Gesetz über die Errichtung der „Stiftung Opferschutz Nordrhein-Westfalen“

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN

Mehrdad Mostofizadeh

A Problem und Regelungsbedarf

Menschen, die unverschuldet Opfer einer Gewalttat geworden sind, haben nicht unbedingt Anspruch auf finanzielle Hilfen. So kommt es regelmäßig vor, dass ein grundsätzlich beste­hender zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch der Betroffenen nicht befriedigt werden kann, weil der Täter mittellos ist. Ebenso kommt es vor, dass staatliche Leistungen des Opferent­schädigungsgesetzes deshalb nicht gewährt werden, weil die immer noch relativ engen recht­lichen Voraussetzungen dieses Gesetzes, z.B., dass die Gewalttat durch eine Tätlichkeit be­gangen worden sein muss, nicht erfüllt sind.

Die Folgen für die Betroffenen sind dennoch – teilweise auch, weil es für sie keine konkreten tatbezogenen finanziellen Hilfen gibt – oft erheblich. Diese Menschen stehen in ihrer schwie­rigen persönlichen Situation nach einer Gewalttat häufig finanziell alleingelassen da und wären im schlimmsten Fall für Bedarfe, die aus der Gewalttat resultieren, auf staatliche Grundleistun­gen, wie die Sozialhilfe, angewiesen.

B Lösung

Der Gesetzentwurf enthält die notwendigen Regelungen, um einen Fonds zu schaffen, aus dem diese Betroffenen Leistungen erhalten können. Hiermit wird die Grundlage dafür geschaf­fen, ein ergänzendes Regelsystem auf Landesebene zu etablieren, das die Rechte von Opfern in Nordrhein-Westfalen wesentlich stärkt und ihnen in der unmittelbaren Folge der Gewalttat einen finanziellen Spielraum eröffnet, der z.B. dazu dienen kann, Akutbedarfe zu decken oder erforderliche Zahlungen zu leisten.

Vorgeschlagen wird, einen Fonds über eine „Stiftung Opferschutz Nordrhein-Westfalen“ ein­zurichten. Die konkrete Ausgestaltung der finanziellen Hilfe sollte dem Stiftungsrat obliegen, dem Vertreterinnen und Vertreter der im Landtag vertretenen Fraktionen sowie der Opfer­schutzverbände und der Landesregierung angehören.

C Alternativen
Keine.

D Kosten

Die durch diese Opferschutzfondslösung entstehenden Kosten belaufen sich im Jahr 2022 auf 0,5 Mio. Euro für den Aufbau der Stiftung und ab 2023 bis 2027 jährlich auf 2,5 Mio. Euro (2 Mio Euro für die Leistungsgewährung zzgl. 0,5 Mio Euro für die Stiftung). Die Auskömmlichkeit der geplanten Finanzausstattung wird regelmäßig geprüft.

E Zuständigkeit

Zuständig ist das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Beteiligt sind das Ministe­rium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, das Ministerium der Finanzen, das Minis­terium der Justiz, das Ministerium des Innern und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft.

F     Auswirkungen auf die Selbstverwaltung und die Finanzlage der Gemeinden und Ge­meindeverbände

Keine.

G      Finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen und private Haushalte Keine.

H      Geschlechterdifferenzierte Betrachtung der Auswirkungen des Gesetzes

Das Gesetz hat keine Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Wir­kungen treten unabhängig vom Geschlecht der Betroffenen ein. Auswirkungen auf die unter­schiedlichen Lebenssituationen von Frauen und Männern sind nicht zu erwarten.

I      Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung (im Sinne der Nachhaltigkeitsstra-tegie NRW)

Keine.

J       Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen

Das Gesetz hat keine negativen Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen. Durch fi­nanzielle Zuwendungen des Landes kann vielmehr die Möglichkeit einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, die Opfer von Gewalttaten ge­worden sind, gefördert werden.

K     Auswirkungen auf das E-Government und die Digitalisierung von Staat und Verwal­tung (E-Government-Check)

Keine.

L Befristung
Keine.


