Europäischer Grüner Deal – Die einzigartige Chance nutzen, um die akuten Krisen erfolgreich zu meistern

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I.       Ausgangslage:
Wir leben bereits in einer Welt, die durchschnittlich ein Grad heißer ist, als sie noch unsere Großeltern und Urgroßeltern kannten und ungebremst rasen wir derzeit auf eine Erhöhung der globalen mittleren Temperatur von mehreren Grad zu. Der vom Menschen verursachte Klimawandel und die Umweltzerstörung sind eine massive Bedrohung und Herausforderung für unser Leben in Nordrhein-Westfalen, wie auch in Deutschland, in Europa und der gesamten Welt. Vermehrte Starkregenereignisse, Überschwemmungen, Hitzerekorde und verheerende Stürme haben in den vergangenen Jahren eine Vorahnung gegeben, auf welche klimatischen Änderungen sich die Menschen in Europa einstellen müssen, wenn es nicht gelingen sollte, innerhalb einer kurzen Zeitspanne wirksame Maßnahmen gegen das Fortschreiten des Klimawandels umzusetzen. Die Erde würde auch ohne den Menschen weiter existieren. Aber wenn wir wollen, dass auch noch unsere Kinder und Enkelkinder einen lebensspendenden Planeten erleben können, müssen wir dringend etwas tun.
In der aktuellen Eurobarometer-Umfrage zu Umwelt- und Klimaschutz von Dezember 2019 erklärten 94 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in allen EU-Mitgliedstaaten, dass ihnen der Umweltschutz wichtig sei. 91 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass der Klimawandel ein ernstes Problem ist. 83 Prozent hielten europäische Rechtsvorschriften zum Schutz der Umwelt für notwendig. Die Bürgerinnen und Bürger äußerten, dass mehr für den Umweltschutz getan werden müsse, der Großteil spüre direkte Auswirkungen auf Leben und Gesundheit. Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger, die nationalen Regierungen und die EU müssten jeweils hierfür Verantwortung übernehmen. Die Befragten erkannten an, dass grundlegendere Veränderungen notwendig seien. Am wirksamsten könnten ihnen zu Folge die Probleme bekämpft werden, indem sich das Konsumverhalten verändere und die Art, in der produziert und Handel getrieben werde. Unternehmen sollten in nachhaltigem Handeln bestärkt werden und strengere Kontrollen erfolgen (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 3. März 2020: https://ec.europa.eu/commis- sion/presscorner/detail/de/IP_20_331).
Der Europäische Grüne Deal
Knapp zwei Wochen nach Amtsantritt hat die Europäische Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen am 11. Dezember 2019 den Europäischen Grünen Deal vorgestellt. In ihm wird dargelegt, dass und wie Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent gemacht werden kann. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte den Grünen Deal zur neuen europäischen Wachstumsstrategie:
„Er zeigt, wie wir unsere Art zu leben und zu arbeiten, zu produzieren und zu konsumieren ändern müssen, um gesünder zu leben und unsere Unternehmen innovationsfähig zu machen. Wir alle können uns an diesem Wandel beteiligen, und wir alle können die Chancen nutzen. Wir werden unserer Wirtschaft dabei helfen, zum globalen Vorreiter zu werden, indem sie vor allen anderen handelt und indem sie schnell handelt. Wir sind fest entschlossen, dabei erfolgreich zu sein im Interesse unseres Planeten und des Lebens darauf – für Europas Naturerbe, für Biodiversität, für unsere Wälder und unsere Meere. Indem wir dem Rest der Welt als Vorbild für Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit dienen, können wir auch andere Länder überzeugen, mit uns gleichzuziehen.“ (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 11. Dezember 2019: https://ec.europa.eu/ger- many/news/20191211-green-deal_de)
Der Exekutiv-Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz der EU-Kommission, Frans Timmermans, erklärte ergänzend:
