Ehrenamt – Ehrensache!

Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag

Portrait Antje Grothus

I. Ausgangslage

Das Ehrenamt ist eine unverzichtbare Säule unserer Gesellschaft. Es stärkt den sozialen Zu­sammenhalt sowie die Werte unserer Demokratie, fördert die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben und bietet Menschen die Möglichkeit ihren individuellen Interessen und gleichzeitig einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen. Ohne das ehrenamtli­che Engagement würden viele Bereiche in unserer Gesellschaft nicht funktionieren. Auch staatliche Funktionen, wie etwa im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes, werden maßgeblich von Ehrenamtlichen getragen.

In Nordrhein-Westfalen engagieren sich laut Ehrenamtsatlas NRW aus dem Jahr 2024 über 9 Millionen Menschen und damit ungefähr 54 Prozent der Bevölkerung ehrenamtlich. Die Berei­che des Ehrenamts reichen dabei von Sportvereinen über soziale Dienste, den Kinderschutz, die Jugendverbände, die Geflüchtetenhilfe, die Glaubensgemeinschaften, Kultur, Umwelt-, Natur- und Klimaschutz bis hin zu Gewerkschaften, politischen Organisationen und demokra­tischen Parteien. So vielfältig das Engagement ist, so vielfältig sind auch die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler. Dabei ist es jedem Ehrenamt gemein, dass die in ihm tätigen Personen ihre Zeit freiwillig und unentgeltlich zur Verfügung und ihre Fähigkeiten in den Dienst der Allge­meinheit stellen. Für uns ist klar: Ehrenamt verbindet. Das gemeinsame ehrenamtliche Enga­gement dient nicht nur einem Selbstzweck, sondern fördert auch die gesellschaftliche Solida­rität. Die Strukturen des Ehrenamts fungieren als Schulen der Demokratie, denn hier wird Em­pathie, Teilhabe und Selbstwirksamkeit erlebt und erfahren.

Unsere Gesellschaft würde ohne Ehrenamt und ohne das Engagement von mehr als der Hälfte der Bevölkerung nicht funktionieren. Das Ehrenamt hält unsere Gesellschaft zusammen. Eh­renamtliche sind die Heldinnen und Helden des Alltags. Die Anerkennung eben dieser Bedeu­tung auf allen politischen Ebenen ist bedeutsam und wichtig, um Wertschätzung zu zeigen für die Leistungen, aber auch um Anreize zu setzen für die Ausübung eines Ehrenamts.

Allerdings sind die Anforderungen an viele Bereiche des Ehrenamts in den letzten Jahren enorm gestiegen, daher stehen ehrenamtliche Strukturen insgesamt vor großen Herausforde­rungen. Aus sämtlichen Bereichen, die so dringend auf das Engagement von Ehrenamtlichen angewiesen sind, ist zu vernehmen, dass ein Rückgang des Ehrenamts zu verzeichnen ist. Dies gilt für Sport- und Fördervereine, Kinder- und Jugendeinrichtungen ebenso wie in den Glaubensgemeinschaften, der Alten- und Sozialarbeit, Diensten in der freiwilligen Feuerwehr und dem Katastrophenschutz oder in Parteien.

Auch die globalen Themen haben Auswirkungen auf das Ehrenamt – etwa die Integration von Geflüchteten durch Ehrenamtliche oder die Folgen der Klimakrise auf den Katastrophen­schutz. Gleichzeitig wird der Umgang mit menschen- und demokratiefeindlichen Akteuren zu­nehmend zu einem Thema für ehrenamtliche Organisationen. Darüber hinaus haben nicht alle Menschen dieselben Ressourcen für ein Ehrenamt zur Verfügung. Nicht alle Themen können auf Landesebene und durch eine einzige Maßnahme gelöst werden. Umso notwendiger ist es, die Attraktivität des Engagements durch staatliche Anerkennung zu unterstützen, wieder zu steigern und entsprechende Anreize zu setzen.

Zudem ist einer der Kernfaktoren für ein zukunftsfestes Engagement in Nordrhein-Westfalen das Zusammenwirken von Haupt- und Ehrenamt. In der Praxis arbeitet der Großteil der Ver­eine und Organisationen mit einer Mischung aus Haupt- und Ehrenamtlichen. Ehrenamtliches Engagement funktioniert in vielen Bereichen nur, wenn es hauptamtlich begleitet, organisiert, betreut und damit entlastet wird. Denn viele Anforderungen sind zu hoch, beispielsweise bei der Beantragung von Fördermitteln, der Finanzbuchhaltung und dem Projektmanagement. Bü­rokratieabbau ist daher ein zentrales Thema, welches auch von der Landes-Servicestelle für bürgerschaftliches Engagement bearbeitet wird.

Allein aufgrund der herausragenden gesellschaftlichen Bedeutung ist klar, dass bürgerschaftliches Engagement vielseitige Anerkennung verdient. Deshalb fördert die nordrhein-westfäli­sche Landesregierung seit vielen Jahren gezielt ehrenamtliches Engagement und hat eine umfassende Ehrenamtsstrategie entwickelt. Diese umfasst die Einrichtung der Landesservice-stelle bürgerschaftliches Engagement, ein unbürokratisches Förderprogramm, Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote sowie die Förderung des Netzwerks bürgerschaftliches Engagement (NBE NRW).

