I. Ausgangslage
Der Schienenverkehr ist zentral für die Mobilität der Menschen in Nordrhein-Westfalen. Die Fahrgastzahlen sind in den letzten beiden Jahrzehnten immer weiter gestiegen und haben trotz Zunahme von Homeoffice in Folge der Corona-Pandemie den Stand Vor-Corona erreicht.
Doch schon lange wächst die Schieneninfrastruktur mit dieser Entwicklung nicht in erforderlichem Maße mit. In der Folge leidet die Qualität des Schienennahverkehrs durch volle Züge und Bahnsteige, aber auch durch Verspätungen und Zugausfälle, weil die vorhandenen Rahmenbedingungen eine Ausweitung häufig nicht zulassen. Dazu gehören beispielsweise die strukturelle Unterfinanzierung der Schiene, der Mangel an Fachkräften sowie die Überbeanspruchung vorhandener Gleise.
Mit der Planung und Umsetzung des Rhein-Ruhr-Express (RRX) auf der zentralen Schienenverkehrsachse zwischen Rheinland, dem Ruhrgebiet und Westfalen sind in Nordrhein-Westfalen bereits die Weichen für mehr Kapazität gestellt. Lange Planungs- und Bauzeiten verzögern das Projekt jedoch.
Um zumindest beim Erhalt der Infrastruktur schneller zu werden, bündelt die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren die Sanierung der sogenannten „Hochleistungskorridore“ im Fernverkehr. Dieser neue Ansatz ist grundsätzlich zu begrüßen, auch wenn die dabei notwendigen Streckensperrungen für mehrere Monate empfindliche Einschränkungen bedeuten.
Betroffen von den Auswirkungen einer maroden Schieneninfrastruktur sind nicht nur die Fahrgäste im Nah- und Fernverkehr, sondern auch die Güterverkehre. Darunter leidet die wirtschaftliche Entwicklung und die Herausforderungen bei der Straßeninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen werden weiter verschärft. Notwendig ist ein systematischer Erhalt und Ausbau der Schienenstrecken für den Güterverkehr, um mehr Güter auf die Schiene zu verlagern und die Straßeninfrastruktur zu entlasten.
Die Problematik ist mittlerweile auf allen Ebenen erkannt; Land und Bund steuern entsprechend dagegen. Mit dem Aufbau eines Planungsvorrats für den Neubau und die Reaktivierung von Strecken für den Nahverkehr sowie die Unterstützung der Nicht-bundeseigenen Eisenbahnunternehmen trägt das Land Nordrhein-Westfalen dazu bei, dem Sanierungsstau entgegenzuwirken und neue Infrastruktur zu schaffen. Mit der Zielnetzkonzeption 2040 und den Maßnahmen für das „robuste Netz“ ist die Grundlage für den strukturierten und zielorientierten Ausbau des NRW-Schienennahverkehrsnetzes gelegt.
Auch der Bund hat die Mittel für die Schiene in den letzten Jahren deutlich erhöht. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die bereitgestellten Mittel immer noch erheblich vom tatsächlichen Bedarf abweichen.
Damit stehen wichtige Sanierungs- und Ausbauvorhaben des Bundesverkehrswegeplans, sowie die Digitalisierung der Schiene in Nordrhein-Westfalen, aber auch in allen anderen Bundesländern, zur Disposition oder verzögern sich auf unbestimmte Zeit. Betroffen davon könnten unter anderem der Ausbau des Knoten Kölns, Dortmunds und Aachen sein, sowie der zweigleisige Ausbau der Strecke Münster-Lünen.
Dies wäre nicht nur für den Nahverkehr und dabei insbesondere für den S-Bahn-Verkehr ein herber Schlag, sondern gefährdet auch den geplanten Deutschlandtakt im Fernverkehr und beeinträchtigt erheblich den Güterverkehr. Die Umsetzung des “Zielnetz 2040” ist ohne entsprechende Investitionen des Bundes in die Schieneninfrastruktur, ohne eine auskömmliche Finanzierung mit Regionalisierungsmitteln sowie ohne Investitionsmittel der Deutschen Bahn nicht zu realisieren.
Die drohende Steigerung der Trassenpreise durch die angedachte Eigenkapitalerhöhung der Deutschen Bahn hätte außerdem empfindliche Auswirkungen auf das SPNV-Angebot in Nordrhein-Westfalen. Sie führt dazu, dass die Bereitstellung der Bundesmittel zur Kapitalerhöhung durch die Regionalisierungsmittel des Bundes aufgrund höherer Trassenentgelte finanziert würde. Ohne Erhöhung der Regionalisierungsmittel sinkt somit das Budget, um Leistung zu finanzieren. Die Qualität der Schieneninfrastruktur und die Trassenpreise stehen damit in einem Missverhältnis. Fahrpreiserhöhungen rein zur Aufrechterhaltung des Angebots beziehungsweise eine Verschlechterung aufgrund von Abbestellungen wären den Bürgerinnen und Bürgern nur schwer vermittelbar.