„Wir befinden uns in einem Klima- und Umweltnotstand. Mit dem europäischen Grünen Deal können wir zu Gesundheit und Wohlergehen unserer Bürgerinnen und Bürger beitragen, indem wir unser Wirtschaftsmodell von Grund auf verändern. In unserem Plan wird dargelegt, wie Emissionen verringert, unsere Umwelt und Natur wiederhergestellt, unsere Wildtiere und -pflanzen geschützt und neue wirtschaftliche Chancen geschaffen werden können, sodass auch die Lebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger verbessert werden kann. Dabei kommt uns allen eine wichtige Rolle zu, und jeder Wirtschaftszweig und jedes Land werden an diesem Wandel teilhaben. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass dieser Übergang gerecht abläuft und dass bei der Umsetzung des europäischen Grünen Deals niemand zurückgelassen wird.“ (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 11. Dezember 2019: https://ec.europa.eu/ger- many/news/20191211-green-deal_de)
Der Europäische Grüne Deal ist ein ambitioniertes Paket aus mehr als 40 Gesetzen und Initiativen. Es erstreckt sich auf alle Wirtschaftszweige. Die Maßnahmen zielen darauf ab, den Klimawandel aufzuhalten, gegen den Verlust an Biodiversität vorzugehen, die Schadstoffbelastung zu reduzieren und durch den Übergang zu einer sauberen und kreislauforientierten Wirtschaft einen effizienteren Umgang mit Ressourcen zu schaffen. Dazu werden die erforderlichen Investitionen und verfügbare Finanzinstrumente aufgezeigt sowie ein Weg, damit dieser Übergang gerecht und inklusiv erfolgen kann.
Mit dem mittlerweile vorliegenden Entwurf für ein europäisches Klimagesetz wird der rechtliche Rahmen für das Ziel 2050 gesetzt. Es soll ebenfalls entscheidende Wegmarken festlegen, wie die Verringerung der Treibhausgasemissionen entlang entsprechender Zielpfade, ein regelmäßiges Monitoring aller Maßnahmen, die Möglichkeit, dass die Europäische Kommission entsprechende Empfehlungen an die Mitgliedstaaten ausspricht und der Auftrag an die Mitgliedstaaten Anpassungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen.
Als Entwurf liegen ebenfalls bereits die neue Industriestrategie und die „Biodiversitätsstrategie“ vor, mit der zahlreiche Lücken in EU-Gesetzen zum Schutz der Artenvielfalt geschlossen werden könnten.
Die vorliegende Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ soll die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit erschwinglichen und nachhaltigen Lebensmitteln gewährleisten, einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten und die Umwelt schützen, die Biodiversität erhalten sowie den Anteil des ökologischen Landbaus erhöhen. Dazu soll den in Landwirtschaft und Fischerei Tätigen ein fairer und gerechter Übergang gewährleistet werden. Abhängigkeit und Nutzung von Pestiziden, Düngemitteln und Antibiotika sollen erheblich verringert und innovative Anbautechniken entwickelt werden. Es soll eine Kreislaufwirtschaft von den Erzeugerinnen und Erzeugern zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern erreicht werden. Dazu sollen effizientere Lebensmittelerzeugungssysteme, eine bessere Lagerung und Verpackung, ein gesünderer Lebensmittelkonsum, die Verringerung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung, eine nachhaltigere Verarbeitung und ein nachhaltigerer ländlicher Verkehr sowie besser informierte Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden.
Den neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (circular economy) bezeichnet die Europäische Kommission als einen der wichtigsten Bausteine des Europäischen Grünen Deals. Er soll den Weg ebnen zu einer klimaneutralen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft sowie mündigen Verbraucherinnen und Verbrauchern. Es geht um eine Änderung aller Produktions- und Verbrauchsmuster. Die Maßnahmen sollen sich über den gesamten Lebenszyklus von Produkten erstrecken. Die bisher weitgehend linear gestaltete Wirtschaft soll in eine geschlossene Kreislaufwirtschaft transformiert werden, bei der genutzte Ressourcen so lange wie möglich in der EU-Wirtschaft verbleiben. Das Wirtschaftswachstum soll durch die Realisierung einer Kreislaufwirtschaft von der Ressourcennutzung entkoppelt werden. Dies ist eine wesentlichen Voraussetzung, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen und den Verlust an Biodiversität zu verhindern. Die Kreislaufwirtschaft soll sich dabei positiv auf das BIP-Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen auswirken.
