem Landtag nach maximal zehnwöchiger Beratung mit Sitzungen in Präsenz und digital seine Handlungsempfehlungen zur Beratung vor. Zu den Handlungsempfehlungen findet eine Aussprache im Plenum statt. Die Handlungsempfehlungen werden an den zuständigen Ausschuss des Landtags zur Beratung überwiesen. Weitere Ausschüsse können an den Beratungen beteiligt werden. Die Ergebnisse des Bürgerrats werden angemessen veröffentlicht und zugänglich gemacht.
- Der Bürgerrat wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert.