Fachkräftesicherung und Fortbildungsinitiativen für die Land- und Forstwirtschaft so­wie den Gartenbau in Nordrhein-Westfalen

Gemeinsamer Antrag von CDU und Grünen im Landtag

Portrait Gregor Kaiser - klein

I. Ausgangslage

Die Land- und Forstwirtschaft sowie der Gartenbau sind in Nordrhein-Westfalen bedeutende Wirtschaftssektoren; so haben die jeweiligen Sektoren u. a. über die Rohstoffbereitstellung eine Schlüsselposition inne und sind zudem für den ländlichen und in Teilen strukturschwa­chen Raum hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeiten von hoher Relevanz. Die landwirt­schaftliche Fläche und die Waldfläche Nordrhein-Westfalens betragen zusammen rund 72 Prozent der Landesfläche. Zeitgleich stehen die Sektoren vor der Aufgabe, bislang beste­hende Produktionsprozesse im Sinne des Biodiversitätsschutzes und der Klimaresilienz neu zu strukturieren.

Tätigkeitsfelder der sogenannten „Grünen Berufe“ haben, neben ihrem Ursprung, der Urpro­duktion von Lebensmitteln, von pflanzlichen, tierischen und gärtnerischen Produkten, Rohstof­fen und landwirtschaftlichen Dienstleistungen eine tragende Funktion bei der Bewältigung der in den nächsten Jahren anstehenden Herausforderungen zu den Themen Klimawandel, Um­weltschutz und Stadtentwicklung (wie z. B. der Schwammstadt) und der Entwicklung einer grünen Infrastruktur in Städten und Gemeinden.

In Nordrhein-Westfalen leisten die Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft sowie des Dienstleistungs- und Produktionsgartenbaus wichtige Beiträge zum Klima-, Natur- und Um­weltschutz sowie zur Klimafolgenanpassung. Dies kann nur mit einer angemessenen Anzahl qualifizierter Fachkräfte erfolgreich umgesetzt werden. Die qualifizierte Ausbildung junger Menschen in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau ist dafür die Grundvorausset­zung.

Wie viele andere Wirtschaftsbereiche stellt der Fachkräftemangel sowohl die land- und forst­wirtschaftlichen Betriebe und Unternehmen als auch den Gartenbau vor Herausforderungen, die sich sowohl auf die Effizienz, aber auch die Nachhaltigkeit dieser Sektoren auswirken kön­nen. Bei der Ausbildung in den „Grünen Berufen“ sank die Zahl der abgeschlossenen Ausbil­dungsverträge im Jahr 2022 um sieben Prozent im Vergleich zu 2021, wobei sich im Verlauf der letzten Jahre stärkere Schwankungen je nach Ausbildungsberuf abzeichnen. Im Bereich der Landwirtschaft ist die Zahl der Arbeitskräfte auf den Betrieben von 2010 bis 2020 um 3,5 Prozent gesunken. Im Bereich der Forstwirtschaft belief sich der Rückgang in diesem Zeitraum sogar auf rund sechs Prozent, wobei die Ausbildungszahlen seit 2021 wieder eine ansteigende Tendenz aufweisen.

Um die Attraktivität dieser Berufe zu steigern und über die vielfältigen Ausbildungsinhalte zu informieren, bedarf es unter anderem durch Informationsveranstaltungen für Schülerinnen, Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer. Darüber hinaus dient eine verbesserte Berufs- und Studienberatung in allen Schulformen, mit umfassender Transparenz der Karrierechancen ein­zelner Berufe, der Angleichung beruflicher und akademischer Bildung. Das führt zu einem ver­besserten Bewusstsein bei jungen Menschen und ihren Familien, als Multiplikatoren auch für Berufsfelder der Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau hinsichtlich der Berufswahl offen zu sein. In dieser Hinsicht ist auch die Gewinnung neuer Fachlehrkräfte bzw. die Qualifizierung von Bestandslehrkräften von besonderer Bedeutung für eine qualifizierte Ausbildung der land-, forstwirtschaftlichen und gartenbaulichen Fachkräfte.