Mit dem „Mechanismus für einen gerechten Übergang“ soll indes den unterschiedlichen Gegebenheiten in einigen Regionen Rechnung getragen werden. Regionen, die stark von sehr CO2-intensiven Tätigkeiten abhängig sind, sollen damit unterstützt werden. Dieser Fonds kommt auch dem Strukturwandel im Rheinischen Revier in NRW zu Gute.
Mit dem Europäischen Klimapakt will die EU-Kommission erreichen, dass Informationen ausgetauscht und die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichsten Akteuren gefördert wird. Lokale, regionale und nationale Behörden sollen genauso beteiligt werden, wie Unternehmen, Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie Bürgerinnen und Bürger an sich. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen beteiligt werden, wenn etwa neue Maßnahmen konzipiert oder Best Practices ausgetauscht werden.
Zum Maßnahmenpaket gehört ebenfalls der Ansatz der Umwelt- bzw. Klimadiplomatie. Ziel der diplomatischen Beziehungen der EU soll demnach sein, Drittstaaten zu stärkeren und gemeinsamen Anstrengungen im Klimaschutz zu bewegen. Dazu zählen in erster Linie eine Aktualisierung der national festgelegten Beiträge zur Erreichung der Klimaschutzziele nach dem Abkommen von Paris sowie die Entwicklung geeigneter Strategien zur CO2-Emissionsreduktion. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den Staaten der G20, die nicht der EU angehören, jedoch maßgeblich für den weltweiten CO2-Ausstoß verantwortlich sind. Umgekehrt wird eine besonders intensive Zusammenarbeit mit den am meisten vom Klimawandel betroffenen Entwicklungsländern und Inselstaaten angestrebt, um diese in ihren Bemühungen zur Anpassung an Klimawandelfolgen zu unterstützen.
Auch die EU-Handelspolitik will die Europäische Kommission entsprechend ausrichten. Damit Handelsabkommen nicht zu Lasten von Menschen, Umwelt, Klima gehen, müssen sie hohe, rechtsverbindliche, einklagbare und sanktionierbare Standards in diesen Bereichen enthalten. Dies ist ein Punkt bei dem, vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Verhandlungen zu EU-Handelsabkommen in den letzten Jahren, besonders kritisch hingeschaut werden muss, wie sich die Politik der EU-Kommission verändert.
Die Europäische Kommission benennt für den Grünen Deal notwendige erhebliche Investitionen, die in einem Investitionsplan für ein nachhaltiges Europa niedergelegt wurden. Neben Mitteln aus dem EU-Haushalt soll die Europäische Investitionsbank als Europas Klimabank einen zusätzlichen Beitrag leisten, ebenso wie der Privatsektor.
Allerdings ist zu bemängeln, dass der Finanzierungsplan der Kommission noch nicht ausreicht. Die Kommission sieht einen viel zu geringen Beitrag aus dem EU-Haushalt vor, der unterhalb dessen bleibt, was sie selbst als notwendig bezeichnet hat, obwohl die von ihr veranschlagte Summe ohnehin deutlich niedriger liegt als das, was der Europäische Rechnungshof an notwendigen Investitionen ermittelt hat. Ein Großteil der Mittel sind zudem keine zusätzlichen Investitionen. Bei den Plänen für die notwendigen privaten Investitionen blieb die Kommission zu schwammig. Zudem gibt es Maßnahmen in anderen Bereichen des EU-Haushalts, die das Ziel von klimagerechten Investitionen untergraben können. Bei der Finanzierung der begrüßenswerten Ziele muss die Kommission entsprechend nacharbeiten.
Abschließend heißt es in der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 11. Dezember 2019:
„Klimawandel und Umweltzerstörung sind eine existenzielle Bedrohung für Europa und die Welt. Um diese Herausforderung zu bewältigen, braucht Europa eine neue Wachstumsstrategie, die der Union zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft verhilft, in der es 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr gibt, das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist und kein Ort abgehängt wird.“ (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 11. Dezember 2019: https://ec.europa.eu/ger- many/news/20191211-green-deal_de)
Auf Ebene der Europäischen Union ist ein entsprechender übergreifender Rahmen, der entlang des Pariser Klimaschutzabkommens die Ziele weiter vertieft und praktisch umsetzt, am besten aufgehoben, da auf internationaler Ebene keine vergleichbaren Handlungsstrukturen bestehen und die nationalen oder gar regionalen Ebenen im Alleingang nicht ausreichend umfassend handeln könnten.
