Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten wegen des Vorwurfs der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche beenden

Antrag der Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Portrait Josefine Paul

I.         Ausgangslage

Gem. § 13 Absatz 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz ist das Land Nordrhein Westfalen verpflichtet, ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen. Gleichzeitig spricht das Gesetz den betroffenen Frauen und Männern ein umfassendes Recht auf Beratung zu. Neben den hierfür spezialisierten Beratungsstellen, sind auch Ärztinnen und Ärzte zur umfassenden und fachlich fundierten Information verpflichtet. Richtigerweise erhalten die Frauen auf diesem Wege nicht nur weitreichende Informationen über die Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, sondern auch über die physischen und psychischen Folgen und Risiken.
Das Recht ungewollt schwangerer Frauen auf eine umfassende Information über Schwanger- schaftsabbrüche steht allerdings im Widerspruch zum § 219a des Strafgesetzbuchs (StGB). Ärztinnen und Ärzte dürfen unter den Bedingungen des § 218 StGB Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, diese Leistung jedoch entsprechend Strafgesetzbuch nicht als solchen „bewerben“. Das sogenannte "Werbeverbot" in § 219a StGB ist bereits dann erfüllt, wenn jemand "öffentlich" und "seines Vermögensvorteils wegen" "eigene oder fremde Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs" anbietet. Darunter fällt bereits das öffentliche zur Verfügung stellen von Informationen. Bei Ärztinnen und Ärzten, die von ihren medizinischen Dienstleistungen leben, wird daher auch der Beweggrund des eigenen Vermögensvorteils in der Regel als gegeben angesehen.

Folgen der widersprüchlichen Rechtslage

Diese Erfahrung musste zuletzt auch eine Ärztin aus Gießen machen, die am 24. November vor dem Amtsgericht Gießen erscheinen musste. Wie vielen anderen Ärztinnen und Ärzte in NRW wurde auch ihr ein Verstoß gegen §219a StGB vorgeworfen. Sie hatte in einer PDF- Datei die Unterschiede zwischen medikamentösem und chirurgischem Schwangerschaftsbruch und mögliche Nebenwirkungen erklärt. In diesem Fall war die Initiative „nie wieder e.V.“ Anzeigenerstatter. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die entsprechenden Strafanzeigen in aller Regel von gut organisierten Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern gestellt werden, welche die widersprüchliche Rechtslage gezielt nutzen. Im genannten Fall verurteilte das Gericht die Ärztin wegen des Werbens für den Abbruch von Schwangerschaften (§219a StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro.
Da in der Ärzteschaft allgemein bekannt ist, dass Abtreibungsinitiativen schon einige wenige Informationen vor allem im Internet nutzen, um Strafanzeige zu erstatten, verzichten viele Ärztinnen und Ärzte auf den Hinweis, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Dies schränkt das Informationsrecht der betroffenen Frauen in erheblicher Weise ein. Statt fachlich fundierter Informationen zum Thema Abtreibung finden Frauen in dieser besonderen Ausnahmesituationen im Internet eine Vielzahl an Webseiten von radikalen Abtreibungsgegner*innen, samt ihren unangemessenen Vergleichen und Fehlinformationen.
Eine Streichung des veralteten § 219a ist überfällig. Der Paragraph ist ein Relikt aus dem Jahr 1933. Damals waren alle Schwangerschaftsabbrüche noch strafbar, ab 1943 wurden sie sogar mit der Todesstrafe bestraft. Auch nach heutiger Rechtsprechung sind Abtreibungen in Deutschland weiterhin rechtswidrig. Im Sinne des weiblichen Selbstbestimmungsrechts bleiben Abtreibungen aber in bestimmten Situationen straffrei. Neben medizinischen oder kriminologischen Gründe, können schwangere Frauen in den ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis, und nach fundierter Beratung in einer staatlich anerkannten Stelle, abtreiben. Entsprechend folgerichtig wäre es, wenn Ärztinnen und Ärzte endlich auch straffrei darauf hinweisen können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Dies betrachtet im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht als angemessen und begründet dies im Jahr 2006 folgendermaßen: „Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt ohne negative Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können."

II.       Beschluss

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. Das umfassende Informationsrecht von Frauen über Schwangerschaftsabbrüche nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz zu gewährleisten und auf die Möglichkeit der rechtssicheren Informationsweitergabe durch Ärztinnen und Ärzte hinzuwirken.
  2.  sich mit einer Gesetzesinitiative über den Bundesrat für die Aufhebung oder umfassenden Änderung des § 219a StGB einzusetzen, um Frauen einen freien Zugang zu sachlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zu ermöglichen.