Sowohl im Landesbetrieb Wald und Holz NRW als auch bei anderen forstlichen Dienstleistern bedarf es aktuell und mittelfristig ausreichendes Fachpersonal zur Bewältigung der Aufgabe Waldumbau im Klimawandel. Eine Ausbildungsinitiative wurde bereits durch eine Absichtser­klärung im Waldpakt 2019 durch die Landesregierung unterstützt.

In diesem Kontext bedarf es – in Kooperation mit den Sozialpartnerinnen und Sozialpartnern – einer Prüfung und Weiterentwicklung bestehender Ausbildungsinhalte und der Rahmenleh­rpläne mit Blick auf relevantes Wissen und Kompetenzen u. a. im Bereich moderner und nach­haltiger Produktionsverfahren, der Klimafolgenanpassung sowie neuer Techniken. Diesbezüg­lich sollte sich das Land für eine parallele Weiterentwicklung der Ausbildungsordnungen auf Bundesebene – so wie es in der Landwirtschaft schon passiert – einsetzen. So wurde z. B. die Verordnung über die Berufsausbildung zum Forstwirt bzw. zur Forstwirtin zuletzt im Jahr 1998 angepasst.

Die Berufshauptgruppe der „Land-, Tier- und Forstwirtschaftsberufe“ ist eine von 37 Berufs-hauptgruppen auf der 2-Steller-Ebene der Klassifikation der Berufe, welche nahezu alle „Grü­nen Berufe“ umfasst und auf Ausbildungsverordnungen systembasiert. Die Bundesverordnun­gen über die entsprechenden Berufsausbildungen und Ausbildungsinhalte sichern dabei die Qualität und Kontinuität in der Ausbildung und dem Berufsstand.

Um dem Fachkräftedefizit in nachgelagerten Bereichen, wie z. B. dem Lebensmittelhandwerk, zu begegnen, gilt es innovative Lösungsansätze zu suchen, umzusetzen und zu evaluieren. So planen benachbarte Bundesländer ein staatlich zertifiziertes Weiterbildungsangebot, in dessen Rahmen Landwirtinnen und Landwirte sich in einzelnen Bereichen der Lebensmittel­weiterverarbeitung, so z.B. der Schlachtung oder Käseherstellung, fortbilden können. Dieses Angebot hilft den Betrieben darüber hinaus Lücken in der Logistikkette zu schließen und eine höhere Wertschöpfung zu generieren.

Ein weiterer zentraler Grund für den Fachkräftemangel in Nordrhein-Westfalen ist die aktuelle demografische Entwicklung. Es fehlt an jungen Menschen, die sich für eine Ausbildung oder ein Studium im Gartenbau und in der Land- und Forstwirtschaft entscheiden. Vor diesem Hin­tergrund spielen ein vereinfachter Zugang und die Anerkennung von ausländischen Berufsab­schlüssen für Arbeitskräfte in diesen Sektoren eine wichtige Rolle.

Neben der Steigerung der Ausbildungszahlen bedarf es zur Abmilderung des Fachkräftedefi­zits des Ausbaus von Fortbildungsangeboten für Gärtnerinnen und Gärtner, Forstwirtinnen und Forstwirte, Landwirtinnen und Landwirte und Arbeitskräfte in den jeweiligen Tätigkeitsfeldern sowie Weiterbildungsangebote für Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer.