Im Vergleich zum Klimapaket der Bundesregierung sind die Vorschläge der EU-Kommission ein Meilenstein. Die Vorschläge werden den nachhaltigen Umbau der europäischen Wirtschaft vorantreiben. Allerdings gibt es auch Ergänzungs- und Verbesserungsbedarf.
Im Europäischen Parlament haben die Fraktionen von Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen am 14. Januar 2020 einen gemeinsamen Entschließungsantrag zum Europäischen Grünen Deal beschlossen (Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments vom 14. Januar 2020: https://www.europarl.eu- ropa.eu/doceo/document/RC-9-2020-0040_DE.pdf). In seinem Beschluss beschreibt das Parlament seine Leitlinien in der Klima- und Umweltpolitik und deren Finanzierung. Es stellt sich damit hinter den Europäischen Grünen Deal der EU-Kommission und ihre starke Agenda beim Klima- und Umweltschutz. In einigen Punkten geht die Mehrheit der Abgeordneten mit ihren Forderungen über die Pläne der Kommission hinaus und stellt Ergänzungs- und Verbesserungsbedarf fest. Unter anderem wurde in dem Beschluss gefordert, das europäische Klimagesetz noch ambitionierter zu gestalten, indem mit klaren Zwischenzielen für 2030 und 2040 bis spätestens 2050 Klimaneutralität erreicht wird. Bis 2030 sollten die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gesenkt werden. Außerdem soll allen EU-Bürgerinnen und -Bürgern ein Grundrecht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt und auf ein stabiles Klima eingeräumt werden.
Klar ist, dass dies aus Klimaschutzsicht bereits ein schmerzhafter Kompromiss war. Eigentlich müssten die Emissionen sogar um 65 Prozent bis 2030 sinken und die Klimaneutralität bereits 2040 erreicht werden, wenn man das Ziel erreichen möchte, 2050 auf deutlich unter zwei Grad Celsius Erderwärmung gegenüber 1990 zu gelangen.
Das Parlament unterstützte die Kommission in der Forderung zu nachhaltigen Produkten, sauberen Autos und sicheren Chemikalien. Gerade zu den sehr gefährlichen Umwelthormonen verlangte das Parlament schnelle und weitreichende Gesetzesvorschläge der Kommission, insbesondere bei Kosmetika, Spielzeug und Materialien mit Lebensmittelkontakt. Auch zur Biodiversität bekräftigte das Parlament seine Unterstützung für eine ambitionierte Strategie.
Zu gesundheitskritischen Nanomaterialen forderte das Parlament Maßnahmen ein, da diese im Vorschlag der Kommission fehlten.
Wo die Kommission noch soziale Aspekte der ökologischen Transformation im Grünen Deal nicht mit verbindlichen sozialen Rechten und Gesetzen unterfütterte, macht der Beschluss deutlich, dass der Europäische Grüne Deal viel mehr als eine Reihe von umweltpolitischen Vorschlägen sein muss. Er muss zu einem Instrument zur Beseitigung von sozialen Ungleichheiten werden. So vertritt das Parlament die Auffassung, dass die Einnahmen aus zusätzlichen Steuern oder Gebühren im Verkehrssektor für eine sozialverträgliche ökologische Wende genutzt werden sollen. Neue Steuern sollen zum Beispiel auf Kerosin sowie im Schiffsverkehr erhoben werden.
Auch in der Handelspolitik bemängelte das Parlament die fehlende Ambition der Kommission. Das Parlament beschloss, dass alle internationalen Handels- und Investitionsabkommen starke, verbindliche und durchsetzbare Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung enthalten müssen. Die Europäische Kommission hatte sich hier nur auf nicht-bindende Regelungen festlegen wollen.
