Integriertes Wertstoffgesetz praxistauglich und ökologisch gestalten

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Seit dem 17. Oktober 2015 liegt der Arbeitsentwurf des Bundesumweltministeriums für ein Wertstoffgesetz vor. Das Gesetz ist ein weiterer Schritt in der Umsetzung der EU-Abfall-Rahmenrichtlinie in nationales Recht.
Der Arbeitsentwurf sieht folgende Punkte vor:  

  • Die bisherige gelbe Tonne wird zu einer Wertstofftonne, um den Einsatz recyclingfähiger Materialien zu fördern.
  • Durch neue Recyclingquoten soll die getrennte Sammlung von Abfällen und der Einsatz recyclingfähiger Produkte gefördert werden.
  • Die höheren Quoten sollen durch Ausweitung der Produktverantwortung erreicht werden. Diese soll zukünftig nicht nur Verpackungen sondern auch Produkte aus Kunststoff und Metall umfassen.
  • Sammlung, Sortierung und Verwertung sollen in der Hand der Dualen Systeme liegen.
  • Den Kommunen bleibt die Aufgabe zu entscheiden, wie die Abfälle vor Ort gesammelt, sowie wann und wie oft die Abfälle abgeholt werden.
  • Bei der Berechnung der Lizenzentgelte müssen die dualen Systeme nun berücksichtigen, inwieweit sich ein Produkt hochwertig recyceln lässt. Die Recyclingfähigkeit eines Produktes macht Lizenzentgelte günstiger.
  • Die Wertstoffsammlung wird durch eine Ausschreibung vergeben. Dafür soll eine "Zentrale Stelle" sowie eine Schiedsstelle eingerichtet werden, die von Herstellern und Handel finanziert wird.
  • Der Anteil der in Mehrweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränke soll gestärkt und darüber hinaus die stoffliche Verwertung von Getränkeverpackungen besonders gefördert werden.

Kommunale Zuständigkeit verbessert Erfassung

Die Kommunen und deren öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger werden von den Bürgerinnen und Bürgern bei allen Fragen der Abfallentsorgung als zentrale Ansprechpartner gesehen. Mit Ausnahme der Erfassung von Verpackungsmüll sind die Kommunen für alle anderen Abfall- und Wertstoffströme der privaten Haushalte zuständig. In diesem Prozess haben sich die Kommunen als zuverlässige und kompetente Akteure erwiesen. Die Sammlung und Erfassung von Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen unterliegt der Daseinsvorsorge und gehört somit in die Zuständigkeit der Kommunen.
Das parallele Sammelsystem bei den Haushalten hat sich seit der Einführung des Dualen Systems nicht bewährt. Die unübersichtlichen Mischzuständigkeiten, wie bei der derzeitigen Verpackungsverordnung, sind bei einem neuen Wertstoffgesetz zu vermeiden. Aus diesem Grund ist eine klare und vollzugsfreundliche Trennung von Erfassung, Sammlung, Sortierung sowie Verwertung zwischen kommunalen und privaten Stellen zu regeln. Es gilt daher das bewährte Modell der kommunalen Kreislaufwirtschaft und der bestehenden Verantwortlichkeiten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Sammlung auch auf Verpackungsabfälle auszuweiten. Die Privatwirtschaft soll auch weiterhin für die Sortierung und Verwertung des Abfalls zuständig sein. Auf diese Art und Weise ist ein fairer Wettbewerb gewährleistet.
Auch viele private Entsorgungsunternehmen lehnen eine Fortschreibung des bisherigen Systems der Verpackungsverordnung ab. Sie fordern eine einfache und effiziente Weiterentwicklung der Wertstofferfassung. Die Kooperation mit den Kommunen sehen die privaten Entsorger als Zukunftsstrategie, die es im Wertstoffgesetz festzulegen gilt.
Erfolgt die Sammlung und Erfassung von Wertstoffen zukünftig im Rahmen der hoheitlichen Aufgaben der Kommunen bedeutet dies auch einen Beitrag zur „guten Arbeit“. Denn die öffentlich-rechtlichen Unternehmen sind an die Tarife des öffentlichen Dienstes gebunden, die Löhne fallen durchschnittlich höher aus, als bei den privaten Entsorgungsträgern im dualen System.

