Für Umwelt, Wasser und Bauern – Düngeverordnung endlich wirksam und praxistauglich gestalten!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Norwich Rüße

I.       Zurück auf Anfang
Seit Jahren diskutieren Agrar- und Umweltpolitiker in Deutschland über die Neugestaltung der Düngeverordnung. Anlass dafür sind die zu Teil erheblich überhöhten Nitratwerte in Deutschland, die den oberen Grenzwert von 50 mg Nitrat/ml immer wieder überschreiten. Trotz wiederholter Änderungen im Düngerecht stagnieren die Nitratwerte in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen seit langen auf zu hohem Niveau. Laut Nährstoffbericht NRW von 2017 lagen von 1551 Messstellen unter Böden mit landwirtschaftlicher Nutzung (Acker und Grünland) 490 Messstellen (31,56 %) oberhalb von 50 mg/l Nitrat. Somit wird der eigentliche Zielwert von 25 mg Nitrat/ml in einigen Gebieten um ein Vielfaches überschritten.
Dementsprechend hat die EU bereits im Jahr 2014 die Bundesrepublik in ihrer Stellungnahme dazu aufgefordert, ambitioniertere Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen durch Nitrat zu ergreifen. Als letzte Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens leitete die Europäische Kommission im Jahr 2016 ein Verfahren am Europäischen Gerichtshof ein. Im Juni 2018 endete dieses Verfahren schließlich mit der Feststellung, dass Deutschland gegen die EU-Nitratrichtlinie verstoßen hat.
Die nach Jahren des Stillstandes endlich beschleunigte Neufassung der DüngeVO trat im Juni 2017 in Kraft und beinhaltete eine Verschärfung bereits bestehender Bestimmungen. Gestützt wurde diese novellierte Düngeverordnung durch eine Stoffstrombilanzverordnung, mit der Nährstoffflüsse in den Betrieben transparenter gemacht, Nährstoffverluste aus der Landwirtschaft verringert und die Einhaltung von Umweltzielen gewährleistet werden soll.
Das neue Düngerecht wurde von Beginn an seitens Umwelt- und Naturschützern, Hydrologen, der Wasserindustrie und zahlreichen weiteren Verbänden und Wissenschaftlern als unzureichend erklärt, die Gewässersituation spürbar zu verbessern. Bäuerinnen und Bauern klagten zusätzlich über eine zunehmende bürokratische Belastung durch die getroffenen Regelungen, die teilweise auch praxisfern seien. Zusätzlich sind die technischen und mit Kosten verbundenen Anforderungen für kleinere Betriebe eine große Herausforderung.
Auch die EU-Kommission kritisiert nun die Bundesregierung und weist die beschlossene Düngeverordnung und die hier beschlossenen Maßnahmen als unzureichend für einen wirksamen Gewässerschutz zurück. Dabei kritisiert sie insbesondere den zulässigen Kontrollwert von 60 kg Stickstoff pro Hektar als zu hoch und fordert damit eine Nachbesserung durch die Bundesregierung ein. Auch für die sogenannten roten Gebiete müssen wirksamere Maßnahmen erlassen werden, um die Ziele der EU-Nitratrichtlinie zu erreichen. Sofern Deutschland der Forderung zur Nachbesserung nicht nachkommt, wird ein Zweitverfahren und daraus folgende finanzielle Sanktionen nicht zu verhindern sein. Diese könnten für Deutschland bis zu 861.000 Euro pro Tag betragen.
Für die roten Gebiete, die eine deutliche Überschreitung der Nitratwerte aufweisen, können die Bundesländer aus einer in § 13 DüngeVO vorgegebenen Liste von 14 Maßnahmen zusätzliche Vorgaben zur Reduzierung der Grundwasserbelastung auswählen. Die Landesregierung hat sich trotz der anhaltend hohen Belastungen in Teilen Nordrhein- Westfalens entschieden, lediglich das vorgegebene Minimum von drei Maßnahmen auszuwählen. Dazu zählte die Analyse eingesetzter Wirtschaftsdünger, eine Ausweitung der Sperrfrist auf Grünland und die Verkürzung der Einarbeitungszeit bei Ausbringung von vier Stunden auf eine Stunde. Der Schutz unserer Gewässer – unseres Lebensmittels Nr. 1 – wurde somit auch in NRW zugunsten ökonomischer Interessen hinten angestellt. NRW als besonders betroffenes Land steht deshalb im Fokus, nun Verbesserungen herbeizuführen.
II.      DüngeVO im Interesse von Umwelt, Wasser und Bauern neu gestalten
Mit dieser erneuten Aufforderung seitens der Europäischen Kommission bewahrheitet sich die Kritik, dass die über Jahre diskutierte Novellierung der DüngeVO nicht ausreichend ambitioniert genug gewesen ist. Dies ist nun eine Chance, die DüngeVO von Grund auf so zu gestalten, dass sie dem Schutz unserer Gewässer genügt und der Landwirtschaft verständliche und praktikable Vorgaben macht. Eine für die nächsten Jahre glaubhafte Gesamtkonzeption zur nachhaltigen Senkung der Nitratwerte ist somit dringend erforderlich.
