I. Ausgangslage
Der Fachkräftemangel ist in Nordrhein-Westfalen eine Herausforderung, die uns seit einigen Jahren begleitet und von dem die verschiedensten Bereiche von Pflege, Handwerk bis zur Bildung betroffen sind. Das trifft auch für die Sozial- und Erziehungsberufe zu. Gerade in der frühkindlichen Bildung sind die Auswirkungen allerdings weitreichend zu spüren. Es führt zum einen dazu, dass auf Grund fehlender Fachkräfte weniger Kita-Plätze zur Verfügung gestellt werden können. Dies wirkt sich wiederum negativ auf die Bildungschancen für unsere Kinder und ihre folgenden Bildungsbiografien aus. Zusätzlich führt dies dazu, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Familien nur teilweise oder nicht zufriedenstellend umsetzbar ist. Das hat zur Folge, dass auch in anderen Berufsfeldern qualifizierte Fachkräfte fehlen.
Die Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen fördern nicht nur die individuelle frühkindliche Bildung und Erziehung, sondern leisten einen Beitrag für die gesamtgesellschaftliche Bildungsgerechtigkeit in Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig ist die Betreuungsinfrastruktur der Schlüssel für Eltern, um Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren und Entlastung im Alltag zu schaffen.
Damit Kindertageseinrichtungen ihrer Aufgabe gerecht werden und die Betreuung der Kinder gewährleisten können, benötigen sie ausreichend Fachkräfte. Der deutschlandweite „Kita-Bericht 2022“ des Paritätischen Gesamtverbandes, der auf eine Umfrage von Kita-Fachkräften basiert, ergab, dass in Nordrhein-Westfalen 22,4 Prozent der Befragten der Aussage „Die Kapazität in der Einrichtung kann nicht vollständig genutzt werden, weil Fachkräfte fehlen“ völlig und 27 Prozent eher zustimmen. In Brandenburg stimmen 11,8 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern 18,8 Prozent, in Berlin 40,2 Prozent und in Schleswig-Holstein 45,2 Prozent der Aussage völlig zu.
Als zentrale Aspekte zur Qualitätsentwicklung verweisen Expertinnen und Experten neben der Gruppengröße und der Qualifikation der Beschäftigten auch auf einen angemessenen Personalschlüssel hin. Im „Kita-Bericht 2022“ stellt der Paritätische Gesamtverband fest, dass bundesweit 60 Prozent der Teilnehmenden den in ihren Einrichtungen bestehenden Personalschlüssel als unzureichend finden.
Gerade der Betreuungsschlüssel macht einen großen Unterschied, ob Kinder Bildung bereits im frühkindlichen Alter erhalten oder ob es sich lediglich um eine Betreuung handelt.
Kindertageseinrichtungen kämpfen auch oft mit einer hohen Fluktuation, die häufig aufgrund der hohen Arbeitsbelastungen zustande kommt. Neben kurz- und langfristigen krankheitsbedingten Personalausfällen und personelle Ausfälle durch Urlaub ist ein ungünstiger Personalschlüssel ein weiterer Aspekt, der die Fachkräfte zur beruflichen Umorientierung bringt.
Der Bericht der Sinus-Forschung „Kindertagesbetreuung & Pflege – attraktive Berufe?“ zeigt, dass die Kindertagesbetreuung für Jugendliche und junge Erwachsene ein interessantes Berufsfeld ist. Hiernach konnten sich 24 Prozent der Befragten gut oder sehr gut vorstellen im Bereich der frühkindlichen Bildung tätig zu sein. Dennoch besteht noch Potenzial mehr Bewerberinnen und Bewerber für die Ausbildung zu gewinnen. Als ein Hindernis gilt das Gehalt. 62 Prozent der Befragten finden, dass ein Studienabschluss in dem Berufsfeld nicht lohne, weil zu wenig verdient werde.
Damit der Fachkräftemangel langfristig überwunden werden kann, ist ein Mix von verschiedenen Maßnahmen notwendig, um zum einen die Arbeitsbedingungen in der frühkindlichen Bildung zu verbessern und so die bereits in den Einrichtungen tätigen Fachkräfte zu halten und zum anderen müssen interessierte Menschen für eine Tätigkeit im Bereich der frühkindlichen Bildung neu dazu gewonnen werden. Darüber hinaus müssen Möglichkeiten des Quereinstieg und die Personalgewinnung durch Anerkennung von Berufsabschlüssen verbessert werden.
Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit einer Fachkraftoffensive einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der langfristigen Herausforderung des Fachkräftemangels zu leisten.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Der Fachkräftemangel ist in der frühkindlichen Bildung eine langfristige Herausforderung, die nicht erst seit kurzem besteht.
- Es müssen verschiedene Maßnahmen kurz- und langfristig angelegt werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die gemeinsame Fachkräfteoffensive der Landesregierung kann dazu einen Beitrag leisten.
- Gerade in der frühkindlichen Bildung handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die massive Auswirkungen auch auf andere Berufsfelder hat.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- zu prüfen, wie die pädagogischen Fachkräfte und die Kita-Leitungen perspektivisch durch den Einsatz von Verwaltungsassistentinnen und Verwaltungsassistenten entlastet werden können sowie Bürokratie abgebaut werden kann, ohne wichtige Dokumentationsvorgänge zu schmälern.
- die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen zu verbessern und vor allem zu beschleunigen.
- zu prüfen, inwieweit die Arbeitsagenturen dazu beitragen können, mehr Quereinsteige-rinnen und Quereinsteiger für Berufe im Sozial- und Erziehungsbereich zu gewinnen.
- gemeinsam mit Kommunen und Trägern eine Ausbildungsplatzoffensive an Fachschulen zu starten.
- mit den Hochschulen Verhandlungen zu führen mit dem Ziel, die Studienplatzkapazitä-ten der Kindheitspädagogik zu erhöhen.
- zu prüfen, wie verbesserte Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung eine Tätigkeit in Erziehungsberufen attraktiver macht.
- Anreize zu schaffen, damit junge Menschen Freiwilligendienste (FSJ und BFD) in Sozial-und Erziehungsberufen absolvieren.
- die praxisintegrierte Ausbildung kontinuierlich auszubauen.