Recycling und Ressourceneffizienz steigern

Die Verbesserung des stoffbezogenen Recyclings setzt die verpflichtende Einführung einer Wertstofftonne zur Sammlung aller Wertstoffe – unter Beachtung regionaler Gegebenheiten – voraus. Eine Wertstofftonne ist die beste Möglichkeit, hohe Erfassungsmengen und qualitativ anspruchsvolles Recycling sicherzustellen.
Die Weiterentwicklung der Verpackungs- zu einer Wertstoffsammlung sollte auch zu einer Weiterentwicklung der Recyclingquoten führen. Um eine möglichst hochwertige Verwertung von Wertstoffen zu erzielen, sind als wesentliche ökologische Komponenten ambitionierte Erfassungsmengen und Recyclingquoten notwendig. Die Quoten sind an den derzeitigen technischen Möglichkeiten auszurichten und um einen Mechanismus zur dynamischen Erhöhung zu ergänzen, so dass sich die Quoten an den technischen Fortschritt in der Recyclingbranche anpassen und somit weiter Innovationen im Recycling gefördert werden.
Im Bereich der Getränkeverpackungen müssen Maßnahmen ergriffen werden, damit der Mehrweganteil bei Getränkeverkaufsverpackungen wieder steigt und die angestrebten Quoten erreicht werden. Dazu sollte dringend die Kennzeichnung (Mehrweg/Einweg) von Getränkeverkaufsverpackungen im Rahmen des Wertstoffgesetzes eingeführt werden.
Mit dem am 11.11.2015 vorgelegten Referentenentwurf zur Novellierung der Gewerbeabfallverordnung hat das Bundesumweltministerium für das Recycling von Gewerbeabfällen nur eine weitere Teillösung vorgelegt.
Ein integrierter Ansatz, der alle Bereiche einer umfassenden Ressourcenwirtschaft ambitioniert angeht benötigt zukunftsweisende Regelungen und Lösungen für die gesamte Abfallwirtschaft aus einem Guss, einen integralen Ansatz über alle wichtigen Abfallströme und Abfallmengen – mit Vorrang des Recyclings verpflichtend für sämtliche Abfallfraktionen – mit ambitionierten Erfassungs- und Recyclingquoten. Anstelle der geplanten Novellierung der Gewerbeabfallverordnung sollten die dort vorgesehenen Regelungen um Vorgaben für das Recycling von Abfällen aus Verpackungen und stoffgleichen Nicht-Verpackungen ergänzt werden und es sollte ein umfassender integrierter  Ansatz zur Beratung vorgelegt werden, mit dem eine Umsetzung der dritten Stufe der Abfallhierarchie im Sinne einer Ressourceneffizienz, mit dem Ziel einer deutlichen Stärkung des Recyclings und der Verwirklichung einer Kreislaufwirtschaft vorgegeben wird und der Anteil der in Mehrweggetränkeverpackungen sowie in ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränke deutlich angehoben wird.

Versagen der Dualen Systeme verlangt neue Strukturen

Die Dualen Systeme sind nicht reparaturfähig, da sie unter Beweis gestellt haben, dass eine stoffliche Verwertung von Verpackungsmaterialen de facto nicht stattfindet. Die genannten Recyclingquoten sind nur die Abtrennung von anderen Abfällen.  Verpackungsmaterialen werden immer noch zu über 90 Prozent thermisch behandelt. Mischkunststoffe sind meist nicht reyclingfähig, da sie aufgrund von unbekannten Mischungsverhältnissen und organischen Verunreinigungen nicht stofflich verwertet werden können (insbesondere auch Folien).
Gemäß des Entwurfes sollen Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen vollständig den Systembetreibern übertragen werden. Den Kommunen verbleiben lediglich schwache und rechtlich kaum durchsetzbare Handlungsmöglichkeiten.
Durch die Unbestimmtheit der Definition der stoffgleichen Nichtverpackungen werden Fehlanreize gesetzt und gleichzeitig erschwert es das Setzen von Rechtsfolgen. Auch sind die Regelungen zur Stärkung der Produktverantwortung nicht ausreichend, da sie appellativ sind.
Das derzeitige duale System ist geprägt vom Wettbewerb zwischen den verschiedenen Systembetreibern. Um der strukturellen Fehlsteuerung des Systems entgegenzuwirken, ist die Einrichtung einer zentralen Stelle mit hoheitlichen Rechten nötig. So können der Vollzug und die Kontrolle verbessert werden. Die zentrale Stelle muss neutral sein und mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden.  

Beschluss

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass ein neuer Entwurf für ein Wertstoffgesetz vorgelegt wird, der folgende Aspekte beinhaltet:

  • Abstimmung mit einem integrierten Ansatz, der Ressourceneffizienz und eine umfassende Ressourcenwirtschaft zum politischen Leitgedanken bei Siedlungs- und Gewerbeabfällen macht.
  • die Einführung einer Wertstofftonne, um hohe Erfassungsmengen und qualitativ anspruchsvolles Recycling sicherzustellen;  
  • die Erfassung und Sammlung von Wertstoffen in die Organisationshoheit der Kommunen zu übertragen,
  • die Einrichtung einer zentralen öffentlich-rechtlichen Stelle auf Bundesebene zum Vollzug und Kontrolle der Wertstoffsammlung (Lizensierungsregelung, u.a.) unter Beteiligung der Bundesländer;
  • die Abschaffung des Dualen Systems und einer  damit einhergehenden Entbürokratisierung
  • die Erhöhung der Recyclingquoten im Sinne der Ressourcenschonung
  • die Erweiterung der Produktverantwortung der Hersteller und Vertreiber mit  dem Ziel, dass Lizenzentgelte gestaffelt nach ökologischen Kriterien mit dem Gesichtspunkt der Recyclingfähigkeit und Nachrangigkeit der thermischen Verwertung erhoben werden