Kommunale Wärmewende vorantreiben

Antrag der GRÜNEN im Landtag

  1. Ausgangslage

Es ist die zentrale globale Herausforderung der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts den Ausstoß der menschengemachten CO2– Emissionen bis zum Jahr 2050 zu beenden, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Mit dem Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 hat sich die Welt dieses, möglichst sogar die Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius, als verbindliches Ziel gesetzt. Durch die Erhöhung europäischer und nationaler Emissionsziele ist es noch möglich auf diesen Pfad zu gelangen, wenn gleichzeitig nationale wie regionale Klimaschutzstrategien, wie das Klimaschutzgesetz und der Klimaschutzplan NRW, diese Ziele aufnehmen und einen ambitionierten Weg zur Umsetzung vorzeichnen.

Sowohl die EU, als auch die Bundesregierung haben für den Gebäudesektor einen CO2-Minderungspfad bis 2050 beschrieben. So sollen die Emissionen im Gebäudesektor bundesweit bis 2030 um 67% gesenkt werden, bis 2050 soll der gesamte Gebäudebestand in Deutschland klimaneutral sein. Der 2015 verabschiedete Klimaschutzplan NRW beschreibt über diese reinen Zielvorgaben hinaus mehr als 20 konkrete Maßnahmen, mit welchen der Gebäudebestand in NRW bis 2050 klimaneutral werden kann.

Die Umsetzung der Maßnahmen bleibt bis heute weit hinter den Zielsetzungen zurück. Denn nicht nur die energetische Erneuerung unseres Gebäudebestandes und damit die Reduzierung des Energiebedarfes stockt seit Jahren. Auch die Umstellung der Wärmeerzeugung NRWs kommt trotz einiger Erfolge im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung nicht recht vom Fleck. Und das, obwohl Nordrhein-Westfalen aufgrund seiner besonderen Struktur von Ballungsräumen und seiner Dichte an energie- und damit wärmeintensiven Industrien in diesem Bereich über die wohl größten Potentiale aller Flächenländer verfügt.

Energetische Sanierungsquote stagniert bei unter einem Prozent

Knapp 2,7 Millionen Wohngebäude in NRW wurden vor 1980 errichtet. Damit wurde mehr als zwei Drittel des Wohngebäudebestands vor der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 gebaut, gerademal rund 100.000 Wohngebäude entstanden nach der neuesten Energieeinsparverordnung aus 2013. Um den Gebäudebestand an die Anforderungen des Pariser Abkommens anzupassen, wäre eine Sanierungsquote von rund drei Prozent des Altbestandes pro Jahr, auf ein ambitioniertes Energieeffizienzniveau, notwendig. NRW erreicht bis heute nicht einmal ein Prozent.

Dabei sind die Gründe für diese schleppende Entwicklung seit Jahren bekannt: Fehlende steuerliche Anreize, fehlende Investitionen in die kommunale Infrastruktur und eine viel zu bürokratische Förderlandschaft, die im Wesentlichen auf eine Kreditförderung setzt und darum in der anhaltenden Tiefzinsphase nahezu jede Wirkung verloren hat.

Die Landesregierung lässt jede Motivation und Inspiration vermissen

Angesichts der enormen volkswirtschaftlichen Potentiale, die gerade im Gebäudesektor liegen, bleibt es vollkommen unverständlich, dass die Landesregierung hier bislang rein gar nichts „entfesselt“ hat, weder die Handlungsfähigkeit der Kommunen, noch die Investitionsbereitschaft der Immobilienbesitzerinnen und -besitzer. Anstatt die Kommunen in NRW konzeptionell und finanziell bei der klimafreundlichen Modernisierung ihrer Gebäudebestände und Quartiere zu unterstützen, hat die schwarz-gelbe Landesregierung die frühere Landesförderung für eine aktive Quartiersentwicklung zugunsten ihres Heimatförderprogramms gestrichen.

