Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN

Portrait Josefine Paul

A        Zielsetzung

Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts als Organisationsform für das
„Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ in Düsseldorf.

B        Lösung

Erlass eines Gesetzes über die Errichtung einer landesunmittelbaren rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts.

C        Alternativen

Keine

D        Kosten

Es werden ggf. Kosten für den Bau/Renovierungskosten sowie die jährlichen Unterhaltungs- kosten anfallen. Zudem werden Personalkosten anfallen.
Begründung
A        Allgemeine Vorbemerkungen
1.       Die Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen beginnt im Jahre 1946. Als die Britische Militärregierung am 23. August 1946 die „Auflösung“ der Provinzen des ehemaligen Landes Preußen beschloss und das Land Nordrhein-Westfalen aus der Taufe hob, geschah das unter dem Codenamen „Operation Marriage“. Aus dem nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz mit den Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf und Köln sowie der preußischen Provinz Westfalen wurde das Land Nordrhein-Westfalen gebildet. Auf der Grundlage der Militärverordnung Nr. 77 erfolgte am 21. Januar 1947 die Vereinigung des Landes Lippe mit Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf wurde Landeshauptstadt. Als Amtssitz des Ministerpräsidenten und damit als Landeskanzlei (später „Staatskanzlei“) diente zunächst ein dem Mannesmann-Konzern gehörendes Gebäude („Mannesmann-Haus“ am Rheinknie). Am 2. Oktober 1946 tagte der nordrhein-westfälische Landtag in seiner konstituierenden Sitzung in der Düsseldorfer Oper.
Das Land Nordrhein-Westfalen blickt nunmehr auf eine mehr als 70-jährige Geschichte zurück, die für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger erlebte Vergangenheit darstellt. Vor dem Hintergrund dieser Vergangenheit erscheint es geboten, das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für die Landesgeschichte als Bestandteil einer Landesidentität zu stärken. Die meisten Einwohner Nordrhein-Westfalens kennen die Anfänge ihres Landes nicht mehr aus eigenem Erleben. Gerade jüngeren Menschen sowohl aus einheimischen als auch aus zugewanderten Familien sind die besonderen Prägungen und historischen Ursprünge des Landes, in dem sie aufgewachsen sind und nunmehr leben, oftmals weit- gehend unbekannt. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Landes anzuregen und aktiv zu unterstützen, trägt deshalb zur Identifikation mit ihrer Heimat bei und erhöht die Bereitschaft zum gesellschaftspolitischen Engagement.
Es ist daher das gemeinsame Ziel von Landtag und Landesregierung, das Geschichtsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger, ihr Verständnis für das politische, das gesellschaftliche und das kulturelle Leben in Nordrhein-Westfalen parteipolitisch neutral und zugleich auf der Höhe der wissenschaftlichen Forschung zu fördern. Die nordrhein-westfälische Geschichte und Politik sollen so anschaulich und öffentlich wahrnehmbar werden. Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich dessen eingedenk sein und sich in diesem Sinne offen für kontroverse Deutungen und Diskussionen sowie für die Vielfalt geschichtlicher Betrachtungsmöglichkeiten zeigen. Nordrhein-Westfalen verfügt bisher zwar über eine Vielzahl regionaler, musealer und kultureller Einrichtungen, aber nicht über eine Institution, welche die Geschichte dieses Landes zusammenfassend wissenschaftlich aufbereitet und die Ergebnisse der Allgemeinheit zugänglich macht. Jeder übergreifende landeshistorische Ansatz, der dazu beitragen soll, ein allgemeines Landesbewusstsein zu fördern und grundlegende Elemente der historisch-politischen Kultur des Landes zu verdeutlichen, erfordert daher eine koordinierende Kooperation mit den Einrichtungen, Museen, Instituten und wissenschaftlichen Lehrstühlen des Landes, die bisher schon die landeshistorisch-politische Bildungsarbeit tragen bzw. unterstützen, weiterentwickeln und sichtbar machen.
2.       Der Landtag hat zur Verfolgung dieses Ziels eine aus wissenschaftlichen Expertinnen und Experten bestehende parteiübergreifende und unabhängige Planungsgruppe „Geschichte, Politik und Demokratie Nordrhein-Westfalens“ eingesetzt. Aufgabe der Planungsgruppe war es, in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Museen, Instituten und wissenschaftlichen Lehrstühlen des Landes die notwendigen institutionellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, das Geschichtsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens sowie ihr Verständnis für das politische, das soziale, das ökonomische, das gesellschaftliche und das kulturelle Leben in Nordrhein-Westfalen zu fördern und fortzuentwickeln. Dieses Anliegen umfasste auch die Entwicklung eines Konzeptes für ein „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ als Verbindung von Forschungsinstitut und Museum. Zur Anbindung und Rückkopplung an den Landtag wurde die Planungsgruppe von einem aus zehn Mitgliedern bestehenden Kuratorium begleitet. Diesem gehörten geborene ebenso wie gewählte Mitglieder an, die den Fraktionen CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen entstammten.
Das Kuratorium hat den Präsidenten des Landtags gebeten, eine rechtliche Expertise dazu einzuholen, welche Rechtsformen für ein „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfa- len“ in Betracht zu ziehen seien, sowie eine Empfehlung zur vorzugswürdigen Rechtsform zu geben. Die gutachtliche Bewertung sollte sich daran ausrichten, zuvörderst eine öffent- lich-rechtliche Rechtsform in den Blick zu nehmen, um auch so das mit dem „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ verfolgte Ziel als eine öffentliche Aufgabe nachdrücklich auszuweisen.
Die dauerhafte Wahrnehmung der Aufgabe soll in fachlicher, finanzieller und personeller Hinsicht weisungsfrei und eigenverantwortlich erfolgen, wobei eine Kooperation mit dem Landtag sicherzustellen sein soll. Dem geschäftsführenden Organ soll ein aus Mitgliedern des Landtags bestehendes Kontrollorgan korrespondieren und ein Organ zur fachlichen Beratung zur Seite stehen. Die für die Aufgabenerfüllung notwendige Vermögensausstattung soll über eigene Mittel sowie über eine dem Landeshaushalt entlehnte mehrjährige Finanzierungszusage des Landtags nach Maßgabe des Haushaltsrechts (u.a. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit), Drittmittel, private Zuwendungen und eigene Einnahmen gewährleistet werden.
3.       Das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ wird eine ständige Ausstellung haben, die durch Wechselausstellungen sowie ein Informations- und Dokumentationszentrum er- gänzt wird. Im Mittelpunkt der ständigen Ausstellung wird die Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalens stehen, die auch in ihrer nationalen und internationalen Verflechtung zu betrachten ist. Dabei sind von besonderer Bedeutung:
–          Demokratische, parlamentarische und föderative Tradition einschließlich der Verfassungsgeschichte des Landes,
—          Last der Vergangenheit und Widerstand,
–          Rechtliche Kompetenzen des Landes,

