I. Ausgangslage
Mit 68 Hochschulen, über 4.700 Studiengängen und großem Engagement in Lehre, Forschung und Transfer ist Nordrhein-Westfalen der Hochschulstandort Nummer 1 in Deutschland. Diese große und vielfältige Hochschullandschaft bietet beste Chancen für Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und trägt so in großem Maße dazu bei, exzellente Fachkräfte auszubilden, auf die das Land dringend angewiesen ist. Ein akuter Mangel an Fachkräften herrscht insbesondere in Berufen, für die MINT-Kenntnisse benötigt werden, also Kenntnisse in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Es ist notwendig, die Herausforderungen der Fachkräftegewinnung aus unterschiedlichen Perspektiven heraus anzugehen. Bereits während der Kita- und Schulzeit ist eine frühe und geschlechtersensible Heranführung an verschiedene Berufs-, Wissens- und Erfahrungsbereiche wichtig.
Nordrhein-Westfalen verfügt mit seinem zdi-Netzwerk über das europaweit größte Netzwerk zur Förderung des MINT-Nachwuchses. Hier können sich Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule und ohne Notendruck ausprobieren und ihr Interesse an MINT-Themen entdecken.
Im Schulalltag sind eine gute Berufs- und Studienorientierung sowie erste Erfahrungen durch Praktika von großer Bedeutung, um jungen Menschen verschiedene Bildungs- und Berufszweige aufzuzeigen. Dabei ist wichtig, dass Beratungsangebote zielgruppenspezifische Perspektiven einnehmen, sei es in Bezug auf das Geschlecht, den familiären Hintergrund oder eine internationale Familiengeschichte. Zudem sollten sie stärkenorientiert sein, um die jungen Menschen dahin zu vermitteln, wo ihre Stärken liegen, gleich ob der Weg in die berufliche oder die akademische Ausbildung führt.
„ArbeiterKind.de“ und das Talentscouting-Programm mit Hochschulen unterstützen Schülerinnen und Schüler dabei, ihren Weg ins Studium unabhängig von ihrem Elternhaus zu finden. Die Studienberatung an den Hochschulen hilft, den Studieneinstieg zu erleichtern, mögliche Fehlentscheidungen für oder gegen ein bestimmtes Studienfach abzuwenden und frühzeitig passende und attraktive Alternativen aufzuzeigen. Viele bieten Vorkurse insbesondere in MINT-Fächern an, um frühzeitig einen Zugang und fehlendes (Schul-)Wissen zu vermitteln oder aufzufrischen. Diese Angebote sind wichtig, um die Abbruchquoten im Studium möglichst zu verringern, die in den MINT-Studiengängen überdurchschnittlich hoch sind.
Auf diesen Maßnahmen bauen Hochschulen auf, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Während des Studiums, insbesondere bei einem erwartbaren Studienabbruch, sollten die Studierenden hinreichend informiert, beraten und unterstützt werden. Im Rahmen des Projekts „Next Career“ bieten viele Hochschulen für Studienzweifler gezielt ergänzende Angebote.
Lehrkräfte für die Schulform Berufskolleg, insbesondere mit Fächerkombinationen im MINT-Bereich, werden weiter stark nachgefragt. Die Zentren für Lehrerbildung an den Hochschulen unterstützen Studierende bereits mit umfangreichen Beratungsangeboten, insbesondere zu Lehramtsstudiengängen und den beruflichen Perspektiven. Das Angebot wird während des Studiums fortgeführt.
Viele Hochschulen für Angewandte Wissenschaften kooperieren bereits mit Universitäten und sind so in die Ausbildung von Lehrkräften in gewerblich-technischen Fächern an Berufskollegs miteinbezogen. Sie leisten damit einen Beitrag zur Gewinnung von Lehrkräften, insbesondere vor dem Hintergrund der bestehenden Mängel, die durch die Prognose zum Lehrkräftearbeits-markt angezeigt wurden. Durch die Kooperation der Universitäten mit den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften können zusätzlich Studieninteressierte mit Fachhochschulreife für das Lehramt gewonnen werden. Ein weiterer Weg ist der duale Master in der Lehramtsausbildung, mit dem eine vollwertige und bundesweit anerkannte Lehramtsbefähigung erreicht werden kann.