Im April 2019 legten die Landesregierungen von NRW und Bayern ein gemeinsames Eckpunktepapier zur Steigerung der Sanierungsquote vor, von der sagenhaften Länge einer DIN A4-Seite. Darin enthalten acht Forderungen zur steuerlichen Sanierungsförderung, die bereits seit Jahren diskutiert wurden und nun seit Anfang 2020 umgesetzt werden. Die Wirkung dieser Maßnahmen bleibt jedoch hinter den Erfordernissen zurück.

Zwar konnte die steuerliche Absetzbarkeit für energetische Sanierungsmaßnahmen auf bis zu 30 % über drei Jahre wesentlich verbessert werden, jedoch wurde die Förderung sowohl für Steuererstattungen, als auch für Investitionskostenzuschüsse auf 40.000 € gedeckelt. Insbesondere für den Mietwohnungsbau ist dieser Deckel vollkommen unzureichend. Gleiches gilt für die Begrenzung der Förderung auf zehn Jahre. Diese Einschränkungen machen deutlich, dass die Regierungen im Bund und in NRW die Dimension der Herausforderung bis heute nicht verstanden haben.

Es genügt längst nicht mehr, Investitionen in den Gebäudebestand einmalig anzukurbeln. Damit auch zukünftige technologische Fortschritte bei Energieerzeugung und Energieeffizienz schnell in den Bestand implementiert werden, müssen sich die Reinvestitionszyklen dauerhaft verkürzen. Degressive Abschreibungsmodelle für energetische Sanierungsmaßnahmen müssen daher dauerhaft und verlässlich fester Bestandteil des Steuerrechtes bleiben. Dies erhöht nicht nur die Investitionsbereitschaft, sondern auch die betriebswirtschaftlichen Anreize für die Wirtschaft, ihre Produktinnovationszyklen zu verkürzen.

Wichtiger noch, als eine wirksame steuerliche Absetzbarkeit ist aber die Neuausrichtung und vor allem die Entbürokratisierung der Investitions- und Förderlandschaft. Neben der dringend notwendigen Vereinfachung von Mieterstrommodellen, der Unterstützung gemeinwohlorientierter Marktakteure wie Bürgerenergie- und Wärmegenossenschaften und einer investitionsfreundlichen Reform des EEG, muss auch die Kreditförderung der öffentlichen Banken grundlegend reformiert werden. Da selbst der Verzicht auf einen Kreditzins im derzeitigen Marktumfeld kaum Wirkung zeigen würde, müssen bei der Sanierungsförderung endlich neue Wege beschritten werden.

So könnte der Effekt degressiver Abschreibungsmöglichkeiten durch eine Flexibilisierung der bislang eher starren Annuitätenkredite verstärkt werden. Staatliche Garantien, mehr Freiheiten bei der Tilgung, längere und flexiblere Laufzeiten und die Ausweitung und direkte Absicherung von Contracting-Modellen zur Stärkung der Reinvestitionstätigkeit könnten die Nachfrage nach den Fördermodellen der KfW oder NRW.Bank erheblich steigern.

Für die Wärmewende bleibt es die Grundvoraussetzung, allen Akteuren und Akteurinnen die richtigen Anreize an die Hand zu geben. Unumgänglich bleibt eine CO2-Bepreisung die langfristig und planbar Lenkungswirkung entfaltet. Dazu reicht die im Brennstoffemissionshandelsgesetz festgelegte Preisentwicklung in den kommenden Jahren nicht aus, sondern muss weiter erhöht werden. Dabei soll eine CO2 Bepreisung keine soziale Schieflage erzeugen. Deshalb bleibt der Vorschlag aktuell, dass die Einnahmen direkt für die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und für wirksamen Klimaschutz in der Wirtschaft verwendet werden: Durch eine Senkung der Stromsteuer und durch ein Energiegeld Pro-Kopf, welches direkt an die privaten Haushalte zurückerstattet wird.

