Hemmnisse in der Biogaserzeugung dauerhaft abschaffen

Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag zu Biogas

Portrait Norwich Rüße

Entschließungsantrag zum Antrag der FDP-Fraktion „Biogas und Biomethan als Beitrag zur Energieunabhängigkeit ausbauen und fördern“ (Drucksache 18/1359)

I. Ausgangslage

Um in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Energieversorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, hat der Bundestag Ende September 2022 das Gesetz zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften (EnSiG 3.0) beschlossen. Darin wurden auch Maßnahmen beschlossen, um die Stromproduk­tion aus Biogas zu erhöhen und die Stromproduktion aus Erdgas zu ersetzen. Die Maßnahmen sollen in der Energiekrise einen vorübergehenden Anreiz schaffen, um die Stromerzeugung aus Biogas zu steigern und die Verstromung von Erdgas zu reduzieren.

Biogas ist eine wichtige Säule des zukünftigen Energiesystems, da Biogas speicherbar, flexi­bel nutzbar, spitzen- und grundlastfähig ist. Biogas produziert auch dann Energie, wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind weht. Diese Vorzüge gilt es für unsere Energieversorgung zu nutzen und dabei eine möglichst effiziente und nachhaltige Biogasproduktion zu gewähr­leisten. Erforderlich dazu ist sowohl die kurzfristige Speicherung bzw. Regelung von Biogas für wenige Stunden oder einzelne Tage als auch die langfristige Speicherung über Monate hinweg.

Deutschland und Nordrhein-Westfalen haben sich ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt und wollen den Ausbau der Erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren stark beschleunigen. Bis 2030 soll 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus ihnen stammen. Für alle Formen der Erneuerbaren Energien stellen sich daher laufend Fragen nach langfristigen Erleichterungen für den Ausbau – so auch für die Biogasbranche.

Gleichzeitig zeigt sich, dass die umfassende Nutzung von Energiepflanzen im Bereich der Bioenergiegewinnung negative Auswirkungen auf den Naturhaushalt nach sich ziehen kann. Die zur Verfügung stehenden naturverträglichen Biomassepotenziale sind begrenzt, weshalb

eine abwägende Verwendung unter Berücksichtigung der Nutzungskonkurrenzen erfolgen muss. Für eine naturverträgliche Nutzung stehen in erster Linie Bioabfälle und Reststoffe, die nicht anderweitig genutzt werden können, zur Verfügung. Dafür sind eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und Kaskadennutzung notwendig, um die wertvolle Ressource Biomasse optimal auszuschöpfen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Nutzung von für den Natur­haushalt förderlichen Substraten wie mehrjährige artenreiche Wildpflanzenmischungen.

Um die Biogasproduktion zu erhöhen, hat der Bund im EnSiG 3.0 die Begrenzung der Produk­tion von privilegierten Biogasanalgen im Außenbereich aufgehoben. Diese lag vorher bei 2,3 Mio. Nm3 Rohbiogas pro Jahr pro Biogasanlage. Eine dauerhafte Anhebung dieser Grenze wäre eine Chance, um zusätzliche Erzeugungspotentiale zu heben.

Ein Hemmnis in der Flexibilisierung von Biogas ist, dass Biogasanlagen, die an ihrem Standort mehr als 10.000 kg Biogas lagern, unter die Regelungen der 12. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes fallen. Diese Regelung ist mit zusätzlichen administ­rativen und finanziellen Kosten für die Anlagen verbunden und verhindert, das mehr Biogas zwischengespeichert werden kann, was wiederum zentraler Bestandteil der Flexibilisierung ist. Für die Lagerung von Erdgas, welches ein ähnliches Gefährdungspotential hat, liegt die Schwelle bei 50.000 kg. Eine Angleichung ist daher wünschenswert.

In der nordrhein-westfälischen Landwirtschaft ist noch viel energetisches Potenzial ungenutzt, gerade bei Gülle und Mist. Güllekleinanlagen (75 kW) könnten dazu beitragen, diese Potenti­ale zu nutzen. Sie haben den Vorteil, dass energiearme Gülle nicht über lange Strecken trans­portiert und gelagert werden muss, sondern direkt aus dem Stall in die Anlagen gelangt. Das vermeidet Methanemissionen und erhöht die Gasausbeute.

Viele Tierhalterinnen und Tierhalter könnten mit ihrer Güllebiogasanlage mehr Gas produzie­ren als sie aktuell dürfen. Das Potenzial ist deutlich größer. Der Bund hat das erkannt und im vergangenen Jahr die maximale Bemessungsleistung für neue Güllekleinanlagen auf 150 kW erhöht. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Gasproduktion der Bestandsanlagen. Hier be­steht Handlungsbedarf.

Im Umgang mit Gülle und Mist besteht im EEG die festgeschriebene Pflicht zur Minderung der Methanemissionen aus Gärresten (gasdichte Abdeckung der Gärsubstrate für 150 Tage). Diese erfordert insbesondere beim Einsatz von Substraten mit niedrigem Energiegehalt wie Gülle unverhältnismäßig hohe Investitionen in Gärrestlagerkapazitäten, was dazu führt, dass anstatt energiearmer Gülle Substrate mit hohem Energiegehalt wie nachwachsende Rohstoffe (NaWaRo) eingesetzt werden. Um diesen Anreiz zu umgehen und Investitionskosten in Gär-restlager für Gülleanlagen zu reduzieren, sollte für die Minderung der Methanemissionen aus Gärresten die 150-Tage-Abdeckpflicht im EEG durch einen Verweis auf die flexiblere Pflicht zur Methanemissionsminderung in der TA Luft ersetzt werden. Diese lässt ggf. kürzere Lager­fristen zu, wenn die Methanemissionen unter den festgelegten emissionsschutzrechtlichen Schwellenwert gesenkt werden.

