I. Ausgangslage
„Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und den Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung. Staat und Gesellschaft“, so Artikel 6 Absatz 2 der Verfassung für das Land Nordrhein- Westfalen, „schützen sie vor Gefahren für ihr körperliches, geistiges und seelisches Wohl. Sie achten und sichern ihre Rechte“. Mit dieser verfassungsrechtlichen Verankerung wird in Nordrhein-Westfalen der Schutz von Kindern und Jugendlichen besonders gewürdigt.
Es ist originäre Aufgabe von Eltern, Familien, Freunden und Betreuern, Kinder und Jugendliche zu schützen. Die allermeisten Kinder erleben täglich die ihnen zustehende Liebe, Zeit, Zuwendung, Aufmerksamkeit und Unterstützung. Wir dürfen jedoch nicht die Augen davor verschließen, dass sich die Realität für viele Kinder und Jugendliche anders darstellt. Selbst solche, die vermeintlich sicher sind, weil sie unter der Aufsicht staatlicher Schutzbehörden stehen, sind nicht sicher vor Missbrauch. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung geht für das gesamte Bundesgebiet von bis zu einer Million allein von sexuellem Missbrauch betroffenen Kindern und Jugendlichen aus.
Der Landtag Nordrhein-Westfalen ist überzeugt, dass alles getan werden muss, um dem Thema Kinderschutz einen herausragend hohen Stellenwert zu geben – gesellschaftlich, politisch und parlamentarisch. Nicht zuletzt die unfassbaren Missbrauchsvorfälle auf dem Campingplatz in Lügde stehen uns vor Augen. Es wurden bereits erste Maßnahmen zur Aufarbeitung ergriffen: Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 26. Juni 2019 (Drucksache 17/6660) den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV (PUA Kindesmissbrauch) eingerichtet. Die Landesregierung hat darüber hinaus mit Kabinettbeschluss vom 3. September 2019 die Interministerielle Arbeitsgruppe „Maßnahmen zur Prävention, zum Schutz vor und Hilfe bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ unter der Federführung des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration eingerichtet. Ihre Aufgabe soll es u. a. sein, Lehren aus den zahlreichen Fehlern auf allen Ebenen im Fall des Kindesmissbrauchs in Lügde zu ziehen.
Auch parlamentarisch wollen wir den Kinderschutz, die Rechte und die Interessenvertretung für alle Kinder und Jugendliche stärken. Dabei orientieren wir uns am Deutschen Bundestag, der bereits im Jahr 1988 eine Kinderkommission (Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder) eingesetzt hat, um die Belange der Kinder und Jugendlichen in einem besonderen Gremium wahrzunehmen. Diese Kommission ist ein Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Frauen, Senioren und Jugend des Deutschen Bundestages.
Ab sofort soll auch im Landtag Nordrhein-Westfalen eine „Kinderschutzkommission“ dauerhaft eingerichtet werden. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist eine dauerhafte Aufgabe. Die Kommission soll darum über die 17. Wahlperiode hinaus Bestand haben.
Die Kinderschutzkommission soll auf parlamentarischer Ebene die Interessenvertretung für alle Kinder und Jugendlichen in unserem Bundesland sein. Den Vorsitz soll die Fraktion übernehmen, die den jeweiligen Vorsitz im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend stellt.
Aufgabe der Kinderschutzkommission ist die Wahrnehmung der Belange von Kindern und Jugendlichen. Als solche steht sie herausgehoben aus der tagesaktuellen Politik.
Eine Kinderschutzkommission kann Perspektiven für die Weiterentwicklung des Kinderschutzes und die Durchsetzung der Kinderrechte in NRW aufzeigen und konkrete Vorschläge für den Schutz und die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen erarbeiten. Dabei soll sie staatliche und kommunale Strukturen betrachten und Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Eng soll sie sich mit Verbänden, Organisationen und Einrichtungen austauschen, die sich für die Rechte und Interessen der Kinder und Jugendlichen einsetzen.
Thematisch soll sie den Blick auf die unterschiedlichen Bereiche des Kinderschutzes und der Kindeswohlgefährdung richten. Hier soll sich die Kommission sowohl damit beschäftigen, was getan werden kann, damit es gar nicht erst zu eklatanten Verstößen gegen die Kinderrechte kommt, als auch, welche Verbesserungen in den Verfahren notwendig sind.
Für die sorgfältige Erarbeitung der Themen soll sie die Möglichkeit haben, Gutachten zu vergeben, wissenschaftliche Expertise von Fachleuten einzuholen und Anhörungen durchzuführen. Die Sitzungen der Kinderkommission sollen durch den Stenographischen Dienst des Landtags protokolliert werden. Einmal im Jahr berichtet die Kommission im Plenum über ihre Arbeit.
I. Beschlussfassung
· Der Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend (A04) erhält die Zustimmung zur Einsetzung eines Unterausschusses gem. § 48 Absatz 2 GOLT. Dieser trägt den Titel
„Kinderschutzkommission“ und hat 13 Mitglieder.
· Die Mitglieder des Unterausschusses befassen sich eigenständig mit Themen zur Wahrnehmung der Belange des Kindes.
· Die Sitzungen der Kinderschutzkommission werden durch den Sitzungsdokumentarischen Dienst protokolliert.
· Die Kinderschutzkommission kann mit einer Zweidrittelmehrheit Gutachten in Auftrag geben. Hierfür sind die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen im Haushalt des Landtags zu schaffen.
· Die Kinderschutzkommission ist nicht zuständig für die Klärung von Einzelfällen. Hierfür sind der Petitionsausschuss des Landtags bzw. die Gerichte zuständig.
· Die Kinderschutzkommission hat eine jährliche Berichtspflicht an den Landtag. Empfehlungen sollen mit möglichst breiter parlamentarischer Mehrheit gefasst werden. Minderheitenvoten sind in den Bericht aufzunehmen.