Die Erzeugung von Wärme und Kälte muss klimaneutral werden

Neben der flächendeckenden Verbesserung der Energieeffizienz, ist das Gelingen einer umfassenden Wärmewende, also der Umstieg auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung, die zweite entscheidende klimapolitische Aufgabe auf dem Gebäudesektor. Die notwendigen Antworten hier sind gleichwohl noch wesentlich komplexer, die Herausforderung insbesondere für die Stadtentwicklungspolitik noch größer. Rund 22 Millionen private, gewerbliche, soziale, zivilgesellschaftliche und öffentliche Gebäude werden in Deutschland jeden Tag beheizt, gekühlt und mit Strom und Warmwasser versorgt, hinzu kommen industriell genutzte Gebäude. Vermieterinnen und Vermieter entscheiden über die Wärmeversorgung in den vermieteten Gebäuden, daher muss sichergestellt werden, dass die CO2-Bespreisung nicht auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt wird und damit die Lenkungswirkung in weiten Bereichen konterkariert wird.

Dabei wird die Liste der Möglichkeiten für eine klimaneutrale Wärmeversorgung stetig länger: Neben Solarthermie und dem zwar nachwachsenden, aber flächenintensiven und vielseitig nachgefragten Energieträger Holz haben sich in den vergangenen Jahren vor allem immer effizientere, mit regenerativem Strom betriebene Wärmepumpen, die Umgebungswärme oder Geothermie verfügbar machen als echte Alternative entwickelt.

Landesregierung muss auf kommunale Wärmeplanung setzen

Der CO2-neutrale Umbau unserer Wärmeversorgung erfolgt bislang häufig mit liegenschafts- oder sogar einheitsbezogenen Ansätzen. Nicht nur Eigentümerinnen und Eigentümer von Einfamilienhäusern, sondern auch Vermieterinnen und Vermieter von Etagenwohnungen, Gewerbetreibende, Vereine und selbst die öffentliche Hand kämpfen sich buchstäblich von Haus zu Haus/ Wohnung zu Wohnung und ersetzen alte Zentral- oder Etagenheizungen. Im besten Fall durch CO2-neutrale Alternativen, meist jedoch durch Neugeräte mit besseren Wirkungsgraden, aber weiterhin fossilen Energieträgern. Angesichts der enormen Zahl von Liegenschaften und Bestandsgebäuden in unterschiedlicher Eigentümer- und Trägerschaft erinnert dieser Ansatz unweigerlich an Sisyphus.

Die schwarz-gelbe Landesregierung verfolgt dennoch diese Strategie und wälzt die Verantwortung auf einzelne Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer ab.

Das neueste „Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung Erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden“ (Gebäudeenergiegesetz – GEG) welches am 01.11.2020 in Kraft getreten ist bringt auch keine Fortschritte für die Wärmewende. Es führte die Regelungen des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG), der Energieeinsparverordnung (EnEV) und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) in einem Gesetz zusammen überlässt aber weiterhin den Eigentümerinnen und Eigentümern sich Verbündete für gemeinsame Wärmenetze zu suchen.

Auch der großspurig angekündigte Pakt „Prima.Klima.Wohnen“, bei dem es sich bislang um nichts anderes handelt, als eine Absichtserklärung auf Hochglanzpapier, schafft es nicht, diesen Betrachtungshorizont zu weiten. Nach allem, was bislang vorliegt, bleibt es im Wesentlichen beim erneuten Versuch Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer zum Austausch alter Heizanlagen zu bewegen. Gleichzeitig verlängert der Austausch alter Ölheizungen – insbesondere im Ruhrgebiet auch von Kohleöfen – und alten Nachtspeicherheizungen das fossile Zeitalter am Ende sogar.

