Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Prüfung von Lohntestverfahren zur Feststellung von Lohnunterschieden zwi-schen Frauen und Männern im Öffentlichen Dienst

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I. Ausgangslage

Am 21.03.2014 jährte sich erneut der Equal-Pay-Day, der internationale Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen. Dieser Tag basiert auf einer Initiative der Mitgliedsorganisation des NCPE der „Business and Professional Women“ USA im Jahre 1988. Das Berufsfrauennetzwerk Business and Professional Women (BPW) Germany startete 2007den ersten Aktionstag in Deutschland.
Dieser Aktionstag erinnert an den Zeitraum, den Frauen über den Jahreswechsel hinaus länger arbeiten müssten, um auf das durchschnittliche Jahresgehalt von Männern zu kommen.
Unbestritten unter den Fachleuten ist, dass in Deutschland Frauen im Durchschnitt rund 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen, auch wenn die Gründe dafür vielfältig sind und es zur Behebung dieser Ungleichheit die unterschiedlichsten Ansätze geben muss. Auch im öffentlichen Dienst ist dies noch verbesserungswürdig. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes betrug der Verdienstunterschied im öffentlichen Dienst 9,0 Prozent im Jahr 2012. Auch wenn das Tarifwerk und die Besoldung im öffentlichen Dienst transparent und frei von Geschlechterdiskriminierung ist, bietet der Aspekt der Wertung von Arbeit an der einen oder anderen Stelle noch unterschiedliche Einstufungsergebnisse. Die Zuschreibungen von arbeitsspezifischen Merkmalen wie beispielsweise Verantwortung, soziale Kompetenz oder körperliche Anstrengung werden im Besoldungsrecht unterschiedlich zugeordnet und dementsprechend unterschiedlich eingestuft. So kommt traditionell eher Frauen zugeschriebenen Berufen eine geringere Bewertung im Tarif- und Besoldungsrecht zu. Ungleichbehandlung von Frauen kann folglich auf unangemessenen Arbeitsbewertungen liegen. Eine gesellschaftliche und geschlechtergerechte Auseinandersetzung über die Wertigkeit von Arbeit, gemeinsam mit den Tarifpartnern, könnte eine neue Bewertungsgrundlage für Tarif- und Besoldungsverträge bieten.
Die Entgeltungleichheit wird am häufigsten mit Teilzeitbeschäftigung der Frauen erklärt. Solche Erwerbsunterbrechungen, ob sie für die Erziehung der Kinder oder für die Pflege von Angehörigen genommen werden, wirken sich mittelbar auf die Erwerbsentwicklung von Frauen aus Bei vollzeitbeschäftigen Frauen zeigt sich gelegentlich ein Entgeltunterschied bezogen auf den Durchschnitt. Die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen schränkt die Entscheidungs- und somit Gestaltungmacht im Hinblick auf die Entwicklung geeigneter Fördermaßnahmen zur Frauenförderung weiter ein. Studien zeigen: Je höher die Besoldungsgruppe, desto geringer der Frauenanteil. Dieser Entwicklung  stellt sich die Landesregierung mit zahlreichen Aktivitäten entgegen. Mit der Initiativen „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“ sollen zum Beispiel prekäre Beschäftigungen und schlechte bzw. unangemessen bezahlte Arbeitsverhältnisse zurückgedrängt werden. Ein wesentlicher Bestandteil von Faire Arbeit Fairer Wettbewerb ist die Aufklärungsarbeit über gleichstellungsrelevante Kriterien, insbesondere, dass Männer und Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt werden müssen In diesem Zusammenhang bietet das Tarifregister NRW eine Informationsplattform zur Entgeltüberprüfung an. Dort werden alle in Nordrhein-Westfalen gültigen Tarifverträge aufgeführt. Für die Verbesserung der beruflichen Chancen von Frauen setzen sich auch die im Jahre 2012 gestarteten Kompetenzzentren Frau&Beruf ein. Dies ist ebenso ein Schwerpunkt der Fachkräfteinitiative des Landes. Dabei richtet sich der besondere Fokus auf die Stärkung des Grundsatzes Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts und somit auch der Lohndiskriminierung ist bereits im Grundgesetz und zusätzlich in einer Vielzahl von Einzelgesetzen verankert:  Europäische Gleichbehandlungsrichtlinie, Europäisches Recht zur Entgeltgleichheit, Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, Grundsätze des Europäischen Gerichtshofes, Betriebsverfassungsgesetz, Gleichstellungsgesetze wie das Landesgleichstellungsgesetz NRW und das Tariftreuegesetz NRW.
Um den Diskriminierungsverdacht auszuräumen oder aber durch Aufklärung zu begegnen, bedarf es eines Instrumentes zur Kontrolle der Entgeltgleichheit. Diese Kontrolle wurde bisher in der Gesetzgebung nicht verankert.
Das europäische wie das deutsche Recht unterscheiden zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung. Unmittelbare Entgeltdiskriminierung kann durch Regelungen oder Entgeltpraxis verursacht sein. Solche Regelungen sind daran zu erkennen, dass sie offen nach Geschlecht oder geschlechtsbezogenen Merkmalen unterscheiden. Mittelbare Entgeltdiskriminierung ist schwerer zu erkennen, da sie in Bestimmungen von Tarifverträgen, betrieblichen Vereinbarungen oder Gesetzen verborgen ist, die nicht zwischen Männern und Frauen oder geschlechtsspezifischen Merkmalen unterscheiden, jedoch unterschiedlich auf Frauen und Männer wirken. So könnten z.B. Anforderungen und Belastungen, die für „Frauenarbeitsplätze“ typisch sind, nicht bewertet und daher auch nicht bezahlt werden, z.B. Körperkraft bei Pflegepersonal oder soziale Kompetenz.
Auch wenn es unterschiedliche Auffassung zur Höhe der diskriminierenden Entgeltungleichheit zwischen den Geschlechtern gibt, so ist sie grundsätzlich unbestritten und gerade kein Mythos. In wieweit diskriminierende Entgeltungleichheit im Einflussbereich der Landesregierung besteht, ist genauso ungewiss, wie die Kontrolle der Entgeltgleichheit in den Unternehmen und deren Voraussetzung in Bezug auf das Tariftreuegesetz. Bisher mussten Arbeitnehmerinnen gegen Entgeltungleichheit klagen und diese selbst belegen.
Bislang ist in Deutschland Entgeltgleichheit für Frauen und Männer zwar rechtlich geboten, die Einhaltung wird jedoch nur unzureichend kontrolliert. Für eine Kontrolle der Ungleichbehandlung der Geschlechter beim Arbeitsentgelt auf betrieblicher Ebene stehen zwei Instrumente zur Verfügung:

