Fachkraftoffensive in NRW starten! Qualität in der frühkindlichen Bildung steigern!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Josefine Paul

Kindertageseinrichtungen legen einen wichtigen Grundstein für gelingende Bildungsbiographien von Kindern. Heute sind sich alle Akteure einig: Auf den Anfang kommt es an. Qualitativ gute frühkindliche Bildung braucht gut ausgebildete Fachkräfte. Leider ist auch im diesem Bereich der Fachkräftebedarf evident. Der Forschungsverbund DJI/TU Dortmund veröffentlichte im Jahr 2017 eine Studie. Diese geht von einem Bedarf an 328.000 pädagogischen Fachkräften in der Kinderbetreuung bis zum Jahr 2025 aus.
Nach der Bertelsmann-Stiftung soll für eine qualitative gute Betreuung im U3-Bereich eine Fachkraft-Kind-Relation von 1 zu 3 und im Ü3-Bereich eine Relation von 1 zu 7.5 gewährleistet sein. Für NRW bedeutet dies, dass rund 16.000 Erzieherinnen und Erzieher zusätzlich eingestellt werden müssten. Denn der Fachkraft-Kind-Schlüssel ist ein wichtiger Indikator für gute Qualität in der frühkindlichen Bildung. Die vorgelegten Zahlen der Bertelsmann-Stiftung geben dabei einen guten Anhaltspunkt. Für die Konzipierung eines neuen KITA-Gesetzes wäre es angezeigt, einen Personalschlüssel für Einrichtungen festzuschreiben.
Gestiegenen Bedarf an Betreuungsplätzen decken
Darüber hinaus kann aktuell der bereits bestehende Bedarf an Fachkräften teilweise nicht gedeckt werden. Die Betreuungsplätze in NRW decken nicht den Betreuungsbedarf der Eltern. Der U3-Aubau muss verstetigt werden. Der Rechtsanspruch der Ein- bis Zweijährigen auf einen Betreuungsplatz konnte in NRW durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Land und Kommunen umgesetzt werden. Die Zahlen belegen den enormen Ausbau, insbesondere der Plätze für unter dreijährige Kinder: Seit 2010 ist ein Anstieg von rund 88.600 auf rund
191.300 im Jahre 2018 zu verzeichnen. Doch damit ist der Bedarf an Betreuungsplätzen noch nicht gedeckt.
Gründe hierfür sind unter anderem eine gestiegene Geburtenrate, mehr Kinder aus zugewanderten Familien, aber auch ein generell höherer Bedarf an Betreuungsplätzen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das durch den Rechtsanspruch entstandene zusätzliche Angebot wird stärker durch Eltern in Anspruch genommen, als dies zunächst angenommen wurde.
Derzeit sind nach einem Bericht des MKFFI 111.200 Beschäftigte in den nordrhein- westfälischen Kindertageseinrichtungen tätig. So konnten in den vergangenen 10 Jahren insgesamt rund 34.000 zusätzliche Beschäftigte für die Arbeit in den NRW-Kitas gewonnen werden. Nach dem Bericht des MKFFI stellt dies eine Steigerung von 44% dar. Auch die Ausbildungszahlen konnten massiv gesteigert werden. Innerhalb von zehn Schuljahren (2007/08-2016/17) ist die Zahl der jungen Menschen in Erzieherausbildung um rund 9.000 Personen und damit rund 56% angestiegen. Damit ist die Grenze in den Strukturen der bestehenden Ausbildung der Erzieher und Erzieherinnen erreicht.
Die gestiegenen Bedarfe im Bereich der Offenen Ganztagsschule (OGS) und die Ankündigung der Großen Koalition auf Bundesebene, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung bis zum Jahr 2025 umzusetzen, verstärken den Bedarf nach pädagogischen Fachkräften. Auch bei der Weiterentwicklung des Offenen Ganztages steht die Qualität im Vordergrund. Bund und Land müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass auch in der OGS ausreichend pädagogische Fachkräfte zur Verfügung stehen.
Maßnahmenpaket zur Fachkräftegewinnung in NRW schnüren und zeitnah umsetzen:
Um Fachkräfte zu gewinnen, braucht es ein Bündel an Maßnahmen. Dazu gehört die Steigerung der Attraktivität des Berufs. Gesamtgesellschaftlich muss die wertvolle Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher wertgeschätzt und auch finanziell honoriert werden. Durch gute Bildung schaffen wir Chancengerechtigkeit in unserem Land. Entsprechend ist der genannte Beruf eine bedeutsame und verantwortungsvolle Tätigkeit. Die Träger müssen durch eine auskömmliche Finanzierung in die Lage versetzt werden, ihre Beschäftigten angemessen zu vergüten. Auch gute Arbeitsbedingungen tragen zur Attraktivitätssteigerung des Berufs bei, so durch die Umsetzung eines fachlich begründeten Personalschlüssels, in den direkte und indirekte pädagogische Arbeit, Krankheits- und Urlaubstage sowie Fortbildungs- und Leitungszeiten eingerechnet sind.