Dabei bietet sich aktuell wieder ein Möglichkeitsfenster den Austausch der Heizanlagen zu diskutieren. Die sogenannte Marktraumumstellung (MRU) ist 2015 angelaufen und hat zum Ziel, bis 2030 sukzessive Netzgebiete im Nordwesten und Westen Deutschlands auf den Transport eines anderen Erdgases umzustellen. Das Erdgas der Gruppe L wird abgelöst durch Erdgas der Gruppe H. Damit ändert sich in dem Netzgebiet die Gasbeschaffenheit und es ist notwendig, das Netz und die Gasverbrauchsgeräte in allen betroffenen Haushalten und im Gewerbe- und Industriesektor nach und nach umzustellen bzw. anzupassen. An dieser Stelle sollte nicht nur die Frage gestellt werden, welche Gasgruppe man bezieht, sondern wie zukünftig die Wärmeerzeugung in der Kommune oder dem Quartier ausgestaltet werden soll. Damit jetzt nicht Geräte eingebaut werden, die den Nachhaltigkeitszielen einen Tag später schon wieder im Wege stehen.

Strukturelle Ansätze in Form von kommunaler Wärmeplanung versprechen nicht nur in den dicht bebauten Ballungsräumen, sondern auch in ländlichen Kommunen und Regionen wesentlich schneller und nachhaltiger Erfolg. In NRW beschränken sich solche strukturellen Ansätze auf Nah- und Fernwärmenetze, meist dort, wo zufällig industrielle Abwärme anfällt oder eine Auskopplung aus der Stromerzeugung oder Verbrennungsanlagen vorgenommen werden kann. In der Fläche betrachtet, bleibt das Potential von Kraft-Wärme-Kopplung, aber auch der effizienten Abwärmenutzung, weitestgehend ungehoben.

Ein positives Beispiel in NRW ist das Projekt InnovationCity Ruhr in Bottrop. Dort wurde mit einem Sonderförderprogramm des Landes ein industriell geprägtes Stadtquartier umfassend energetisch saniert. Konkret sollten die CO2-Emissionen um 50 Prozent verringert und zugleich die Lebensqualität gesteigert werden. So konnten durch die kommunale Unterstützung, zentrale Planung und gute Beratungsangebote in den vergangenen 10 Jahren jährlich 3,3 Prozent der Gebäude energetisch saniert werden. Doch das Projekt bleibt trotz des begonnenen „Roll-out“ auf zwanzig weitere Quartiere eine Ausnahmeerscheinung. Landesweit verfügen nur 41 Kommunen über kommunale Wärmeplanungen. Die anderen Kommunen in NRW können angesichts knapper Kassen nur neidisch auf diesen Leuchtturm blicken.

Kommunen in NRW haben einmal mehr das Nachsehen

Neben einem steigenden CO2-Preis, steuerlichen Anreizen und adäquaten Förderinstrumenten müssen die Kommunen als wichtigster Akteur mit zielgerichteten Instrumenten unterstützt werden. In Nordrhein-Westfalen bleiben sie aber bis heute sowohl finanziell, als auch konzeptionell vollkommen auf sich gestellt. In Ermangelung eines nordrhein-westfälischen Konzeptes, sah sich die Energieagentur.NRW im Jahr 2019 genötigt, in anderen Bundesländern Ausschau zu halten, um den nordrhein-westfälischen Kommunen Tipps zur kommunalen Wärmeplanung an die Hand geben zu können.

Fündig wurde sie in Niedersachsen, aber beispielsweise auch die Länder Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein sind hier wesentlich weiter, als NRW. So hat Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren zunächst ein zentrales Informations- und Konzeptionsnetzwerk geschaffen und verpflichtet nun im Rahmen einer Novelle des Klimaschutzgesetzes zunächst

größere Gebietskörperschaften zu einer kommunalen Wärmeplanung. Es werden auch kommunale Wärmekonzepte bis hin zur konkreten Planung und Umsetzung von Förderbanken unterstützt. Die KfW fördert heute bis zu 65% der Kosten. Neben der konzeptionellen Unterstützung, stocken (im Gegensatz zu NRW) Länder wie z.B. Niedersachsen diese KfW-Förderung auf 85% auf. So sind dort auch kleinere Städte und Gemeinden in der Lage kommunale Wärmeplanung zu betreiben.

Wärmeversorgung braucht Planung und Strukturen vor Ort.