Ausbildungs-, berufs- und praxisintegrierende Studiengänge, wie beispielsweise ein duales Studium, bilden eine entscheidende Schnittstelle, die Studierende frühzeitig etwa mit für MINT-Berufe relevanten Unternehmen in Kontakt bringt und in praktische betriebliche Fragestellungen einführt.
Universitäten mit ihrem Schwerpunkt in der wissenschaftlichen Ausbildung und die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften mit ihrem Schwerpunkt in der praxisorientierten Ausbildung haben unterschiedliche, aber gleich wichtige Ansätze zur Vermittlung von Studieninhalten und zur Vorbereitung auf die berufliche Praxis. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften haben viel Erfahrung und Expertise in der praxisorientierten Ausbildung, so dass sie einen geeigneteren Anknüpfungspunkt zur beruflichen (Aus-)Bildung bieten können.
Es muss angemessene Beratungsstrukturen geben, um Spurwechsel möglichst noch während des Studiums zu ermöglichen. Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN begrüßt es daher, dass die Landesregierung bereits eine entsprechende „Fachkräfteoffensive Nordrhein-Westfalen“ initiiert hat.
I. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- zu prüfen, wie Maßnahmen in Kitas und Schulen zur Stärkung der MINT-Bildung sowie des technisch-digitalen Verständnisses weiterentwickelt werden können, um das Interesse von jungen Menschen an einer beruflichen oder akademischen Ausbildung im MINT-Bereich zu steigern (insbesondere im Rahmen von zdi) und wo es im außerschulischen und außeruniversitären Bereich ergänzender Förderung bedarf,
- über die vorhandenen Angebote und gegebenenfalls ergänzende Maßnahmen die Frauenförderung im MINT-Bereich zu intensivieren,
- vorhandene Beratungsangebote besser zu vernetzen und qualitativ, aber vor allem quantitativ auszubauen, so zum Beispiel das Talentscouting-Programm, die Initiative „de“ und die zentralen Studienberatungsstellen,
- Maßnahmen weiterzuentwickeln, die einer weiter verbesserten Zusammenarbeit von Universitäten, Technischen Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, Kammern und Wirtschaftsverbänden, dienen, um eine fundierte Orientierungsphase für angehende Studierende zu ermöglichen,
- zu prüfen, wie die Hochschulen dabei unterstützt werden können, ihr Angebot z. B. im Rahmen der Vorkurse so weiterzuentwickeln, dass möglichste viele (künftige) Studierende davon ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand profitieren können,
- zu prüfen, wie mehr gemeinsame Angebote zwischen Universitäten, Technischen Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften im Rahmen des ersten Semesters gefördert werden können, um den Studierenden die Entscheidung für die richtige Hochschulform zu erleichtern,
- zu prüfen, wie gemeinsam mit der Wirtschaft Angebote für das duale Studium ausgebaut werden können,
- zu prüfen, wie eine verbesserte Betreuung von Langzeitstudierenden gelingen kann, um sie zum gewünschten Abschluss zu begleiten oder bei einem Wechsel in die berufliche Bildung zu unterstützen,
- zu prüfen, wie über die genannten Maßnahmen hinaus die hohen Studienabbrecherquoten insbesondere im Ingenieurstudium dauerhaft und wirksam gesenkt werden können,
- zu prüfen, wie Menschen mit internationaler Familiengeschichte über Beratungsangebote für ein Hochschulstudium im MINT-Bereich gewonnen werden können,
- die wechselseitige Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung zu fördern,
- zu prüfen, wie sich insbesondere die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften mit ihrer praxisorientierten Ausrichtung bei der Ausbildung von Berufsschullehrkräften im gewerblich-technischen Bereich ihre Expertise stärker einbringen können,
- Kooperationen zwischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und Universitäten im Bereich der Lehramtsausbildung bedarfsorientiert weiterzuentwickeln.