In den vergangenen Jahren hat sich die Praxis etabliert, Behälter zur Lagerung von Gärresten als „Biogasanlagen“ einzustufen, womit für sie höhere Anforderungen gelten als für Behälter zur Lagerung von (unvergorener) Gülle, die als „JGS-Anlagen“ eingestuft sind. Mit der vom BMUV geplanten Änderung der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährden­den Stoffen (AwSV) soll diese Einstufung in der Verordnung festgeschrieben und damit ver­bindlich werden. Eine Einstufung von Gärrestlagern als „Biogasanlagen“ macht jedoch eine Rücknahme und Zwischenlagerung bis zur Ausbringung von Gärresten im Zuge überbetrieb­licher Kooperation, aber auch im Zuge von (über-) regionalem Nährstoffmanagement für land­wirtschaftliche Betriebe, kostspielig und unattraktiv. Ihre bisher als JGS-Anlage eingestuften Behälter würden damit als „Biogasanlage“ im Sinne der AwSV eingestuft. Dies ist das mit Ab­stand größte regulatorische Hemmnis für den Einsatz von Gülle in Biogasanlagen, weshalb eine Regelung gefunden werden muss, die es erlaubt, Gärreste in klassischen Güllebehältern zu lagern, ohne dass diese ihren Status als JGS-Anlage verlieren.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Die Ausweitung der Produktion und Verstromung von Biogas kann dazu beitragen, Eng­pässen in der Stromversorgung entgegenzuwirken.
  • Es gibt Potenzial mehr Biogas zu erzeugen, wenn einige rechtliche Hemmnisse aufge­hoben werden.
  • Der Anbau und Einsatz energiereicher Substrate kann mit unerwünschten Auswirkungen für den Naturhaushalt und die Ernährungssicherheit einhergehen, weshalb die Nutzung von Reststoffen gestärkt werden sollte.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • bislang ungenutzte potenzielle Substrate für die Erzeugung von Biogas verfügbar zu machen. Dazu ist
  • eine Potenzialstudie zur Nutzung von Gülle, biogenen Feststoffen aus der Biotonne und industriellen Reststoffen für die Biogaserzeugung in Auftrag zu ge­ben unter Berücksichtigung potenzieller Nutzungskonkurrenzen mit anderen Sek­toren.
  • zu prüfen, wie eine verstärkte Substitution von bislang genutzten Energiepflanzen hin zu für den Naturhaushalt förderlichen Substraten, wie z. B. mehrjährige arten­reiche Wildpflanzenmischungen erfolgen kann.
  • zu prüfen, welche weiteren biogenen Rest- und Abfallstoffe, z. B. aus der Lebensmittel­produktion zur Verfügung stehen und sinnvoll zur energetischen Nutzung eingesetzt werden können.
  • sich auf Bundeseben dafür einzusetzen, dass wasserrechtlich unbedenkliche biogene Abfälle in die in § 1 (8) AwSV genannte „Positivliste“ aufgenommen werden, um die Ver­arbeitung von biogenen Abfällen auszuweiten.
  • sich auf Bundesebene für eine weitere Flexibilisierung von Biogasanlagen einzusetzen.

Dazu gehört

  • die dauerhafte Anhebung der Begrenzung im §35 BauGB für privilegierte Biogas-anlagen auf 3,5 Mio. Nm3 bei gleichbleibenden 51 Prozent privilegiert landwirt­schaftlichem Input, wobei das dadurch zusätzlich mögliche Volumen durch Rest-und Abfallstoffe genutzt werden soll,
  • eine Abwägung der Auswirkungen für die Bodenqualität, den Biodiversitäts- und Naturschutz
  • die Gleichsetzung von Biogas und Erdgas in der Störfallverordnung (12. BImSchV) auf 50.000 kg Lagerkapazität.
  • sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Obergrenze für alle bestehenden Güllekleinanlagen im EEG auf 150 kW Bemessungsleistung angehoben wird und zu prü­fen, wie innerhalb des EEGs eine auskömmliche Vergütung sichergestellt werden kann.
  • sich auf Bundesebene für die Abschaffung der hydraulische Verweilzeit von mindestens 150 Tagen in der Biogasanlage als Vergütungsbedingung im EEG 2021 einzusetzen und stattdessen alternative Maßnahmen der TA Luft zur Methanemissionsminderung zuzu­lassen.
  • sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der anlagenbezogene Gewässerschutz (AwSV) eine Gärrestlagerung in JGS-Behältern von Gärrestabnehmenden landwirt­schaftlichen Betrieben ermöglicht, ohne dass diese „Biogasanlage“ im Sinne der AwSV werden.
  • sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Umstellung einer Biogasanlage von der Strom- auf die Biomethan Erzeugung durch eine Änderungsanzeige ermöglicht wird.
  • zu prüfen, wie die Regelungen zum Gasnetzanschluss (§ 33 GasNZV) in Bezug auf den zeitlichen Rahmen beschleunigt werden können, um mehr Biomethan ins Erdgasnetz zu integrieren.