Es erscheint paradox: Während unsere heimische Energiewende auf dem Stromsektor neben großen Offshore-Windparks vor allem durch Investitionen in dezentrale Erzeugungsstrukturen vorangetrieben werden muss, müssen wir auf dem Wärmesektor verstärkt in die Gegenrichtung steuern. Um die Deckung des Wärmebedarfs im gewachsenen Gebäudebestand ausreichend schnell klimaneutral zu ermöglichen und um dabei heute wie morgen ressourcenschonend und wirkungsvoll zu sein, müssen Nah- und Fernwärmenetze flächendeckend aus- bzw. zugebaut werden und mit geeigneten industriellen Wärmeemittenten und/ oder anderen Erzeugern vernetzt werden.

Dabei ist die Frage des Netzausbaus ebenso wenig nach „Schema F“ zu lösen, wie die Frage der Wärmezeugung. Wärmenetze werden heute vorwiegend aus der Abwärme von Kraftwerken, aus der Metallerzeugung oder der Müllverbrennung gespeist. Die zu wenigen Blockheizkraftwerke, die heute bereits ganze Quartiere unabhängig von externer Abwärme versorgen, verfeuern noch viel zu oft fossile Brennstoffe. Diese Grundlagen der zentralen Wärmenetze werden sich aber in den kommenden Jahrzehnten stark verändern: Alte Großkraftwerke gehen vom Netz oder werden durch effizientere (Synthese-)gasturbinen ersetzt. Der bloße Ersatz von Kohle durch Erdgas ist unter Klimaschutzgesichtspunkten jedoch nicht ausreichend. Bereits heute muss der Umstieg auf eine erneuerbare Nah- und Fernwärme wo immer möglich umgesetzt, zumindest aber in den Planungen vorbereitet werden. In der Metallerzeugung und anderen Quellen industrieller Abwärme wird man aufgrund steigender Kosten in Zukunft stärker an der effizienten Ausnutzung der eigenen Energieträger arbeiten. Die zur Verfügung stehende Abwärme wird sich langfristig reduzieren. Es gilt daher bestehende Abwärmepotenziale bestmöglich auszunutzen und gleichzeitig einen klimaneutralen Ersatz für diese Wärmequelle mitzudenken.

Für zentrale Wärmeplanung braucht es in den Verwaltungen und kommunalen Unternehmen auch ausreichend und qualifiziertes Personal. Hierzu müssen einerseits die Kommunen endlich ausreichend finanziell ausgestattet sein. Andererseits muss sich die Lehre auch an den nordrhein-westfälischen Hochschulen in dem Bereich stetig weiterentwickeln.

Kommunaler Einfluss auf den Klimaschutz vor Ort muss gestärkt werden

Vor dem Hintergrund der enormen Investitionen, langen Planungszeiträume und dem im Bestand immer höheren Umsetzungsaufwand, müssen also insbesondere auf die Frage der Wärmeerzeugung langfristig belastbare Antworten gefunden und umgesetzt werden.

Vorreiter in der Energiewende ist das Land Dänemark. Wärmeplanung ist hier seit 1979 für jede Kommune gesetzlich verpflichtend. Die meisten geschlossenen Ortschaften sind dadurch schon an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Die Wärmenetze sind überwiegend in der Hand von Genossenschaften. Somit sorgen die Wärmekunden selbst für den dynamischen Ausbau der Nah- und Fernwärmenetze.

Seit Anfang 2013 ist in Neubauten der Einbau von Öl- und Erdgasheizungen verboten, seit 2016 gilt dies auch für Bestandsgebäude. Außerdem legte die Regierung 2018 im „Energie-Übereinkommen“ fest, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen.

