Fragwürdiger Umgang der Landesregierung mit Vergabeerleichterungen im Zuge der Eindämmung der Corona-Pandemie

Kleine Anfrage von Johannes Remmel

Am 19.03.2020 verfasste das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ein Rundschreiben an die Bundesressorts, Länder, Kommunalen Spitzenverbände und Geschäftsbereichsbehörden des BMWi. Darin wurden Ausführungen zur Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Beschaffung von Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus getätigt. Ausdrücklich wurde dabei auf Ausnahmetatbestände hingewiesen, um eine schnelle und effiziente Beschaffung in Dringlichkeits- und Notfallsituationen zu ermöglichen. So sollte unterhalb der EU-Schwellenwerte eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb möglich sein (Aufforderung an mindestens drei Unternehmen, Angebote abzugeben). Bei besonders dringlichen Leistungen, deren Dringlichkeit vom Auftraggeber weder vorhergesehen werden konnte noch verschuldet worden ist, kann demnach ausnahmsweise auch nur ein Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Letztere Voraussetzung sah der Landesrechnungshof (LRH) in seiner Stellungnahme „Beratungsbericht gemäß § 88 Abs. 2 Landeshaushaltsordnung zu vergaberechtlichen Maßnahmen während der Corona-Pandemie“ (http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-5080.pdf) vom 27.04.2021 im Falle der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie regelmäßig als gegeben an (vgl. S. 5).

Über diese Ausnahmeregelungen ging die Landesregierung (namentlich das Finanzministerium, FM, und das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, MWIDE) lt. LRH jedoch deutlich hinaus, was zu dessen harter Kritik an diversen in der Folgezeit herausgegebenen gemeinsamen Runderlassen führte. Entsprechende Äußerungen des LRH zu den geplanten Regelungen gingen der Landesregierung am 26.03.2020, am 18.06.2020 und am 19.11.2020 zu. Lt. LRH übernahm die Landesregierung jedoch ausschließlich dessen auf reine Formalitäten bezogenen Anmerkungen, während sie inhaltliche Kritikpunkte an den geplanten Runderlassen vollständig unberücksichtigt ließ.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Mit welcher Begründung haben Finanzministerium und MWIDE für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen, die der Eindämmung und kurzfristigen Bewältigung der Corona-Epidemie und/oder der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs dienen, unterhalb der EU-Schwellenwerte die Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) bei Vergaben mehrfach befristet ausgesetzt – trotz der Bedenken des LRH und der dringenden, mehrmals vorgebrachten Empfehlung, davon abzusehen?
  2. Warum ist die Aussetzung der UVgO nach dem 30.06.2020 nicht aufgehoben worden, obwohl – wie der LRH in seinem Bericht (vgl. S.7) feststellt – im Juni 2020 weder Lieferengpässe noch ein Mangel an Hygienemitteln oder sonstigen Waren in den Beständen zu verzeichnen waren?
  3. Welche berechtigten Gründe kann die Landesregierung für ihren Runderlass vom 07.12.2020 anführen, der eine erneute Verlängerung der Aussetzung der UVgO bis zum 30.06.2021 zur Folge hatte?
  4. Welche Argumente kann die Landesregierung der Kritik des LRH in dessen Bericht, die „Aussetzung der UVgO setze alle vergaberechtlichen Vorschriften für die Unterschwellenvergabe von Liefer- und Dienstleistungen außer Kraft und somit auch wesentliche Bestimmungen, wie das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot, die Korruptionsprävention und die Dokumentationspflichten“ (vgl. S. 8) entgegensetzen ?
  5. Zusätzlich regte der LRH mit Blick auf Maßnahmen, die den EU-Schwellenwert erreichen oder überschreiten – für die ebenfalls Vergabeerleichterungen in den erwähnten Runderlässen festgelegt worden waren –, das Vorliegen einer Ausnahmesituation nachvollziehbar zu dokumentieren. Welche konkreten Vergaben wurden nach diesen Festlegungen getätigt? (Bitte einzeln und unter Angabe des Grundes für das Vorliegen einer Ausnahmesituation und des Preisrahmens der Vergabe aufführen.)