Andere europäische Länder wie beispielsweise Österreich oder die Schweiz haben sich schon seit langer Zeit auf den Weg gemacht, ausreichende Mittel für die Sanierung und den Ausbau des Schienennetzes prioritär zur Verfügung zu stellen. In der Folge sind deren Schienennetze und Bahnhöfe nicht nur in einem sehr guten Zustand, sondern durch kontinuierlichen Ausbau auch deutlich leistungsfähiger, flächendeckender und der Betrieb erfolgt in höchster Bedienqualität. Neben den kürzeren Planungs- und Bauzeiten ist es insbesondere die kontinuierliche und überjährige Finanzierung, die diesen Erfolg möglich macht.
Um Schienenprojekte schneller voranzubringen, braucht es daher weiterhin die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Zuletzt hat der Deutsche Bundestag das überwiegende öffentliche Interesse an der Realisierung vieler Schienenprojekte gesetzlich festgeschrieben. Allerdings benötigt die beschleunigte Realisierung von Infrastrukturprojekten eine gesicherte Finanzierung.
Um für den Ausbau und die Sanierung der Schieneninfrastruktur Planungssicherheit zu gewährleisten, müssen Wege der gesicherten Finanzierung gefunden werden. Die Österreichischen Bundesbahnen haben dafür einen Investitionsfonds geschaffen. Dabei kann auch die Beteiligung privater Finanzgeber an einem solchen Fonds geprüft werden. Ein solches
Finanzierungsinstrument ist eine Möglichkeit, über Jahre hinweg verlässlich Planungs- und Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen, ohne dass Projekte aufgrund von Finanzlücken ins Stocken geraten. Der Landesverkehrsminister und Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz (VMK) hat sich gegenüber dem Bund im Rahmen der VMK für einen Investitionsfonds stark gemacht.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest,
- eine gute und leistungsfähige Schieneninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen ist zentral für die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft und die zukünftige Entwicklung des Landes.
- die vorhandene Schieneninfrastruktur in NRW muss dringend saniert, modernisiert und ausgebaut werden, um den erforderlichen Ansprüchen im Nah-, Fern- und Güterverkehr gerecht zu werden.
- die DB InfraGO muss zeitnah Klarheit schaffen, welche zentralen NRW-Projekte bis 2030 und über 2030 hinaus in Planung und Umsetzung stehen. Dies trifft insbesondere Projekte, an deren Planungskosten sich das Land Nordrhein-Westfalen finanziell beteiligt.
- die Planungs- und Bauzeiten für neue und auszubauende Strecken sind deutlich zu lang. Weitere Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungen im Schienenverkehr sind dringend notwendig, müssen aber auch auskömmlich finanziert sein.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung, im Rahmen vorhandener Mittel,
- darauf hinzuwirken, dass die DB InfraGO zeitnah darstellt, welche Planungsleistungen für NRW-Projekte bis 2030 und über 2030 hinaus zur Verfügung stehen,
- darauf hinzuwirken, dass die DB InfraGO darstellt, welche zentralen NRW-Projekte bis 2030 in Planung und Umsetzung stehen und angestrebte Inbetriebnahmen mitzuteilen,
- im Bund auf auskömmliche Mittel für die Planung und Umsetzung von weiteren Schienensanierungs- und Ausbauprojekten zu drängen,
- sich weiterhin für die Einrichtung eines Infrastrukturfonds auch für die Schiene auf Bundesebene einzusetzen, um eine planungsfeste, überjährige Finanzierungsarchitektur zu schaffen,
- sich im Rahmen ihres Engagements für eine solide und planungsfeste Infrastrukturfinanzierung einzusetzen und die Möglichkeit zu prüfen, privates Kapital zur Finanzierung zu nutzen,
- im Rahmen der Zuständigkeiten des Landes die Digitalisierung, Elektrifizierung und barrierefreie Nutzung der Schiene weiter zu unterstützen,
- gemeinsam mit dem Bund zu prüfen, wie Schienenverkehrsprojekte schneller geplant und umgesetzt werden können,
- die Maßnahmen zur Umsetzung der Zielnetzkonzeption 2040 auch in finanziell herausfordernden Zeiten weiterzuverfolgen,
- gemeinsam mit den anderen Bundesländern im Bund auf möglichst niedrige Trassen-preise hinzuwirken,
- sich dafür einzusetzen, dass die gemeinwohlorientierten Ziele der DB InfraGO konsequent weiterverfolgt werden.