Zur Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes trägt auch eine zeitgemäße Ausgestaltung der Ausbildung bei. Dazu zählt die Ermöglichung unterschiedlicher Zugänge zu Berufen in der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Neben der klassischen Erzieherausbildung in den Bildungsgängen am Berufskolleg in NRW, muss die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) gestärkt werden. Sie bietet Auszubildenden die Möglichkeit, einen Praxisteil in einer Einrichtung und einen schulischen Teil parallel zu absolvieren. Neben einer angemessenen Ausbildungsvergütung müssen vor allem Einrichtungen finanziell unterstützt werden, die Ausbildungsplätze anbieten. Auch diese Bausteine müssen in einem neuen KITA-Gesetz berücksichtigt werden.
Zur Erweiterung der Ausbildungskapazitäten für Erzieherinnen und Erzieher in NRW ist es auch zwingend erforderlich, mehr Lehrerinnen und Lehrer für die Fachschulen auszubilden. Entsprechend werden mehr Standorte zur Ausbildung der Lehrkräfte benötigt.
Kinder, die in den Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege betreut werden, bilden unsere vielfältige Gesellschaft ab. Die heutigen Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege sind inklusiv und multikulturell. Multiprofessionelle Teams sind entsprechend nicht nur eine Maßnahme, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sondern werden unserer gesellschaftlichen Diversität und ihrer entsprechenden Förderungsbedarfe gerecht.
So trägt ein Personalmix aus ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern, Kindheitspädagoginnen und -pädagogen, Fachkräften der Kinderpflege, der Heilpädagogik und Heilerziehungspflege sowie weiteren ergänzenden Kräften zur Qualitätssteigerung im System der frühkindlichen Bildung bei. Mit dem Ziel, die Erziehung in den Kitas weitergehend zu professionalisieren, wünschen sich viele Einrichtungen und Träger zudem einen ergänzenden Einsatz von akademisch geschulten Pädagoginnen und Pädagogen in den Teams.
Um Hochschulabsolventinnen und -absolventen für eine Tätigkeit zu gewinnen, müssen ihnen angemessene Bedingungen und Perspektiven in den Einrichtungen geboten werden.
Für eine dauerhafte Sicherung der Fachkräfte müssen auch verstärkt Gruppen in den Blick genommen werden, die bislang unterrepräsentiert sind. Dazu gehören mehr Männer, aber auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse sowie ggf. notwendige Möglichkeiten der Fort- und Weiterqualifizierung. Gleichzeitig muss die Möglichkeit zum Quereinstieg sowie die Rückkehr in den Erzieherinnen- und Erzieher-Beruf deutlich verbessert werden.
Der Landtag beschließt:
Die Landesregierung soll dafür Sorge tragen, dass das Maßnahmenpaket zur Fachkräftesicherung und -gewinnung im Berufsfeld der Erzieherin und des Erziehers, das im Rahmen der von der Jugend- und Familienministerkonferenz gegründeten Arbeitsgruppe konzipiert wird, in NRW zeitnah umgesetzt und finanziell hinterlegt wird.
Die Landesregierung wird aufgefordert, auf Landesebene entschlossen dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, indem sie insbesondere
a) die Attraktivität pädagogischer Fachberufe in der frühkindlichen Bildung steigert. Hierfür müssen im Rahmen der neuen Gesetzgebung die Arbeitsbedingungen und die Vergütung durch eine auskömmliche nachhaltige Finanzierung sichergestellt werden.
b) die Attraktivität der Erzieherausbildung steigert. Hierfür muss die praxisorientierte Ausbildung (PIA) verstärkt gefördert werden. PIA wird weiter ausgebaut und Träger sollen dabei unterstützt werden, Auszubildende einzustellen.
c) verstärkt unterrepräsentierte Gruppen in der frühkindlichen Bildung in den Blick nimmt und ihnen den Einstieg in den Beruf ermöglicht.
d) den Einsatz multiprofessioneller Teams fördert und Auszubildende im Personalschlüssel des KiBiz zukünftig adäquat berücksichtigt. Drüber hinaus muss sie Hochschulabsolventinnen und –absolventen bessere berufliche Bedingungen und Perspektiven in den Einrichtungen ermöglichen.
e) nicht deutsche Berufsabschlüsse nach Möglichkeit besser anerkennt und offensiv notwendige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bewirbt.
f) die Zugangsvoraussetzung für einen Quereinstieg in die pädagogischen Fachberufe evaluiert und ggf. anpasst.
g) pädagogischen Fachkräften durch qualifizierte Fort- und Weiterbildungen den Einstieg und auch die Rückkehr in die pädagogische Arbeit erleichtert.
h) den Ergänzungskräften, insbesondere die Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger, in der frühkindlichen Bildung geeignete Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für ihre berufliche Entwicklung anbietet.
i) die Anzahl der Auszubildenden deutlich erhöht. Entsprechend müssen auch die Ausbildungskapazitäten der Lehrerinnen und Lehrer, die Erzieherinnen und Erzieher unterrichten, deutlich ausgebaut werden.