Gesetzentwurf der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gesetz über die Errichtung der „Stiftung Opferschutz Nordrhein-Westfalen“

§ 1 Errichtung, Rechtsform und Sitz

  1. Unter dem Namen „Stiftung Opferschutz Nordrhein-Westfalen“ wird eine rechtsfähige Stif­tung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Düsseldorf errichtet.
  2. Die Stiftung entsteht mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes.

§ 2 Stiftungszweck

  1. Die Stiftung hat den Zweck, Opfer von Gewalttaten und deren Angehörige (Zuwendungs­empfänger) finanziell zu unterstützen.
  2. Die Stiftung ist selbstlos tätig; sie verfolgt keine eigenwirtschaftlichen Zwecke. Die Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Dritten Abschnitts der Abgabenordnung („Steuerbegünstigte Zwecke“).
  3. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung des Stiftungsgenusses besteht nicht.

§ 3 Vermögen der Stiftung, Stiftungsmittel

  1. Das der Stiftung zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung ihres Stiftungszweckes zuge­wendete Vermögen (Grundstockvermögen) ist in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Es besteht zum Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung aus einem Barvermögen in Höhe von im Jahr 2022 0,5 Mio. Euro und ab 2023 jährlich 2,5 Mio. Euro, das das Land Nordrhein-Westfalen auf die Stiftung überträgt.
  2. Zustiftungen (Zuwendungen zum Grundstockvermögen) sind möglich. Zuwendungen ohne Zweckbestimmung auf Grund einer Verfügung von Todes wegen können dem Grundstockver-mögen zugeführt werden.
  3. Die Stiftung erfüllt ihre Aufgaben
    a. aus den Erträgen des Grundstockvermögens und
    b. aus sonstigen Zuwendungen, soweit sie von dem Zuwendenden nicht zur Aufstockung des Grundstockvermögens bestimmt sind.
  4. Sämtliche Mittel der Stiftung dürfen nur für die gesetzlichen und satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Die Stiftung darf keine juristische oder natürliche Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Stiftung fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Unterstützungen, Zuwendungen oder Vergütungen begünstigen.

§ 4 Stiftungsorgane

Organe der Stiftung sind

  1. der Stiftungsvorstand und
  2. der Stiftungsrat.

§ 5 Stiftungsvorstand

  1. Der Stiftungsvorstand besteht aus zwei Personen. Die Mitglieder des Vorstands werden von dem für Soziales zuständigen Ministerium nach Anhörung des Stiftungsrats bestellt.
  2. Der Stiftungsvorstand führt die Beschlüsse des Stiftungsrates aus und führt nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Satzung die Geschäfte der Stiftung.
  3. Das vorsitzende Mitglied des Stiftungsvorstands vertritt die Stiftung gerichtlich und außer­gerichtlich. Es hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang seiner Vertretungs­macht kann durch die Stiftungssatzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden.
  4. Die Mitglieder des Stiftungsvorstandes sind ehrenamtlich tätig. Sie haben Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Auslagen.

§ 6 Stiftungsrat

  1. Der Stiftungsrat besteht aus einem gewählten Mitglied des Landtages je Fraktion sowie je einem Mitglied, das von dem für Soziales zuständigen Ministerium und vom Ministerium der Justiz zu benennen ist. Ein weiteres Mitglied wird von zivilgesellschaftlich tätigen Verbänden für die Belange des Opferschutzes benannt. Ferner ist die oder der Opferschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen Mitglied des Stiftungsrates. Die Mitglieder des Stiftungsrates können sich im Einzelfall vertreten lassen.
  2. Der Stiftungsrat wählt seine Vorsitzende oder seinen Vorsitzenden und deren Stellvertre-terin oder dessen Stellvertreter.
  3. Die Mitglieder des Stiftungsrates sind ehrenamtlich tätig. Sie haben Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Auslagen.
  4. Der Stiftungsrat gibt sich eine Geschäftsordnung.
  5. Der Stiftungsrat beschließt die Satzung und etwaige Förderrichtlinien der Stiftung. Er be­schließt im Übrigen über alle grundsätzlichen Fragen, die zum Aufgabenbereich der Stiftung gehören, und kann insbesondere allgemeine Festlegungen zu fachlichen Förderschwerpunk­ten treffen. Er entscheidet zudem über die Verwendung der Mittel im Einzelfall und überwacht die Tätigkeit des Stiftungsvorstandes.

