Effektive Kriminalprävention durch eine Stärkung der sozialraumorientierten Polizeiarbeit

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

I.         Ausgangslage
Die Vorbeugung von Straftaten durch Maßnahmen im Bereich der Kriminalprävention ist seit vielen Jahren ein wichtiges Anliegen der nordrhein-westfälischen Polizei. Neben beispielweise der Aufklärung über einzelne Kriminalitätsphänomene, den präventiven Programmen der Landesregierung im Bereich der Jugendkriminalität oder der Vernetzung unterschiedlicher Akteure in den Kriminalpräventiven Räten vor Ort spielt für die Kriminalprävention auch der Bezirks- und Schwerpunktdienst eine bedeutende Rolle.
Die Polizeibeamtinnen und -beamten des Bezirks- und Schwerpunktdienstes sind Ansprechpersonen für die Menschen in den Quartieren ihrer jeweiligen Wohnorte. Sie verfolgen eine proaktiv-präventive Polizeiarbeit – gegenüber der ebenso wichtigen, aber reaktiv geprägten Notrufarbeit des Wach- und Wechseldienstes sowie der Ermittlungsarbeit der Kriminal- und Verkehrskommissariate. Beamtinnen und Beamte des Bezirks- und Schwerpunktdienstes sind in der Regel von Einsatz- und Ermittlungsarbeiten befreit und haben die Aufgabe, in räumlich übersehbaren und in sozialen Strukturen gewachsenen Bereichen für die Wohnbevölkerung und Geschäftsleute Ansprechpersonen in Sicherheitsfragen zu sein. Sie sollen eine ganzheitliche Perspektive auf die Sicherheitslage ihres Gebiets entwickeln und sich im Wege sozialraumorientierter Polizeiarbeit mit den örtlichen Ordnungs- und Verkehrsdiensten, dem Jugendund Gesundheitsamt sowie und vor allem mit sozialen öffentlichen Diensten oder solchen in freier Trägerschaft aber auch mit Schulen und zivilgesellschaftlich organisierten Vereinen und Initiativen vernetzen, um gemeinsam die lokale Sicherheitslage zu verbessern. Durch ihre regelmäßige Präsenz und Ansprechbarkeit können sie zudem auch einen Beitrag zur Erhöhung des Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger leisten.
Sozialraumorientierte Polizeiarbeit zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass alle Interessenvertreterinnen und -vertreter der in einem räumlichen Bereich Ansässigen angehört und sie zur Lösung der örtlichen Probleme eingebunden werden. Von essentieller Wichtigkeit ist insofern eine ausgeprägte soziale und interkulturelle Kompetenz der vor Ort tätigen Beamtinnen und Beamten. Sie setzen auf dialogorientierte Kommunikation mit allen Bevölkerungsgruppen und Akteuren vor Ort.
Zu einer wirksamen sozialraumorientierten Polizeiarbeit im Bezirks- und Schwerpunktdienst trägt vor allem eine solide personelle Ausstattung bei. Dies zeigten die Ergebnisse eines im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Köln von 2003 bis 2006 durchgeführten Modellprojekts. Dort wurde im Bereich der Kölner Innenstadt (u.a. Domplatte, Ebertplatz, Neumarkt, Ringe) die Anzahl der eigentlich vorgesehenen zuständigen Bezirksdienstbeamtinnen und – beamten vervierfacht. Innerhalb eines Jahres waren die Straßenkriminalität und die Anzahl der Gewaltdelikte im öffentlichen Raum um 15 Prozent gesunken. Ebenfalls sank die Anzahl der Notrufeinsätze im Wach- und Wechseldienst. Hierfür sorgten die gezielte Präsenz und die niederschwellige, deeskalierende Arbeit des Bezirks- und Schwerpunktdienstes an Kriminalitätsschwerpunkten in der Stadt.
Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet und nachdem das Konzept auf Empfehlung des Gutachters 2007 auf den gesamten Bereich des Polizeipräsidiums ausgedehnt worden war, stellte sich ein Jahr später eine flächendeckende Verringerung der Straßenkriminalität und der Gewaltdelikte im öffentlichen Raum ein. Insgesamt waren dafür die Stellen in den Bezirks- und Schwerpunktdiensten der örtlichen Polizeiinspektionen behördenweit verdoppelt worden.
Diese wissenschaftlich nachgewiesenen positiven Effekte sollten verstärkt und die Möglichkeiten des Bezirks- und Schwerpunktdienstes im Sinne einer vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung genutzt werden. Insbesondere die Bürgerinnen und Bürger vor Ort in den Wohnquartieren profitieren von „ihren“ regelmäßig präsenten und ansprechbaren Bezirksbeamtinnen und -beamten.

II.       Feststellungen

Der Landtag stellt fest,
1.     die proaktiv-präventive Arbeit der Polizeibeamtinnen und -beamten im Bezirks- und Schwerpunktdienst stellt eine sinn- und wirkungsvolle Ergänzung der ebenso wichtigen, jedoch überwiegend reaktiven Arbeit des Wach- und Wechseldienstes sowie der Kriminalund Verkehrskommissariate dar.
2.     der Einsatz sozialraumorientiert arbeitender polizeilicher Bezirks- und Schwerpunktdienste sorgt für eine Steigerung der polizeilichen Präsenz und führt zu einer merklichen Reduzierung der Straßenkriminalität und von Gewaltdelikten im öffentlichen Raum.
3.     sozialraumorientiert arbeitende polizeiliche Bezirks- und Schwerpunktdienste leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Steigerung des Sicherheitsempfindens der Bürgerinnen und Bürger vor Ort

III.      Forderungen an die Landesregierung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1.     den sozialraumorientiert arbeitenden Bezirks- und Schwerpunktdienst personell nachhaltig zu stärken. Dazu soll die Landesregierung die Belastungsbezogene Kräfteverteilung der Polizei NRW dahin verändern, dass den Kreispolizeibehörden für den Bezirksdienst Sockelstellen im Verhältnis von einer Planstelle pro 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner zugewiesen werden.
2.     darüber hinaus die Belastungsbezogene Kräfteverteilung der Polizei NRW dahin zu verändern, dass den Kreispolizeibehörden für die Bezirks- und Schwerpunktdienste in Kriminalitätsschwerpunkten weitere Sockelstellen im angemessen Verhältnis zur Entwicklung der Straßenkriminalität und der Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum zugewiesen werden.
3.     in der für die Polizei zuständigen Abteilung des Ministerium des Innern von NRW eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag einzurichten, ein Rahmenkonzept für sozialraumorientierte Polizeiarbeit in NRW zu entwickeln und dieses den Kreispolizeibehörden zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitsgruppe soll die Umsetzung des Rahmenkonzepts in den Kreispolizeibehörden regelmäßig überprüfen und für seine stetige Weiterentwicklung sorgen.
4.     die Kreispolizeibehörden anzuweisen, Konzepte für sozialraumorientierte Polizeiarbeit entsprechend den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort zu entwickeln und diese der Arbeitsgruppe mitzuteilen sowie die Arbeitsgruppe über den Stand der Umsetzung regelmäßig zu informieren.
5.     für einen regelmäßigen Austausch zwischen der Arbeitsgruppe und den Kreispolizeibehörden sowie den Kreispolizeibehörden untereinander zu sorgen mit dem Ziel, sich über die Ausgestaltung des Rahmenkonzepts für sozialraumorientierte Polizeiarbeit und die Umsetzung der entwickelten Konzepte vor Ort in Kenntnis zu setzen bzw. diese weiterzuentwickeln.