Für eine bäuerliche Landwirtschaft – die Chancen der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 auf nationaler Ebene nutzen!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I. Sachverhalt:

Der Entscheidungsprozess zur Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU nach 2013 ist nahezu abgeschlossen. Trotz heftigen Widerstandes seitens der Bundesregierung und des Deutschen Bauernverbandes hat der Einstieg in die ökologische Ausrichtung der Europäischen Agrarpolitik stattgefunden. Mit dieser Reform wird das Prinzip „Öffentliche Gelder für öffentliche Güter“ endgültig in der europäischen Agrarpolitik verankert und zukünftigen Verhandlungen als Richtschnur dienen.
Der dramatisch voranschreitende Verlust an Biodiversität hängt für viele Arten unmittelbar mit der stetig weiter voranschreitenden und von der auch durch die bisherige EU-Agrarpolitik geförderten Industrialisierung der Landwirtschaft zusammen. Immer stärker sind in den letzten Jahren ökologisch vorteilhafte Wirtschaftsformen wie die Weidewirtschaft oder weit gestellte Fruchtfolgen durch die Agrarintensivierung beseitigt worden. Ein massiver Verlust an Grünland sowie die Konzentration auf wenige lukrative Feldfrüchte führen zur ökologischen Verarmung ganzer Regionen. Angesichts dieser teilweise dramatischen Auswirkungen auf Landschaft und Natur ist der Einstieg in die Ökologisierung der europäischen Agrarpolitik kein Luxus, sondern eine zwingende Notwendigkeit und wird von großen Teilen der Bevölkerung auch gewünscht.
Laut einer Umfrage des Deutschen Bauernverbandes von 2012 erwarten mehr als 80 Prozent aller Deutschen, dass die Landwirtinnen und Landwirte verantwortungsvoll mit ihren Tieren, mit den Böden, dem Wasser und der Luft umgehen. Dass diese Erwartungen auch erfüllt werden, glaubte jedoch nur ein Drittel der Befragten.
Ein ursprüngliches Ziel der europäischen Agrarpolitik, nämlich der Erhalt einer vielfältigen bäuerlichen Landwirtschaft – droht derzeit angesichts des Größenwachstums einzelner Betriebe und der weiter voranschreitenden Aufgabe von Höfen verloren zu gehen. Während in Nordrhein-Westfalen 1979 noch über 107.800 Betriebe gezählt wurden, gab es laut Angaben des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW) und der Landwirtschaftskammer NRW 2010 nur noch 35.750 land- und gartenbauliche Höfe – damit schlossen in drei Jahrzehnten fast zwei von drei nordrhein-westfälischen Bauernhöfen für immer ihre Tore! Bei Fortschreiten dieser Entwicklung dürfte die Zahl der Betriebe bis 2020 auf unter 30.000 sinken. Für die Vielfalt in der Landbewirtschaftung und in der Tierhaltung sowie für unsere Kulturlandschaft ist dieser Prozess insgesamt ein nicht hinzunehmender Verlust.
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, die von der EU jetzt eröffneten Handlungsspielräume auf nationaler Ebene zu nutzen, um die Landwirtschaft und die Ländlichen Räume in NRW zukunftsfest zu machen und die anstehenden ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen.

II. Der nordrhein-westfälische Landtag stellt fest:

Obwohl die gemeinsame europäische Agrarpolitik das Ziel hat, eine vielfältige Landwirtschaft zu sichern, hat sich die Landwirtschaft genau entgegengesetzt entwickelt. Die Verdrängung bäuerlicher Betriebe schreitet weiter voran, der Ackerbau wird immer einseitiger und die Tierhaltung industrialisiert sich zunehmend in Größenstrukturen, die gesellschaftlich kaum noch Akzeptanz finden.
Angesichts der Tatsache, dass die Intensivierung der Landwirtschaft dazu beigetragen hat, dass mittlerweile ein Viertel unserer heimischen Pflanzenarten und ein Drittel der Tierarten vom Aussterben bedroht sind, ist die stärkere ökologische Ausrichtung der europäischen Förderpolitik zu begrüßen.
Eine zukünftige Legitimation der jährlich rund 50 Mrd. Euro, dies entspricht rund 43 Prozent des gesamten EU-Haushaltes, die für den europäischen Agrarsektor eingesetzt werden sollen, ist davon abhängig, dass die Landwirtschaft nicht nur eigenen ökonomischen Interessen folgt, sondern auch den gesellschaftlichen Interessen insgesamt gerecht wird.
Für die Landwirtschaft und die Ländlichen Räume in Nordrhein-Westfalen sind die Förderprogramme der sogenannten Zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik von hoher Bedeutung. Sie ermöglichen eine umwelt- und tiergerechte Ausrichtung der Landwirtschaft so- wie eine Entwicklung von bäuerlichen Betrieben jenseits der agrarindustriellen Strukturen. Gleichzeitig geben die Gelder aus der 2. Säule wichtige Impulse für die Entwicklung unserer Ländlichen Räume, die aktuell vor enormen Herausforderungen gestellt sind.

III. Der nordrhein-westfälische Landtag beschließt:

Die Landesregierung möge sich in den anstehenden Diskussionen zur nationalen Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik insbesondere für Folgendes einsetzen:
1. Die von der EU gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten auf nationaler Ebene sind zu nutzen, um die Agrarfördermittel zukünftig gerechter auf die landwirtschaftlichen Betriebe zu verteilen und insbesondere die Förderung kleinerer und mittlerer Bauernhöfe zu verbessern. Deshalb ist die von der EU in Aussicht gestellte Möglichkeit eines Zahlungsaufschlags für die ersten Hektar pro Betrieb maximal zu nutzen und ein deutlicher Zahlungsaufschlag pro Hektar vorzusehen, der unsere nordrhein-westfälischen kleineren und mittleren Betriebe in ihrem Fortbestand stärkt;
2. Um den wachsenden Förderbedarf für die Leistungen der Landwirtschaft im Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutz sowie für Impulse zur Entwicklung der ländlichen Räume decken zu können, müssen die maximal von der EU ermöglichten Mittel von der ersten in die zweite Säule umgeschichtet werden;
3. Die Umsetzung der Förderrichtlinien sind so zu gestalten, dass sie mit reduziertem Verwaltungsaufwand umsetzbar und praxisnah sind;
Die Landesregierung möge sich im Hinblick auf die europäische Ebene auch zukünftig für Folgendes einsetzen:
1. Darauf hinzuwirken, dass alle Verstöße gegen Greening-Maßnahmen (obligatorische Anbaudiversifizierung, Erhalt von Dauergrünland und ökologischen Vorrangflächen) umfassend geahndet werden;
2. Die EU-Vorgaben zur Fruchtfolge so zu erweitern, dass sie einer guten fachlichen Praxis entsprechen;