Die Kommission wurde vom Europäischen Parlament aufgefordert, die Auswirkungen des derzeitigen Vorschlags für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zum Schutz von Umwelt, Klima und biologischer Vielfalt zu analysieren, um ihn vollständig an die im Europäischen Grünen Deal festgelegten Ziele anzupassen. Dies ist ein erster Schritt zu einer möglichen grundlegenden Neugestaltung des Vorschlags der EU-Kommission, um die ökologische und soziale Reform der EU-Agrarpolitik anzustoßen.
Zur Finanzierung der geplanten Investitionen für die sozial-ökologische Wende werden neue Mittel im EU-Haushalt nötig sein, gegen die sich unter anderem auch die deutsche Bundesregierung gewehrt hat. Wenn es die Bundesregierung ernst meint mit ihren Aussagen zum Europäischen Grünen Deal, muss sie sich sowohl für die Erhöhung des EU-Haushalts einsetzen, als auch ökologische Steuern zur Finanzierung des Grünen Deals unterstützen.
Der Europäische Grüne Deal als zentrales Element im Wiederaufbauplan und Mehrjährigen Finanzrahmen für die Europäische Union
Am 27. Mai 2020 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für einen Aufbauplan nach der Corona-Pandemie vorgelegt. Darin schlägt sie ein neues Aufbauinstrument „NextGenerationEU“ vor. Mit dem Aufbauplan soll der europäische Binnenmarkt gestärkt und in die Zukunft investiert werden. Kommissionspräsidentin von der Leyen erklärte dazu vor dem Europäischen Parlament:
„Mit dem Aufbauplan verwandeln wir die immense Herausforderung in eine Chance, weil wir nicht nur den Binnenmarkt stärken, sondern auch in unsere Zukunft investieren: Der europäische Grüne Deal und die Digitalisierung werden Beschäftigung und Wachstum ankurbeln und die Resilienz unserer Gesellschaften und die Gesundheit unserer Umwelt fördern. Dies ist die Stunde Europas. Unsere Bereitschaft zu handeln muss den
Herausforderungen, vor denen wir stehen, entsprechen. Mit dem Instrument „NextGenerationEU“ geben wir eine ehrgeizige Antwort.“ (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 27. Mai 2020: https://ec.europa.eu/germany/news/20200527-aufbauplan-eu-haushalt-corona_de)
Der Aufbauplan sieht Mittel in Höhe von 750 Milliarden Euro vor. Hinzu kommen geplante Erhöhungen des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027, so dass die „finanzielle Schlagkraft des EU-Haushalts auf insgesamt 1,85 Billionen Euro“ steige (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 27. Mai 2020: https://ec.europa.eu/germany/news/20200527-aufbauplan-eu-haushalt-corona_de).
Der Europäische Grüne Deal ist eine von drei Säulen, in den die Mittel über EU-Programme fließen sollen. Maßnahmen sind die Sanierung von Gebäuden und Infrastrukturen sowie eine stärkere Kreislaufwirtschaft, Projekte im Bereich erneuerbarer Energien und einer sauberen Wasserstoffwirtschaft, Maßnahmen für sauberen Verkehr und saubere Logistik und die Stärkung des Fonds für einen gerechten Übergang.
Im Zusammenhang mit dem Grünen Deal steht auch eine Aufstockung des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zur Umsetzung der notwendigen Veränderungen und der Ziele der neuen Biodiversitäts- und der „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie.
Auch die anderen beiden Säulen von „NextGenerationEU“ stehen unter dem Vorzeichen des Grünen Deals. Der Europäische Grüne Deal und die Digitalisierung bilden gemeinsam die sogenannte „Twin Transition“. Der Grüne Deal als zentrale Wachstumsstrategie soll zusammen mit der Digitalisierung Beschäftigung und Wirtschaftswachstums stärken und die Resilienz der Gesellschaft und der Umwelt fördern.
