Mit Hilfe der Staffelung der Start- und Landentgelte je nach der Lautstärke eines Flugzeugs sowie nach der Tageszeit des Starts oder der Landung können Flugunternehmen Anreize gesetzt werden, lärmärmere Fluggeräte einzusetzen und Flüge in weniger lärmempfindliche Tageszeiten zu verlagern.
Eine umfassende Status-Quo-Analyse der europäischen Start- und Landeentgeltsysteme durch das Öko-Institut im Auftrag des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2004 stellt jedoch nur eine geringe Anreizwirkung der bestehenden lärmabhängigen Entgeltsysteme fest. Ein wesentliches Problem liegt gemäß dieser Studie in der oft nur geringen Spreizung zwischen den lärmdifferenzierten Nutzungsentgelten. Die finanziellen Anreize für den Einsatz lärmarmer Flugzeuge fallen überwiegend zu gering aus, um eine nennenswerte Lenkungswirkung zu entfalten.
Die Studie kommt auch zu dem Ergebnis, dass die Lärmkomponente an den Start- und Landeentgelten in der Kostenstruktur der Unternehmen nur eine marginale Bedeutung einnimmt.
Die Ausgestaltung emissionsabhängiger Start- und Landeentgelte wird zudem durch den zu beachtenden rechtlichen Rahmen (Standards und Empfehlungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation, Richtlinie über Flughafenentgelte 2009/12/EG der Europäischen Union sowie das diese Vorgaben umsetzenden nationale Recht in § 19b Luftverkehrsgesetz) eingeengt.
Flughafenentgelte werden nach § 19b LuftVG in einer Entgeltordnung vom Flughafenbetreiber
– nach behördlicher Genehmigung – festgesetzt. Die Genehmigung zur Erhebung der in einer Entgeltordnung vorgesehenen Entgelte für die Nutzung der Einrichtungen und Dienstleistungen des Flughafens wird von den zuständigen Landesluftfahrtbehörden erteilt, sofern die Festsetzung nach geeigneten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien erfolgte.
Eine Staffelung der Start- und Landegebühren nach der Lautstärke der Flugzeuge muss aufkommensneutral sein. Daraus folgt, dass die Lärmzuschläge für laute Flugzeuge durch Abschläge auf leisere Flugzeuge auszugleichen sind. Die Lärmzuschläge müssen dabei verhältnismäßig sein und dürfen die Flughafennutzer nicht übermäßig, das heißt in Relation zu den vor Ort bestehenden Lärmproblemen, belasten.
Dennoch sehen CDU und FDP NRW laut ihrem Koalitionsvertrag in der Ausgestaltung der emissionsabhängigen Start- und Landeentgelte ein wesentliches Instrument zur Fluglärmbekämpfung. So heißt es im Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode: „Zur Verbesserung des Lärmschutzes werden wir insbesondere darauf hinwirken, dass der rechtliche Rahmen für die Spreizung lärmabhängiger Start- und Landeentgelte ausgeschöpft wird.“
In der seit dem 01.01.2017 gültigen Entgeltordnung „Aviation 2017 FMO Flughafen Münster/Osnabrück“ richtet sich die Höhe des Start- und Landeentgeltes nach der Gewichtsklasse (Höchstabflugmasse) und der Einstufung des Flugzeuges in Lärmkategorien (Einhaltung der Schallschutzanforderungen nach NfL I-134/99, Lärm-schutznachweis, Bonusliste u.a.). Anders als zum Beispiel an den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn erfolgt am Flughafen Münster/Osnabrück allerdings keine Staffelung der Lärmzuschläge nach Tag und Nacht.
Die Entgeltordnung am Flughafen Münster/Osnabrück kennt auch keine emissionsabhängigen Entgelt-Zuschläge abhängig vom Stickoxid-Ausstoß der Flugzeuge, wie es sie an den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn gibt. Am Düsseldorfer Flughafen beträgt das emissionsabhängige Entgelt pro Emissionswert 1,50 Euro je Landung und je Start. Der Emissionswert ist dabei das von einem Luftfahrzeug ausgestoßene Stickstoxidäquivalent je Kilogramm im standardisierten Lande- und Startvorgang. Die notwendigen Angaben zu Luftfahrzeug- und Triebwerkstypen werden dabei anhand einer anerkannten Flottendatenbank ermittelt.
In der seit dem 01.01.2017 gültigen Entgeltordnung für den Flughafen Frankfurt werden Nachlässe bei den Start- und Landeentgelten für Maßnahmen des aktiven Schallschutzes gewährt. So wird die Nachrüstung von Flugzeugen der A320-Familie mit so genannten Wirbelgeneratoren für Fluggesellschaften finanziell belohnt. Überflugmessungen haben gezeigt, dass die Wirbelgeneratoren störende Pfeifgeräusche unterbinden und den Gesamtschallpegel des Flugzeugs, insbesondere bei der Landung, deutlich reduzieren. Die Entgeltordnung 2017 für den Flughafen Frankfurt sieht vor, dass A319-, A320- und A321- Flugzeuge um bis zu 40 Prozent geringere Gebühren zahlen, wenn sie nachweislich mit einem Wirbelgenerator nachgerüstet wurden.
Die Entgeltordnung des Flughafens Frankfurt belohnt außerdem die technische Umrüstung auf satellitengestützte Navigationssysteme, wodurch perspektivisch lärmärmere Anflugverfahren ermöglicht werden. So setzt die Entgeltordnung finanzielle Anreize für den Einsatz von Flugzeugen, die mit dem satellitengestützten Präzisionsanflugverfahren „Ground Based Argumentation System“ (GBAS) ausgestattet sind und dieses aktiviert haben. Mit GBAS können Anflüge am Frankfurter Flughafen mit einem höheren Gleitwinkel durchgeführt werden. Langfristig könnten damit auch Siedlungsschwerpunkte umflogen werden.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Welche konkreten Änderungen sollten nach Auffassung der Landesregierung bei der neuen Entgeltordnung für den Flughafen Münster/Osnabrück vorgenommen werden, um eine stärkere Lenkungswirkung zur Lärmreduktion zu entfalten?
- Inwieweit nimmt das NRW-Verkehrsministerium aktiv Einfluss bei der Ausgestaltung der emissionsabhängigen Start- und Landeentgelte am Flughafen Münster/Osnabrück, um das Ziel des Koalitionsvertrages der Ausschöpfung des rechtlichen Rahmens für die Spreizung lärmabhängiger Start- und Landeentgelte zu verwirklichen?
- Setzt sich die Landesregierung am Flughafen Münster/Osnabrück dafür ein, dass – wie am Flughafen Düsseldorf und Köln/Bonn – emissionsabhängige Entgelt-Zuschläge abhängig vom Stickoxid-Ausstoß der Flugzeuge eingeführt werden?
- Unterstützt die Landesregierung am Flughafen Münster/Osnabrück die Einführung einer Anreizregelung zur Nachrüstung von Flugzeugen der A320-Familie mit so genannten Wirbelgeneratoren nach dem Vorbild der Entgeltordnung 2017 für den Flughafen Frankfurt, nach der A319-, A320- und A321-Flugzeuge um bis zu 40 Prozent geringere Gebühren zahlen müssen, wenn sie nachweislich mit einem Wirbelgenerator nachgerüstet wurden?
- Unterstützt die Landesregierung die Schaffung finanzieller Anreize in der Entgeltordnung des Flughafens Münster/Osnabrück für die technische Umrüstung auf satellitengestützte Navigationssysteme, wodurch perspektivisch lärmärmere Anflugverfahren ermöglicht werden?