Bereits 2008 wurde zusammen mit den Städten, Kreisen und Gemeinden des Landes als Aus­druck ihrer Wertschätzung eine landesweit gültige Ehrenamtskarte für zeitlich intensives En­gagement eingeführt. Mit dieser können bestimmte Angebote in verschiedenen Landes- und kommunalen Einrichtungen, aber auch im Bereich des Sports, der Kultur, des Einzelhandels oder der Dienstleistungsbranche vergünstigt wahrgenommen werden. Den Inhaberinnen und Inhabern stehen so rund 5.400 Vergünstigungen zur Verfügung. Derzeit können die Ehren-amtskarte all diejenigen beantragen, die sich wenigstens fünf Stunden pro Woche beziehungs­weise 250 Stunden im Jahr ehrenamtlich engagieren und dafür keine pauschale Aufwands­entschädigung beziehen, sondern eine Entschädigung für entstandene Ausgaben erhalten. Die oder der Ehrenamtliche muss sich bei einer entsprechenden Stelle/Kontaktperson in sei­ner Stadt oder seinem Kreis melden, die die Vergabe weiter organisiert. Zugleich kann die Ehrenamtskarte seit September 2022 auch digital über die App „Ehrenamtskarte NRW“ bean­tragt und eine bereits bestehende gültige Karte digitalisiert werden. Ein schriftlicher Antrag in Papierform ist nicht mehr notwendig.

Um das Ehrenamt weiter attraktiv zu gestalten und entsprechende Anreize zu setzen, aber auch um den Engagierten das gebührende Maß an Anerkennung zukommen zu lassen, ist es erforderlich die Voraussetzungen für den Zugang zur Ehrenamtskarte zu senken. Gleichzeitig ist es von erheblicher Bedeutung den Bekanntheitsgrad der Karte weiter zu steigern, sodass die Karte von all denjenigen genutzt werden kann, die einen so wichtigen Beitrag für unser gesellschaftliches Zusammenleben leisten.

Ein Schritt die Attraktivität des ehrenamtlichen Engagements zu steigern, wäre die Einführung der bundesweiten Gültigkeit der Ehrenamtskarte. Gerade in Regionen an der Grenze zu an­deren Bundesländern könnten die Engagierten Vergünstigungen sowie Angebote unabhängig von den Grenzen der Bundesländer in Anspruch nehmen. Im Rahmen eines Pilotprojekts in Kooperation mit beispielsweise dem Bundesland Rheinland-Pfalz könnte erprobt werden, wel­che einheitliche Standards und Anerkennungen nötig sind, um das Projekt bundesweit umset­zen zu können. So werden zusätzliche Anreize für das freiwillige Engagement gesetzt, indem die Anerkennung dafür bundesweit erfolgt. Perspektivisch würde die Gültigkeit der Ehrenamts-karten der jeweiligen Bundesländer in der gesamten Bundesrepublik zu einem deutlichen Be-nefit für die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler führen.

II. Beschlussteil:

Der Landtag stellt fest:

  • Das Ehrenamt ist eine unverzichtbare Säule unserer Gesellschaft.
  • Ehrenamtliches Engagement verdient Anerkennung. Denn es leistet einen wichtigen Teil für den Zusammenhalt und das Funktionieren unserer Gesellschaft.
  • Durch ehrenamtliches Engagement tragen Menschen aktiv zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen bei und stärken demokratische Strukturen. Die Stärkung des Ehren­amts ist deshalb gerade jetzt von herausragender Bedeutung.
  • Die Ehrenamtskarte bietet eine Möglichkeit der Anerkennung dieser Leistungen.

Der Landtag fordert die Landesregierung im Rahmen vorhandener Mittel auf,

  • die Zugangsvoraussetzungen zur Ehrenamtskarte herabzusetzen und den Zugang all denjenigen zu ermöglichen, die sich im Jahresdurchschnitt mindestens 200 Stunden für unsere Gesellschaft engagieren. Dies soll auch dann möglich sein, wenn die Ehrenamt­lichen eine Aufwandsentschädigung erhalten, soweit diese den steuerlichen Freibetrag der Ehrenamtspauschale bzw. der Übungsleiterpauschale nicht übersteigt.
  • die Attraktivität der Karte weiter zu steigern, indem sie weiterhin alle Kommunen zur Teilnahme an der Ehrenamtskarte aufruft sowie bei den Kommunen für die Ausweitung der Angebote wirbt.
  • zu prüfen, ob weitere Landeseinrichtungen wie Landesmuseen als Angebote der Ehren-amtskarte aufgenommen werden können.
  • im Rahmen von Ehrenamtskampagnen stärker auf die Angebote und Vorteile der Karte aufmerksam zu machen, um so deren Bekanntheit zu fördern.
  • in einem Pilotprojekt mit beispielsweise Rheinland-Pfalz zu testen, wie sich die grenz­überschreitende Anerkennung der Ehrenamtskarte umsetzen ließe. Nach einem erfolg­reichen Ergebnis eines solchen Pilotprojekts sollte die Landesregierung perspektivisch bei weiteren Bundesländern sowie dem Bund für eine bundesweite Gültigkeit der Ehren-amtskarte werben.
  • angesichts der vielfachen Herausforderungen für das Ehrenamt, dieses weiter zu unter­stützen – etwa durch den Abbau von Bürokratie – und die Ehrenamtsstrategie kontinu­ierlich weiterzuentwickeln.
  • weiterhin und verstärkt darüber zu informieren, dass die Ehrenamtskarte für alle Ehren­amtlichen gilt, die für ihr Engagement keine finanziellen Zuwendungen erhalten. Damit ist die gesamte Vielfalt des ehrenamtlichen Engagements, auch das in freien Initiativen, abgedeckt.