Es ist weder volkswirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll, in neue klimafreundliche Infrastrukturen zu investieren, wenn nicht gleichzeitig sichergestellt wird, dass diese Infrastrukturen auch wirtschaftlich betrieben und flächendeckend genutzt werden. Ohne ordnungsrechtliche Vorgaben, wie Anschlusszwänge, zielgenaue und sozial ausgewogene Beitrags- und Gebührensatzungen und die Anwendung planungsrechtlicher Instrumente bleiben die kommunalen und regionalen Infrastrukturträger auf die Einzelentscheidungen der Eigentümerschaft angewiesen. Ein wichtiger, ergänzender Schritt wäre es, die Wärmeversorgung der allgemeinen Daseinsvorsorge auch rechtlich zuzuordnen. Ziel muss es sein, in den nächsten 10 Jahren die planerische Grundlage für Investitionen in allen Kommunen zu schaffen. Dies schließt die Option ein, für geeignete Stadtteile und Quartiere den Anschluss von gemeinschaftlicher Wärmeversorgung festzuschreiben.

Wärmeversorgung als Zukunftsmarkt für kommunale Versorger

Die kommunale Wärmeplanung umzusetzen ist in Deutschland nicht denkbar ohne eine aktive Rolle der kommunalen Ver- und auch Entsorgungsunternehmen einerseits und der kommunalen Verbünde und Partnerschaften andererseits. Das europäische Wettbewerbsrecht stellt unsere kommunalen Unternehmen aufgrund ihrer europaweit einzigartig starken Stellung vor besondere Schwierigkeiten. Um die europäischen Klimaschutzziele zu erreichen, müssen die Rahmenbedingungen insbesondere für die kommunalen Unternehmen verbessert werden, indem die klimafreundliche Wärmeversorgung in den Bereich der Daseinsvorsorge integriert wird. Dies gilt insbesondere für Ausschreibungsmodalitäten, für De-minimis-Grenzen, für steuerliche Bewertungen sowie die Notifizierungserfordernisse im Rahmen des Beihilferechts und die Anwendung des Wettbewerbsrechts.

Gelingt dies, können unsere kommunalen Unternehmen nicht nur ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Sie erhalten auch neue Zukunftsperspektiven, die nicht wenigen kleinen Stadtwerken durch die Deckelung der Erneuerbaren, eine falsche Netzpolitik und die fehlende politische Unterstützung gegen die wachsende Marktmacht der großen Stromkonzerne – von denen in NRW vor allem E.ON verstärkt in die kommunalen Netze drängt und als Teilhaber in der Nachfolge von RWE droht, viele Stadtwerke zu reinen Netzdienstleistern zu degradieren – genommen wurde.

  1. Der Landtag stellt fest:
  • Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssen Deutschland und Nordrhein-Westfalen ihren überproportionalen Treibhausgasausstoß schnell auf allen Sektoren reduzieren und die Klimaneutralität deutlich vor 2050 erreichen.
  • Neben der Frage der Energieeffizienz ist für den Gebäudesektor dabei die klimaneutrale Erzeugung von Wärme (und Kälte) eine zentrale Gelingensbedingung.
  • Der bisherige maßgeblich objekt- bzw. liegenschaftsbezogene Ansatz der Landesregierung kann in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht allein zum Erfolg führen.
  • Stattdessen müssen die Anstrengungen der einzelnen Immobilieneigentümerinnen und – eigentümer durch eine langfristig angelegte kommunale Wärmeplanung ergänzt werden, die neben dem notwendigen Aus- und Zubau kommunaler Wärmenetze auch die klimaneutrale Wärmeerzeugung als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge festschreibt.
  • Das Land steht in der Verantwortung die Kommunen in NRW strukturell, konzeptionell und finanziell in die Lage zu versetzen, dieser Verantwortung dauerhaft nachkommen zu können.

III. Der Landtag beauftragt die Landesregierung:

  1. Nach den Vorbildern des Landes Niedersachsen und Baden-Württemberg einen Leitfaden

für die Konzeption, Erstellung und Umsetzung kommunaler Wärmepläne zu entwickeln, herauszugeben und permanent fortzuschreiben.