Entlang der o. g. Erweiterung von Ausbildungsinhalten müssen auch für diesen Bereich niedrigschwellige Angebote geschaffen werden, um Fachpersonal, welches bereits in der Praxis tätig ist, auf die bestehenden Herausforderungen vorzubereiten.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Die Land- und Forstwirtschaft sowie der Gartenbau sind wichtige Wirtschaftssektoren im ländlichen Raum und produzieren für die Gesellschaft Lebensmittel, übernehmen wich­tige Ökosystemleistungen und erzeugen nachwachsende Rohstoffe.
  • Aktuelle ökologische, ökonomische, und politische Veränderungen sowie technischen Entwicklungen wie die Digitalisierung stellen die Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbau vor große Herausforderungen, die eine Anpassung der Fortbildung und Wei­terbildung für die Fachkräfte in diesen Sektoren notwendig machen.
  • Zugleich sind diese Sektoren auch vom Arbeits- und Fachkräftemangel betroffen, insbe­sondere in Bereichen der praktischen handwerklichen Aufgaben in der Fläche.
  • Mit der Landwirtschaftskammer, dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW, sowie den Interessensvertretungsverbänden stehen gute Partner und Partnerinnen für eine inten­sive und fundierte Aus- und Weiterbildung zur Verfügung.
  • Die Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft sowie des Dienstleistungs- und Produk­tionsgartenbaus in Nordrhein-Westfalen leisten darüber hinaus wesentliche Beiträge zum Klima-, Natur- und Umweltschutz; gleichzeitig tragen sie die Ausbildung junger Men­schen.
  • Die Gewinnung von neuen Berufsschullehrkräften sowie die Anpassung und Weiterent­wicklung der Ausbildungsinhalte mit Blick auf Lehrpläne und Ausbildungsverordnungen sind die Grundvoraussetzungen für eine qualifizierte Ausbildung.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung, aus vorhandenen Mitteln

  • in Kooperation mit der Landwirtschaftskammer, dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW, und insbesondere den weiteren relevanten Verbänden aus Land-, Forstwirtschaft und Gartenbau verbesserte Informationen für die berufliche Ausbildung in Land- und Forstwirtschaft bereit zu stellen.
  • in Kooperation mit der Landwirtschaftskammer, dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW und den Berufsverbänden Schülerinnen und Schüler im Schulalltag praktische Erfahrun­gen zu ermöglichen und das Interesse für Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau als systemrelevante Branche zu wecken.
  • im Sinne der Berufsorientierung dafür Sorge zu tragen, dass die Berufs- und Studienbe­ratung transparent und in allen Schulformen gleichermaßen vollumfänglich und gleich­wertig hinsichtlich der Karrierechancen ausgestaltet wird.
  • einen Beitrag zur Gleichwertigkeit der beruflichen und akademischen Ausbildung zu leis­ten.
  • Fort- und Weiterbildungsangebote für Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer unter Be­rücksichtigung eines zukunftsorientierten, nachhaltigen Waldbaus auszuweiten.
  • für ein verstärktes Engagement von Leiterinnen und Leitern ökologisch wirtschaftender Betriebe in der praktischen beruflichen Ausbildung wie auch zur Mitwirkung in den Prü­fungsausschüssen der jeweiligen Ausbildungsberufe zu werben.
  • die Bereitstellung mehrsprachiger analoger und digitaler Informationsangebote (Videos, Broschüren, Apps, etc.) zu unterstützen, die niedrigschwellig praxisnahe Fachinhalten zur notwendigen Weiterentwicklung der Arbeitsverfahren entsprechender Berufsgrup­pen vermitteln.
  • sich dafür einzusetzen, dass der Zugang und die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen für Arbeitskräfte in diesen Sektoren vereinfacht werden.
  • sich gegenüber dem Bund für eine zügige Überarbeitung der Ausbildungsordnungen so­wie der Rahmenlehrpläne mit Blick auf notwendige Lehrinhalte entlang der bestehenden Herausforderungen für alle Auszubildenden in den „Grünen Berufen“ einzusetzen.
  • sich in Kooperation mit dem Bund und den Sozialpartnern für eine Prüfung bestehender Bedarfe bei der Ausgestaltung neuer Ausbildungsberufe einzusetzen.