Für eine nachhaltige und zielorientierte Agrarpolitik in Europa und Nordrhein-Westfalen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Norwich Rüße

I.  Vorschläge zur Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2021
Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) ist das Kernstück der Europäischen Einigung und stellt bis heute den größten Förderposten im EU-Haushalt dar. Die Direktzahlungen machen etwa drei Viertel der gesamten der GAP-Agrarförderung aus und entscheiden neben den Marktregeln somit maßgeblich, welche Art der Landwirtschaft sich für Europas Bäuerinnen und Bauern rentabel gestaltet.
Mit dem Jahr 2021 beginnt eine neue Förderperiode. Die Neuaufstellung der Agrarförderung befindet sich derzeit in der Diskussion und bietet die Möglichkeit, eine Agrarförderung aufzustellen, die sich EU-weit gleichermaßen auf Umwelt, biologische Vielfalt, Tierschutz und wirtschaftliche Perspektiven für bäuerliche Betriebe und ländliche Gemeinschaften ausrichtet. Dazu bedarf es eines klaren europäischen Rahmens, ansonsten drohen Leistungen für Nachhaltigkeit und Tierschutz ebenso wie faire Einkommen und die ländliche Entwicklung im Unterbietungswettlauf der Mitgliedsstaaten unterzugehen.
Das Fördervolumen der aktuellen Periode 2014-2020 umfasst deutschlandweit 43,4 Mrd. EUR. Die GAP-Förderstruktur teilt sich auf in Direktzahlungen (in der ersten Säule) und die Programme zur Förderung des Ländlichen Raums (zweite Säule). Die erste Säule macht in NRW jährlich 470 Mio. Euro und somit drei Viertel der Gesamtagrarförderung aus und wird den Betrieben pauschal pro Hektar als Einkommensunterstützung ausgezahlt. Die Mittel aus der zweiten Säule sind national kofinanziert und durch Förderprogramme zugeteilt, deren Ausgestaltung die Bundesländer vornehmen. Für das NRW-Programm Ländlicher Raum von 2014-2020 ergibt sich ein geplantes Fördervolumen von insgesamt 1,2 Mrd. EUR (inklusive Kofinanzierung von NRW und Bund). Die Mittel leisten in Nordrhein-Westfalen einen wertvollen Beitrag für umwelt-, natur- und tierschutzbezogene Förderungen, insbesondere für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, und sind somit unverzichtbar für den Erhalt und die Entwicklung lebenswerter ländlicher Räume und die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft.
Im Prozess um die Neugestaltung der folgenden Förderperiode hat die Europäische Kommission im Juni 2018 ihre Verordnungsentwürfe für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Jahre 2021-2027 vorgelegt. Die EU-Kommission hält fest an der Zweisäulenstruktur, den pro Hektar Fläche berechneten Direktzahlungen und kürzt besonders stark bei den ohnehin schon deutlich schwächer ausgestatteten Mitteln zur Entwicklung des ländlichen Raums. Das gesamte Fördervolumen wird – nicht zuletzt aufgrund der Mindereinnahmen durch den Ausstieg Großbritanniens aus der Gemeinschaft – auf 365 Milliarden Euro abgeschmolzen.
Zur Verrechnung schlägt die EU-Kommission eine Kürzung der Direktzahlungen (1. Säule) um EU-weit 1,5 Prozent und eine Kürzung des Fördervolumens (2. Säule) um 15 Prozent vor. Mitgliedsstaaten sollen zusätzlich 15 Prozent der Mittel der ersten in die zweite Säule und umgekehrt übertragen können. Zusätzlich können sie weitere bis zu 15 Prozent speziell für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in die zweite Säule umschichten. So sehr die Umschichtungsmöglichkeiten von der ersten in die zweite Säule zu begrüßen sind, so bedeutet doch die vorgeschlagene EU-weite Kürzung der zweiten Säule eine fatale Schwächung der gezielten Förderung von landwirtschaftlichen Umwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen, der Ökolandbauförderung, der ländlichen Entwicklung und der regionalen Vermarktung. In der zweiten Säule erreicht die Agrarförderung die höchste Gemeinwohlleistung, daher ist eine Kürzung hier, gemessen an den anhaltenden Herausforderungen wie Klimaschutz, Erhalt der Biodiversität und Verbesserungen im Tierschutz, ein vollkommen falsches Signal.
Darüber hinaus sieht die EU-Kommission eine Abschaffung des „Greenings“ mit seinen allgemeinen Zusatzleistungen für Natur und Umwelt in der ersten Säule vor. Zwar werden drei zentrale Anliegen zu den Grundanforderungen (sogenannte Konditionalität) hinzugefügt, doch auch hier wird auf die Festlegung von Mindestzielen verzichtet. Bislang konnten bei Nichteinhaltung der Maßnahmen Direktzahlungen um 30 Prozent gekürzt werden. Zukünftig liegen sowohl die konkreten Anforderungen als auch diese Sanktionsmöglichkeiten vollständig in der Hand der Mitgliedsstaaten. Damit werden die Festschreibung EU-weit verbindlicher Umweltstandards und deren Durchsetzung rückentwickelt, obwohl nicht weniger, sondern mehr Ambition notwendig ist.
Der verpflichtende Aufschlag für die ersten Hektare ist ein sinnvolles Instrument zur Unterstützung der kleinen und mittleren Betriebe in der bäuerlichen Landwirtschaft. Auch die Einführung einer verpflichtenden Kappung der Flächenzahlungen ab 100.000 EUR, bei der eine Degression bereits ab 60.000 EUR greift, ist sicherlich ein gutes Signal im derzeitigen Entwurf. Betriebe, denen mehr Direktzahlungen zustehen, erhalten oberhalb dieser Summe nur noch einen gewissen Prozentsatz der Flächenprämie. Durch die Anrechenbarkeit der vollständigen Lohnkosten jedoch ist es fraglich, ob dies häufig zur Anwendung kommt.