§ 7 Stiftungssatzung

  1. Nähere Bestimmungen über die Verwaltung der Stiftung und die Tätigkeit ihrer Organe sowie zum Vollzug dieses Gesetzes, wie z. B. zu den Leistungsvoraussetzungen und zur Leis­tungshöhe, werden in der Stiftungssatzung geregelt, die der Genehmigung des für die Rechts­aufsicht zuständigen Ministeriums bedarf. Die Satzung kann insbesondere Regelungen treffen über
    (1) Grundsätze zu den Zielsetzungen der Förderung sowie
    (2) Grundsätze zum Verfahren der Förderung.

    Die Stiftung kann daneben durch Förderrichtlinien allgemeine Regelungen für die von ihr ge­währten Förderungen erlassen.

  2. Die Satzung wird nach vorheriger Anhörung des Stiftungsrats von dem für Soziales zustän­digen Ministerium mit Zustimmung des Ministeriums der Finanzen erlassen. Satz 1 gilt ent­sprechend für Änderungen und Ergänzungen der Satzung.

§ 8 Geschäftsstelle

  1. Die Aufgaben einer Geschäftsstelle der Stiftung werden in der Behörde des für Soziales zuständigen Ministeriums unter Wahrung der rechtlichen Selbständigkeit der Stiftung erledigt. Das Schriftgut der Stiftung ist von dem der Behörde getrennt zu halten.
  2. Soweit das Land die Personal- und Sachkosten der Geschäftsstelle trägt, hat die Stiftung diese aus den ihr zufließenden Mitteln zu erstatten.

§ 9 Beendigung der Stiftung, Heimfall

  1. Die Stiftung kann nur durch Gesetz aufgehoben werden.
  2. Im Fall der Aufhebung der Stiftung fällt ihr Vermögen an das Land Nordrhein-Westfalen.

§ 10 Stiftungsaufsicht

  1. Die Stiftung untersteht der Rechtsaufsicht des für Soziales zuständigen Ministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen.
  2. Das Ministerium kann sich jederzeit, auch durch Beauftragte, über die Angelegenheiten der Stiftung informieren. Es kann an den Sitzungen der Organe und Gremien der Stiftung teil­nehmen und sich von der Stiftung mündlich oder schriftlich unterrichten lassen, insbesondere die Prüfung an Ort und Stelle ermöglichen sowie sich Akten und sonstige Unterlagen vorlegen lassen.
  3. Das Ministerium kann rechtswidrige Beschlüsse, Maßnahmen und Unterlassungen der Or­gane und Gremien beanstanden und Abhilfe verlangen; insbesondere kann das Ministerium mit dem Verlangen eine angemessene Frist setzen, in der die notwendigen Beschlüsse oder Maßnahmen zu fassen oder zu unterlassen sind. Beanstandete Beschlüsse oder Maßnahmen dürfen nicht vollzogen werden. Kommt die Stiftung einer Aufsichtsmaßnahme nach Satz 1 nicht nach, so kann das Ministerium die beanstandeten Beschlüsse oder Maßnahmen aufhe­ben oder anstelle der Stiftung auf ihre Kosten das Erforderliche veranlassen oder die Durch­führung des Erforderlichen auf Kosten der Stiftung einem anderen übertragen. Zur Durchfüh­rung des Erforderlichen kann das Ministerium der Stiftung zudem Weisungen erteilen und ins­besondere das Erforderliche auch durch die Stiftung durchführen lassen.
  4. Sind Organe oder Gremien dauernd beschlussunfähig, so kann sie das Ministerium auflö­sen und ihre unverzügliche Neuwahl anordnen. Sofern und solange die Befugnisse nach Ab­satz 3 nicht ausreichen, kann das Ministerium nach Anhörung der Stiftung auf ihre Kosten Beauftragte bestellen, die die Befugnisse der Gremien oder einzelner Mitglieder von Gremien in dem erforderlichen Umfang ausüben.

§ 11 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.