  1. Die bestehenden Förderprogramme der KfW zur Unterstützung kommunaler Wärmepläne
    nach dem Vorbild anderer Bundesländer aus Landesmitteln auf 85% der förderfähigen Investitionen aufzustocken.
  2. In Zusammenarbeit mit der Energieagentur.NRW, den kommunalen Spitzenverbänden und weiteren Partnern ein landesweites Netzwerk „Wärmewende NRW“ zu entwickeln, welches sowohl als Informations-, Kommunikations- und Datenplattform dient, als auch technische und planerische Unterstützungsangebote für kommunale Planungsträger bündelt.
  3. Die Forschungs- und Entwicklungsförderung im Bereich „klimaneutrale Wärmeerzeugung
    und intelligenter Wärmenetze“ dauerhaft zu intensivieren und hierzu mit der NRW.Bank einen offenen Forschungs- und Entwicklungs-Förderfonds aufzulegen, der auch privaten und kommunalen Unternehmen ermöglicht, schneller an technischen Innovationen teilzuhaben und diese im Markt zu implementieren.
  4. Die Vermittlung der Kompetenzen für eine kommunale Wärmeplanung in einschlägigen Studiengängen der Stadtplanung an nordrhein-westfälischen Hochschulen sicherzustellen und dazu die Hochschulen mit den erforderlichen Mitteln auszustatten.
  5. Die kommunale Planungshoheit zu stärken und Einflussmöglichkeiten auf die gebietskörperschaftliche Wärmeversorgung auszubauen, durch
    a. Ergänzungen des Klimaschutzgesetzes NRW, mit dem Ziel Städte und Gemeinden zu einer kommunalen Wärmeplanung, inkl. Investitionsplanung und Beratungsangeboten anzuhalten. Die Planungen sollen spätestens alle fünf Jahre nach der jeweiligen Erstellung unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklungen fortgeschrieben werden. Für die jeweiligen kommunalen Wärmeplanungen ist ein finanzieller Ausgleich für Städte und Gemeinden einschließlich eines Verteilungsschlüssels in die Rechtsverordnung aufzunehmen.
    b. eine Novelle der Gemeindeordnung NRW, mit dem Ziel, erweiterte Möglichkeiten, den Anschluss an gemeinschaftliche Wärmeversorgung festzuschreiben und durchzusetzen.
    c. eine Nutzung der anstehenden Novelle der Landesbauordnung und des Landesplanungsgesetzes NRW, mit dem Ziel, den Kommunen die Möglichkeit zu geben, mittels kommunaler Satzungen rechtssicher Einfluss auf ihre Bauplanung zu nehmen.
  6. Den Einfluss des größten deutschen Bundeslandes auf Bundesebene endlich wieder geltend zu machen und sich nachdrücklich für
    a. eine grundlegende Reform der KFW-Förderung einzusetzen, mit dem Ziel die Förderinstrumente so zu flexibilisieren, auszubauen, zu ergänzen und zu entbürokratisieren, dass sie trotz des anhaltenden Niedrigzinsumfelds Investitionsanreize setzen.
    b. eine dauerhafte und dadurch planbare steuerliche Förderung von Investitionen in die Energieeffizienz und eine klimafreundliche Wärme- und Kälteversorgung von Bestandsgebäuden, u.a. durch dauerhaft degressive Abschreibungsmodelle einzusetzen.
    c. die bundesgesetzliche Verankerung der Wärmeversorgung als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge einzusetzen. eine Novelle des Baugesetzes einzusetzen mit dem Ziel, die kommunale Wärmeplanung auch baurechtlich abzusichern und dazu neben der Bauleitplanung (1. Kapitel BauGB) inkl. der in ihr enthaltenen Umlagemöglichkeiten (1. Kapitel, vierter Abschnitt BauGB) auch die Instrumente des besonderen Städtebaurechts (2. Kapitel BauGB) dahingehend zu erweitern, dass es für die Um- und Durchsetzung kommunaler Wärmepläne nutzbar wird, z.B. durch die Implementierung bereichsbezogener Versorgungssatzungen.