II.  Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen
Im Vorschlag zur Ausgestaltung der GAP nach 2020 sind neun Ziele definiert. Neben dem Ziel der Einkommenssicherung werden gleichberechtigt dazu die Besserstellung der Landwirte in der Wertschöpfungskette, der Schutz des Klimas und der natürlichen Ressourcen, der Erhalt der biologischen Vielfalt und der Lebensräume, die Förderung des Generationswechsels, die Schaffung eines lebendigen ländlichen Raumes und eine verbesserte Berücksichtigung gesellschaftlicher Erwartung im Hinblick auf Ernährung, Gesundheit und Tierschutz gefordert. Diese Ziele sind zu unterstützen und um sie zu erreichen, ist eine differenzierte, zielgerichtete und kohärente Lenkung des Mitteleinsatzes unerlässlich.
Sämtliche Zahlungen, sowohl der ersten als auch der zweiten Säule, müssen auf das Leitbild „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ ausgerichtet sein. Das umschließt die Förderung ökologischer Dienstleistungen, also Maßnahmen, die in der Fläche dem Erhalt der Biodiversität und der Landschaftspflege dienen. Dazu zählen eine vielfältige Fruchtfolge auf dem Acker, eine flächengebundene Beweidung von Grünland, Streuobstwiesen, extensive Grünlandbewirtschaftungen, die Reduzierung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln, Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers und der Böden u.v.m. Auch der Erhalt einer bäuerlichen Kulturlandschaft mit vielen landwirtschaftlichen Betrieben zählt dazu. Innovations- und Investitionsmaßnahmen wie insbesondere der Umbau der Nutztierhaltung oder auch die Nutzung von Verbesserungspotenzialen durch eine Digitalisierung in der Landwirtschaft gilt es ebenso zu stärken.
Mit der Förderung öffentlicher Leistungen, die bisher nicht über die Einkünfte am Markt gedeckt werden, können und sollten Landwirte auf diese Weise eine Honorierung und einen finanziellen Anreiz erhalten, diese Leistungen zu erbringen und Einkommen zu generieren. Mit positiven gesellschaftlichen Leistungen ist ein positives Ansehen der Landwirte verbunden, welches zuletzt durch Diskussionen über Nitratbelastungen, Pflanzenschutzmittel und Tierschutzverstößen gelitten hat. Die Mittel beider Säulen müssen daher mit klarer Anreizkomponente die unternehmerische Leistung der Bäuerinnen und Bauern honorieren.
Im Bereich der Gemeinsamen Marktorganisation fehlen in den Vorschlägen der EU- Kommission Maßnahmen, die insbesondere aus der schweren Milchmarktkrise 2015/2016 die notwendigen Konsequenzen ziehen. Es müssen zusätzliche Instrumente bereitgestellt werden, um im Falle von drohenden starken Marktungleichgewichten zeitnah und wirksam branchenfinanzierte Anreize zum Gegensteuern setzen zu können.
Die Landwirtschaftsminister der 16 Bundesländer und die Bundeslandwirtschaftsministerin haben auf einem gemeinsamen Treffen im Juli bekräftigt, bis September eine gemeinsame Position zum Kommissionsvorschlag zu erarbeiten. Diesen Prozess zur Umgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik gilt es zu nutzen, um eine Agrarförderung zu gestalten, die Landwirte unterstützt und gleichzeitig einen wertvollen Beitrag zum Umwelt-, Arten-, Klima- und Tierschutz leistet.
III.  Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • sich gegenüber der EU-Kommission, der Bundesregierung und im Austausch mit den anderen Bundesländer für eine Umstrukturierung der Gemeinsamen Agrarpolitik einzusetzen, die folgende Forderungen umfasst:
  1. Sämtliche Zahlungen gemäß dem Leitbild „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ ausrichten, zur Schaffung zielgerichteter finanzieller Anreizkomponenten für die Betriebe.
  2. Eine stärkere Berücksichtigung kleinerer und mittlerer bäuerlicher Betriebe in der Agrarförderung.
  3. Eine EU-weite finanzielle Stärkung der spezifischen Förderbereiche (2. Säule), einschließlich der Schaffung von Anreizen zur Agrarumwelt- und Tierschutzförderung.
  4. Keine Abschmelzung der zweiten Säule, sondern eine Aufstockung (auch durch Umschichtungen).
  5. Festschreibung eines mindestens 30-prozentigen Anteils der Direktzahlungen für Umwelt-, Klima- und Natur- sowie Tierschutzmaßnahmen im Rahmen der einjährigen Fördermaßnahmen der ersten Säule (Eco-schemes).
  6. Weiterentwicklung der bisherigen Greening-Kriterien zu einem umfassenden Nachhaltigkeitsansatz und Aufnahme in die neuen Grundanforderungen („Konditionalität“).
  7. Eine Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten zum Erreichen erheblicher und messbarer Fortschritte im Bereich Umwelt- und Naturschutz (Nutzung wirkungsbezogener Indikatoren). Bestehende europäische Richtlinien und Vereinbarungen definieren hier den Mindeststandard.
  8. Ein spürbarer Bürokratieabbau für landwirtschaftliche Betriebe, insbesondere bei der Verschiebung von Verantwortlichkeiten von der EU auf die Mitgliedsstaaten.