Kommunale Handlungsfähigkeit sichern – Kommunen nicht mit den Corona-Folgekosten alleine lassen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Mehrdad Mostofizadeh

I.       Schutz der Bevölkerung beginnt in den Kommunen
Die Corona-Krise trifft alle gesellschaftlichen Bereiche mit voller Wucht. Auch die Städte und Gemeinden haben mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen und benötigen daher einen Schutzschirm, um die kommunale Handlungsfähigkeit weiter garantieren zu können. Ein Großteil der Maßnahmen, die aktuell erforderlich sind, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, findet auf kommunaler Ebene statt.
Keinesfalls darf die Leistungsfähigkeit von Gesundheitsämtern, Krisenstäben aber auch der sonstigen Beratung und Versorgung in den Städten und Gemeinden aufgrund finanzieller Engpässe oder haushaltsrechtlicher Einschränkungen in Gefahr geraten. Und die kommunale Handlungsfähigkeit muss natürlich auch nach der Krise gesichert sein. Denn schon heute ist klar, dass alle Städte hohe Einnahmeausfälle haben werden, insbesondere bei der Gewerbe- steuer. Bereits jetzt ist absehbar, dass es zu Stundungen oder Rückzahlungen kommen wird und somit zu massiven Steuereinnahmeausfällen in den Kommunalhaushalten. Die Gewerbesteuereinnahmen betrugen im Jahr 2018 in NRW 10,6 Milliarden Euro und machen somit die größte kommunale Einnahmequelle aus. Wie der ehemalige Kämmerer der Stadt Bochum, Dr. Manfred Busch, in einem Kurzgutachten im Auftrag der grünen Landtagsfraktion dargestellt hat, könnten auf die Kommunen je nach weiterem Verlauf der Krise in den Jahren 2020 und 2021 Verluste in Höhe von rd. 4,5 – 9 Mrd. Euro zukommen. Sie werden daher in diesem Zeitraum voraussichtlich 3,6 – 8,2 Mrd. Euro zusätzliche Kassenkredite aufnehmen müssen. (https://gruene-fraktion-nrw.de.178-20-102-49.modulbuero.kundencloudserver.de/fileadmin/user_upload/ltf/Bilder/Themen/Kommunales/Busch_Kurzgut- achten_Corona-Auswirkungen_02-04-2020_final.pdf) Ohne Absicherung dieser Kosten und zusätzliche Unterstützung seitens des Landes würde dies die faktische Zahlungsunfähigkeit für eine Vielzahl der Städte und Gemeinden in NRW bedeuten. Anders als Bund und Land gelten für die Kommunen extrem strikte Haushaltsregeln, von denen auch im Krisenfall nach jetziger Gesetzgebung nicht abgewichen werden darf. Die Kommunen dürfen die Schuldenbremse eben nicht aussetzen. Hier muss das Land sofort einschreiten und einerseits Geld bereit stellen sowie andererseits die Haushaltsregeln so verändern, dass die Handlungsfähigkeit der Kommunen erhalten bleibt.
Auch die Einnahmen aus dem kommunalen Anteil an der Einkommens- und Umsatzsteuer werden drastisch zurückgehen. Gleichzeitig werden perspektivisch durch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit die Kosten der Unterkunft für Bezieher und Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II steigen, für die die Städte zuständig sind. Und auch die Kosten für die inhaltlich richtige Forderung nach Aussetzung der Elternbeiträge für die nicht stattfindende Kinderbetreuung dürfen nicht bei den Städten hängenbleiben.

Die zu erwartenden Steuereinnahmeeinbrüche, die zusätzlichen Ausgaben im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Coronavirus sowie die immer noch nicht gelöste Altschuldenproblematik der Kommunen setzen die Städte und Gemeinden unter Druck und verursachen massive Verwerfungen in den Kommunalhaushalten. Damit gerät das aktuelle System der Gemeindefinanzierung, das schon bisher nicht auskömmlich war, ins Wanken. Um hier gegenzusteuern, muss das Land die Schlüsselmasse (Verbundsteuern) temporär – kreditfinanziert – aufstocken. Die Wieder-Ankurbelung der Konjunktur nach der Corona-Krise wird wesentlich von der kommunalen Investitionstätigkeit abhängen: Investitionen in die kommunale Infrastruktur stärken insbesondere den Mittelstand und das Handwerk vor Ort. Umso wichtiger ist es, ihre Leistungsfähigkeit zu sichern und sich auch weiterhin für eine Lösung der Altschuldenproblematik und eine auskömmliche Kommunalfinanzierung einzusetzen.