Der Vorschlag der EU-Kommission kann als eine gute Grundlage angesehen werden, um Europa zukunftsfähig zu machen. Diese Wende war seit Jahren notwendig, um Europa in die Zukunft zu führen. Es ist richtig, den Europäischen Grünen Deal zum Herzstück des Wiederaufbaus nach der Corona-Krise zu machen. Allerdings werden bei genauem Hinsehen auch viele Details sichtbar, die dringend korrigiert werden müssen. Das in Aussicht gestellte Geld muss zum Hebel für Klimaschutz und Digitalisierung werden. Dafür müssen die entsprechen-den Förderbedingungen konkret ausgestaltet werden. Europa muss mit mehr Klimaschutz aus der Krise gehen, als es reingegangen ist. Dabei ist es wichtig, dass echte Finanzhilfen als Zuschüsse und Hilfe zur Selbsthilfe gezahlt werden. Sie helfen den Krisenländern mehr als Kredite, die nur eine neue Verschuldungsspirale in Europa entfachen würden. Es muss sichergestellt werden, dass die Europäische Union auch durch eigene Steuern Geld einnehmen kann. Zusätzlich braucht es eine Nulltoleranzpolitik gegenüber Steuerdumping und Geldwäsche. In diesen Bereichen lassen sich die EU-Länder zu viel Geld entgehen. Der Vorschlag der EU-Kommission droht aber nach drei starken Investitionsjahren und der Beendigung des NextGenerationEU-Programms die EU wieder zu schwächen. Das EU-Budget müsste strukturell gestärkt werden, um die Klimakrise zu bekämpfen und die EU klimaneutral zu machen. Drei starke Jahre reichen dafür nicht aus.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission ist zu sehen vor dem Hintergrund des bemerkenswerten fraktionsübergreifenden Entschließungsantrags den das Europäische Parlament am 15. Mai 2020 zum nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen und zu einem Wiederaufbaufonds der EU beschlossen hat. Die Resolution forderte einen Wiederaufbauplan, der EU-Mitgliedstaaten hauptsächlich durch EU-Fördermittel unterstützt und finanziert wird durch Anleihen mit langer Laufzeit und neue EU-Eigenmittel. Dadurch sollten rund zwei Billionen Euro aufgebracht werden. Es wurde gefordert, dass das Aufbauprogramm den Europäischen Grünen
Deal und die Digitalisierung prioritär fördern soll, geknüpft an ökologische, soziale und wirtschaftliche Bedingungen.8
Der aktuelle Stand der Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU 2021-2027 lässt jedoch noch zu geringe Ambitionen erkennen. Über die schon 2018 vom damaligen Kommissionspräsidenten Juncker vorgeschlagenen 25 Prozent an Klimafinanzierung im EU-Haushalt hinaus konnte keine Einigung unter den Regierungen der Mitgliedstaaten gefunden werden. Dabei forderten unter anderem der Haushalts- und Umweltausschuss des Europäischen Parlaments aus dem EU-Haushalt und dem Aufbaufonds mindestens 30 Prozent für Klimainvestitionen und 10 Prozent für Biodiversität. Den Herausforderungen wirklich gerecht würde allerdings auch erst ein Anteil von 50 Prozent der EU-Mittel für Klimainvestitionen. Ergänzend dazu bedarf es einer Klausel in den Regelungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen, die besagt, dass alle Programme, die aus dem EU-Budget finanziert werden, auf ihre ökologischen und sozialen Auswirkungen überprüft werden.
Der Nachtragshaushalt 2020 als Teil des Aufbauinstruments der EU ist zu begrüßen. Mit den geplanten zusätzlichen 11,5 Milliarden Euro für die Aufbauhilfe für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas (REACT-EU), das Solvenzhilfeinstrument und den Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung zeigt die Europäische Union eine schnelle Reaktionsfähigkeit.
Hinsichtlich der Revision des Arbeitsprogramms der Europäische Kommission für 2020 ist festzustellen, dass sie sich in einigen Bereichen gegen die Einflussversuche von Interessen- gruppen und Lobbyisten behauptet hat. In den Bereichen Umwelt- und Naturschutz hält sie im Wesentlichen an ihrem Fahrplan fest.