Das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ wird offen sein für neue Entwicklungen und für die in einer pluralistischen Gesellschaft vorhandenen kontroversen Anschauungen.
4.       Als Rechtsträger für das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ soll eine selbständige Stiftung des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit errichtet werden. Die Gestaltung von Ausstellungen mit historischem Bezug und die Durchführung von Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen sowie Seminaren zu Fragen der jüngeren und jüngsten Vergangenheit des Landes gehören nicht zu den typischen administrativen Tätigkeiten der öffentlichen Hand. Für das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ empfiehlt sich deshalb eine Rechtsform, die durch Selbständigkeit, Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit im Bestand sowie Nachhaltigkeit in ihrem Wirken geprägt und die ausschließlich der Erfüllung ihres Zwecks verpflichtet ist. Die Zuordnung zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts folgt daraus, dass der Landtag das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ als öffentliche Aufgabe, also als eine vom Staat initiierte und von ihm getragene Aufgabe betrachtet. Zudem wird das Vermögen der Stiftung von einer auf dem Landeshaushalt basierenden Finanzierungszusage getragen. Weiterhin soll dem geschäftsführenden Organ der Stiftung ein aus Abgeordneten des Landtags, Mitgliedern der Landesregierung und Repräsentanten der beiden Landschaftsverbände bestehendes Kontrollorgan zur Seite stehen. Hierzu fügt sich der gute Ruf der Rechtsform „Stiftung“ in der Bevölkerung, mit der man vor allem Freigiebigkeit und Altruismus verbindet. Er kann in besonderer Weise bei der Einwerbung von privaten Vermögenswerten und Spenden behilflich sein, weil die Zustifter und Spender um die Rechtssicherheit und Beständigkeit der Stiftung wissen und dieser vertrauen.
5.       Das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ wird im Regierungsviertel des Landes entstehen. Für sein Wirken wird das ehemals zum Mannesmann-Konzern gehörende und sich nun im Eigentum des Landes befindende Gebäude („Mannesmann-Haus“ am Rheinknie) – Behrensbau genannt – zur Verfügung stehen. In unmittelbarer räumlicher Nähe zu den politischen Entscheidungszentren setzt das Land neben der bereits von ihm als Stiftung bürgerlichen Rechts errichteten „Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen“ einen weiteren kulturellen Schwerpunkt.
6.       Auf den Landeshaushalt werden Kosten für die Her- und Einrichtung des Museumsgebäudes und die jährlichen Kosten für die Unterhaltung zukommen.