II.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

Ein Soforthilfeprogramm zur Sicherung der kommunalen Handlungsfähigkeit aufzulegen, das insbesondere folgende Punkte umfasst:
1.    Sofortige Liquiditätssicherung der Kommunen aufgrund eintretender Einnahmeausfälle, vor allem bei der Gewerbesteuer, aber auch bei den Anteilen an der Einkommensteuer und anderen Steuerarten durch das Land.
2.    Anpassung der haushaltsrechtlichen Vorgaben an die kurzfristig erfolgenden Einbrüche speziell bei der Gewerbesteuer und den erforderlichen Corona-bedingten Mehrausgaben zur Vermeidung von Zahlungsunfähigkeiten. Haushaltssperren müssen ausdrücklich vermieden werden.
3.    Zur Deckung der zu erwartenden Corona-bedingten Verluste in den Kommunalhaushalten werden zunächst acht Milliarden Euro aus dem Sondervermögen des Landes in einen Fonds überführt, der ausschließlich zur Unterstützung der Kommunen eingesetzt wird.
4.    Städtische Unternehmen sind bislang von den auf Bundesebene zur Verfügung gestellten Mitteln zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise ausgenommen. Da- bei sind auch sie von den Einschränkungen des öffentlichen Lebens betroffen (Kultureinrichtungen, Messen, Bäder etc.). Daher müssen sie in gleicher Weise auch an dem vom Land eingerichteten Sonderprogramm teilnehmen können.
5.    Vollständige Übernahme der Kosten der Elternbeiträge bei Kindertageseinrichtungen und Ganztagsbetreuung an Schulen während der angeordneten (Teil-) Schließung durch das Land.
6.    Verlängerung aktuell laufender kommunaler Investitionsprogramme (Kommunalinvestitionsfördergesetz, Gute Schule 2020), da sich Maßnahmenumsetzungen aufgrund der Corona-Krise verzögern werden.
7.    Temporäre Aufstockung der Verbundmasse im Gemeindefinanzierungsgesetz 2021, um die zu erwartende Verringerung der Verbundmasse auszugleichen.
8.    Die seit über einem Jahr andauernden Verhandlungen des Landes mit den Kommunalen Spitzenverbänden zur Umsetzung des sogenannten Lenk-Gutachtens, das feststellt, dass die Kommunen im Schnitt mindestens 2500 Euro je Geflüchtetem im Jahr mehr aufwenden als sie vom Land tatsächlich erhalten, müssen endlich abgeschlossen werden, damit die Kommunen die ihnen für ihre Integrationsleistungen zustehende Erhöhung der Pro-Kopf-Pauschale für Asylsuchende nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz erhalten. Darüber hinaus ist ebenfalls unverzüglich eine Regelung zur vollständigen landesseitigen Finanzierung der sogenannten Geduldeten herbeizuführen. Beide Maßnahmen würden die Kommunen auf einen Schlag finanziell massiv entlasten.
9.    Die Lösung der Altschuldenproblematik ist angesichts der Corona-Krise nicht etwa nach- rangig geworden, sondern dringender denn je. Die Belastung vieler Kommunalhaushalte durch extrem hohe Liquiditätskredite beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden bereits in Normalzeiten. Deshalb muss die aktuelle Ausnahmesituation dazu führen, dass die Bemühungen des Landes für einen Altschuldenfonds noch einmal deutlich intensiviert werden
10.  Bei allen kurzfristig zu treffenden Maßnahmen des Landes sollte stets auch auf die Einhaltung der Konnexität geachtet und ggf. unter Beteiligung der Kommunalen Spitzenverbände ein entsprechender Belastungsausgleich geschaffen werden.