Die Entwicklung der Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten zu regionalen Konzentrationsprozessen und einer Intensivierung geführt, die für die übermäßige Belastung der Gewässer mit Nitrat hauptverantwortlich ist. Ein entscheidender Punkt ist, dass die Landwirtschaft heute weitaus mehr Stickstoff zur Düngung einsetzt als noch vor einem halben Jahrhundert. Neben den stärker eingesetzten Mineraldüngern dominiert heute im Bereich der Dünger tierischer Herkunft die aus strohlosen Haltungssystemen stammende Gülle. Während im Festmist und in Komposten der Stickstoff überwiegend in stabilen Verbindungen vorliegt und die Düngewirkung über mehrere Jahre freigesetzt wird, ist der Stickstoff aus mineralischer Düngung und aus Gülle leicht löslich und rasch verfügbar. Dies birgt ein deutlich höheres Risiko, dass die Stickstoffverbindungen durch die Bodenschichten in Richtung Grundwasser wandern, sobald Kulturpflanzen weniger Stickstoff aufnehmen oder Starkregenereignisse diesen Prozess beschleunigen.
Diese grundsätzliche Problematik wird durch die aktuelle DüngeVO nicht aufgelöst. Notwendig wäre stattdessen eine Berücksichtigung der Bodenqualität, die insbesondere bei leichten, sandigen Böden ein erheblich größeres Auswaschungsrisiko für Nitrat bedeutet. Auch das Verursacherprinzip wird in der bisherigen Regelung überhaupt nicht angewandt. Die Betriebe, die jetzt bereits nach strengen Kreislaufkriterien arbeiten, wie etwa die ökologischen, sollten von den Verordnungen ausgenommen und nicht in kostenintensive Mithaftung genommen werden.
Genauso wenig berücksichtigt die neue DüngeVO etwaige Stickstoffvorbelastungen aufgrund von Emissionen aus Industrie, Verkehr und Tierhaltung. Gerade in Gebieten mit einem hohen Tieraufkommen, stammen erhebliche Stickstoffeinträge aus der Abluft der Lüftungssysteme großer Stallanlagen. Diese jährlichen Stickstoffeinträge von über 50 kg/ha – schwerpunktmäßig im Münsterland und am Niederrhein – werden derzeit im Rahmen der derzeitigen DüngeVO überhaupt nicht erfasst. Dabei gelangen diese zusätzlich auf Äcker, Wiesen und Weiden, aber auch auf stickstoffsensible Flächen wie Wälder und Gewässer.
III.     Der Landtag stellt fest:
·           Die von der Bundesregierung verfasste DüngeVO stellt insbesondere in den roten Gebieten ein unzureichendes Instrument dar, um Gewässer ausreichend vor übermäßigen Stickstoffeinträgen zu schützen.
·           Die aktuelle DüngeVO ist für die Landwirtschaft wenig praktikabel und mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden.
·           Die Meldung neuer verschärfter Maßnahmen durch die Bundesregierung an die EU vorbei an den Verbänden der Landwirtschaft, der Wasserwirtschaft und des Natur- und Umweltschutzes sowie der Bundesländer stellen eine Missachtung dieser zu beteiligenden Akteure dar.
IV.    Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1.      Den Landtag so zeitnah wie möglich über einen Plan zur Umsetzung einer novellierten Düngeverordnung zu informieren.
2.      Bäuerinnen und Bauern beim Schutz von Wasser und Umwelt zu unterstützen und nachhaltige Formen der Landnutzung und Tierhaltung zu fördern.
3.      sich dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung umgehend einen intensiven Abstimmungsprozess mit den zu beteiligenden Verbänden sowie den Bundesländern einleitet, um deren Mitwirkung nachzuholen und deren Fachexpertise zur Verbesserung der DüngeVO einzubeziehen.
4.      sich bei der Überarbeitung der DüngeVO auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der Schutz der Oberflächengewässer und des Grundwassers insbesondere in den roten Gebieten gewährleistet wird.
5.      bei der Überarbeitung der DüngeVO darauf hinzuwirken, dass Bäuerinnen und Bauern für die Praxis Regelungen auferlegt werden, die verständlich sind und keinen überhöhten bürokratischen Aufwand für die Landwirtschaft bedeuten.
6.      sich dafür einzusetzen, dass auch bislang unberücksichtigte Faktoren – wie die Stickstoffvorbelastung, das Auswaschungsrisiko des eingesetzten Stickstoffs sowie die Bodenqualität Eingang in die DüngeVO finden.
7.      sich gegenüber der Bundesregierung für eine Beibehaltung und deutliche Absenkung des Bilanzüberschusses und des Kontrollwertes für den Nährstoffvergleich, insbesondere in den roten Gebieten einzusetzen.
8.      sich gegenüber der Bundesregierung für die Einführung einer einfachen aber verpflichtenden Hoftorbilanz, die sämtliche Nährstoffeingänge und Ausgänge erfasst und so zu einer klaren Berechnung des Stickstoffüberschusses führt, einzusetzen.