Umwelt- und Klimaschutz als verbindlicher Rahmen für politische Programme
Die Corona-Krise zeigt erneut, dass der Status quo zum Risiko wird. Rahmen aller Programme müssen ab sofort der Europäische Grüne Deal, das Pariser Klimaschutzabkommen und die nationalen Klimaschutzziele, die in der EU-Taxonomie dargelegten sechs EU-Umweltziele und die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG) bilden. Um uns für die Zukunft nachhaltig aufzustellen, brauchen wir zudem klare und verlässliche ökologische Rahmenbedingungen, regional, national, in Europa und weltweit. Nichts wäre der zukunftsfesten Neuaufstellung nach der Krise abträglicher, als jetzt bei vereinbarten Zielen, Grenzwerten und ökonomischen Rahmen Abstriche zu machen oder sie zu verzögern. Mehr denn je gilt, dass wir verbindliche Klima- und Umweltziele, ambitionierte und innovationsauslösende Grenzwerte brauchen. Umweltverbrauch muss einen Preis bekommen, umweltgerechtes Wirtschaften belohnt werden.
Die Europäische Union ist vor dem Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli 2020 mit drei existentiellen Krisen gleichzeitig konfrontiert: Der größten Gesundheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, einer beginnenden Weltwirtschaftskrise und einer sich alarmierend verstärkenden Klimakrise. Der Europäische Grüne Deal bietet eine einzigartige Chance, diese drei Krisen erfolgreich zu meistern. Es gilt, in ein klimaneutrales, sozial gerechtes und wirtschaftlich erfolgreiches Europa zu investieren, das unsere Gesundheit und natürlichen Ressourcen schützt und zukunftsträchtige Arbeitsplätze schafft. Dafür müssen die Gelder für den Wiederaufbau Europas schlau in zukunftssichere Wirtschaftsbereiche und Arbeitsplätze fließen und ein ambitioniertes Klimaziel 2030 als politische Rahmenbedingung verabschiedet werden. Diese Ratspräsidentschaft wird der Lackmustest für eine ambitionierte europäische und nationale Klimaschutzpolitik der Bundesregierung. Deshalb muss die deutsche Ratspräsidentschaft zur Grünen Deal-Ratspräsidentschaft werden.

II.      Der Landtag beschließt:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1.    sich gegenüber der Bundesregierung und auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die wesentlichen Elemente des Europäischen Grünen Deals, entsprechend des Entschließungsantrags des Europäischen Parlaments um fehlende Regelungen ergänzt oder um unzureichende Regelungen nachgebessert werden und dass der Mehrjährige Finanzrahmen der EU 2021-2027 den Ansprüchen des Grünen Deals entsprechend ausgestaltet wird.
2.    auf Landesebene nachfolgend die entsprechenden Maßnahmen engagiert umzusetzen, die sich in Folge der Beschlüsse zu den einzelnen Elementen des Europäischen Grünen Deals ergeben, und auf lokaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene entsprechende Bemühungen einzufordern und zu unterstützen.
3.    im Interesse des Landes Nordrhein-Westfalen, seiner Bevölkerung und seiner Wirtschaft, darauf hinzuwirken, dass die ambitionierten Ziele der Europäischen Union, spätestens 2050 klimaneutral zu werden, nicht aufgeweicht, vernachlässigt oder konterkariert werden sowie das Klimaschutzgesetz und den Klimaschutzplan für Nordrhein-Westfalen entsprechend anzupassen.
4.    sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass die deutsche Ratspräsidentschaft den Europäischen Grünen Deal in den Mittelpunkt stellt und vermittelt, dass dieser die Chance bietet, in der derzeitigen Situation sowohl der Wirtschaft und den Menschen, als auch der Umwelt und dem Klima zu helfen.
5.    sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen und im Rahmen der eigenen Kompetenzen dafür zu sorgen, dass der Europäische Grüne Deal, das Pariser Klimaschutzabkommen und die nationalen Klimaschutzziele, die in der EU-Taxonomie dargelegten sechs EU-Umweltziele und die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG) ab sofort und durchgehend den Rahmen aller politischen Programme bilden.
6.    die Bemühungen zu unterstützen und sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen des Aufbauplans der Europäischen Union zur Bewältigung der Corona-Krise im Wesentlichen echte Finanzhilfen als Zuschüsse und Hilfe zur Selbsthilfe gezahlt werden.
7.    gemeinsam mit Branchenvertreterinnen und -vertretern, Verbänden, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft die Transformation der nordrhein-westfälischen Industrien zu einer Kreislaufwirtschaft (circular economy) konkret auszugestalten.