  • Der Entgeltgleichheits-Check (eg-check.de) zeigt laut seiner Entwicklerinnen Karin Tondorf und Andrea Jochmann-Döll die konkreten Ursachen auf und berechnet das finanzielle Ausmaß einer Benachteiligung. Die Methode ist eine Prüfung des Entgelts nach den rechtlichen Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und des europäischen Rechts zur Entgeltgleichheit.  Der eg-Check untersucht auf Basis der geltenden Rechtslage wichtige Vergütungsbestandteile – wie Grundgehalt, Leistungsvergütungen oder Erschwerniszuschläge – einzeln auf mögliche Diskriminierung. Alle Bestandteile können einen dreistufigen Test durchlaufen (im direkten Vergleich, einzeln für sich oder umfassend). Er zeigt die Ursachen der Ungleichbehandlung und ihr finanzielles Ausmaß und sieht eine Überprüfung der Arbeitsbewertung vor, wie sie zum Beispiel in Tarifverträgen üblich ist.
  • Während es beim eg-check um die Frage des gleichen Entgeltes für gleiche oder gleichwertige Arbeit am jeweiligen individuellen Arbeitsplatz geht, steht bei logibD die Frage im Vordergrund, ob bei gleichen personellen Voraussetzungen gleiches Entgelt gezahlt wird. In die Berechnung einbezogen werden sowohl regelmäßige Bruttomonatsentgelte als auch unregelmäßige Bestandteile.  Zusätzlich werden die Merkmale Geschlecht, Alter, Ausbildungsniveau, Eintritt in den Betrieb, evtl. Erwerbspausen, Anforderungsniveau der jeweiligen Stelle und die berufliche Stellung im Betrieb erfasst. Auf der Grundlage dieser Faktoren wird – ähnlich wie bei den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes für die Gesamtwirtschaft – anschließend eine unbereinigte und eine bereinigte betriebsspezifische Lohnlücke errechnet.

II. Der Landtag stellt fest:

  • Entgeltungleichheit aufgrund des Geschlechts ist ungerecht und stellt Diskriminierungen sowie Verstöße gegen Gesetze dar. Dem muss seitens der Gesellschaft entgegengetreten werden.
  • Es sind Regelungen mit konkreten Analyse-Verfahren und Sanktionen notwendig, um Ursachen der Ungleichbehandlung und ihr finanzielles Ausmaß aufzuzeigen um der Entgeltdiskriminierung von Frauen entgegenzuwirken.
  • Mit EG-Check und LogibD stehen zwei getestete Verfahren zur Verfügung, um die Entgeltunterschiede zwischen Männern und Frauen innerhalb von Betrieben und Organisationen zu analysieren. Dabei zielt EG-Check primär auf die Analyse und Bewertung einzelner Tätigkeiten, während logibD die Ent- und Beschäftigungspraxis des gesamten Betriebes im Verhältnis zu den persönlichen Voraussetzungen im Fokus hat. 

II. Der Landtag beschließt:

  • Der öffentliche Dienst muss weiter  mit gutem Beispiel vorangehen, um gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit sicherzustellen.
  • Die Landesregierung wird gebeten zu prüfen, ob eines beiden Analyseverfahren geeignet ist, die Ursachen für geschlechtsspezifische Unterschiede im öffentlichen Dienst aufzudecken. Die Entgeltpraxis einer Behörde soll dabei modellhaft überprüft und anschließend Lösungsansätze zur Vermeidung von Entgeltdiskriminierung im öffentlichen Dienst aufgezeigt werden können  Die Ergebnisse  könnten bei der geplanten Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes berücksichtigt werden.
  • Die Landesregierung wird gebeten, das Grundprinzip der Entgeltgleichheit im Rahmen der Novellierung des Besoldungsrechts und im Rahmen ihrer Verantwortung als Beteiligte bei Tarifverhandlungen sowie durch den mit der Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes beabsichtigten Abbau von diskriminierenden Strukturen voranzutreiben.
  • Die Landesregierung wird gebeten, gemeinsam mit den Tarifpartnern/Gewerkschaften weitere Initiativen zur Aufhebung der Entgeltungleichheit auch außerhalb des öffentlichen Dienstes zu entwickeln.
  • Über Ergebnisse des Verfahrens ist dem Landtag in zwei Jahren zu berichten.