I. Ausgangslage
Der Arbeits- und Fachkräftemangel betrifft viele Branchen in Nordrhein-Westfalen und muss dringend angegangen werden. Mit der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen verändert und erhöht sich der Arbeits- und Fachkräftebedarf, insbesondere im Handwerk und Ingenieurwesen. Aber auch in vielen sozialen, erzieherischen und Pflege- und Gesundheitsberufen sowie in der Digitalbranche zeigt sich der Personalbedarf immer deutlicher. Doch obwohl vielerorts nach Mitarbeitenden gesucht wird, passen Jobanforderungen und Kompetenzen nicht immer zusammen.
Der Weiterbildung kommt im Hinblick auf den Arbeits- und Fachkräftemangel eine besondere Bedeutung zu. Sie bietet eine zweite Chance, wenn der erste Bildungsweg nicht erfolgreich durchlaufen wurde oder bietet die Möglichkeit einer beruflichen Umorientierung oder Weiterentwicklung. Und sie schafft Bildungschancen für diejenigen, die von strukturellen Herausforderungen im Bildungssystem oder persönlichen Umbrüchen betroffen sind. So kann Arbeitslosigkeit vorgebeugt oder gegebenenfalls beendet werden. Im Sinne des lebenslangen Lernens ermöglicht Weiterbildung Teilhabechancen am beruflichen und gesellschaftlichen Leben und verhindert, dass Menschen vom technologischen Fortschritt abgehängt werden.
Neben der Vermittlung berufsrelevanter Kenntnisse und Kompetenzen fördert gerade die ge-meinwohlorientierte Weiterbildung die individuelle Entwicklung jedes und jeder Einzelnen, die Persönlichkeitsbildung und die Voraussetzungen für eine berufliche Grundqualifikation.
Nordrhein-Westfalen verfügt über eine breite und vielfältige Landschaft von gemeinwohlorien-tierten Weiterbildungseinrichtungen – auch im Bereich der politischen Bildung in kommunaler, kirchlicher und anderer Trägerschaft. Allerdings ist auch die Weiterbildung selbst vom Arbeits-und Fachkräftemangel betroffen. Es müssen also Maßnahmen getroffen werden, die darauf abzielen, die Weiterbildungseinrichtungen dauerhaft personell in die Lage zu versetzen, dem Weiterbildungsbedarf in der Gesellschaft gerecht werden zu können. Qualifizierungsangebote wie „PASS“ der Supportstelle Weiterbildung oder „Train-The-Trainer“ des Landesverbandes der Volkshochschulen leisten hier bereits einen wichtigen Beitrag, um Leitungs- und Lehrkräfte in der Weiterbildung zu schulen. Dabei muss gemeinsam mit den Trägern in den Blick genommen werden, welche Potenziale diese Programme bieten, um auch neue Zielgruppen für die Weiterbildung zu erschließen und Quereinstiege zu erleichtern.
Die gemeinwohlorientierten Weiterbildungseinrichtungen verfügen über starke Netzwerke in ihren Kommunen, zu den Unternehmen, Kammern und Gewerkschaften, den Arbeitsagenturen, anderen Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt zu den Bürgerinnen und Bürgern. Mit der Novellierung des Weiterbildungsgesetzes (WbG) wurde die Möglichkeit der geschaffen, Volkshochschulen in ihrer Rolle als Weiterbildungsberater und „Weiterbildungslotsen“ in ihrem Einzugsgebiet zu stärken, Bildungsangebote noch bekannter zu machen, Bedarfe in Wirtschaft und Gesellschaft zu ermitteln und Beratung für individuelle Bildungswege zu leisten.
Auch für die Entwicklung neuer Zugänge, wie einer aufsuchenden Bildungsarbeit wurde mit der Novellierung des WbG ein Rahmen gesetzt, um neue Zielgruppen ansprechen zu können. Dafür sind vor allem gleichbleibende Ansprechpersonen erforderlich, die in der Lage sind, Menschen über eine längere Zeit hinweg auf ihrem Bildungsweg zu begleiten. Darüber hinaus können Kooperationen mit Hochschulen lohnenswert sein. So könnten nicht nur Personalengpässe punktuell überwunden werden, sondern die Wissenschaftskommunikation in die Gesellschaft hinein könnte mit gemeinsamen Lehrveranstaltungen verbessert werden. In einschlägigen Studiengängen bietet es sich an, Studierenden die Absolvierung ihrer Praxismodule auch in Einrichtungen der gemeinwohlorientieren Weiterbildung zu ermöglichen.
II. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- im Rahmen der Evaluierung des Weiterbildungsgesetzes auf Basis angemessener Erfahrungswerte zu prüfen, ob dieses den Volkshochschulen einen ausreichenden Rahmen gibt, um in einer Funktion als Weiterbildungsberater und „Weiterbildungslotsen“ tätig sein zu können, um Orientierungsberatung für interessierte Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen anbieten zu können;
- in der Evaluierung insbesondere die neu geschaffenen Instrumente der Entwicklungspauschale und des Innovationfonds in den Blick zu nehmen. Dabei soll unter anderem auch geprüft werden, ob und wie die damit verbundene Möglichkeit der aufsuchenden Bildungsarbeit weiter gestärkt werden kann;
- den ESF+-geförderten Bildungsscheck für berufliche Weiterbildungsangebote weiter zu verbessern;
- zu prüfen, ob Kooperationen von Einrichtungen und Verbänden der gemeinwohlorien-tierten Weiterbildung mit Hochschulen stärker als bisher unterstützt werden können, sodass beispielsweise in passenden Studiengängen mehr Praxismodule in Weiterbildungseinrichtungen absolviert werden können;
- die trägerübergreifende Qualifizierung für Leitungskräfte in Einrichtungen und Verbänden der gemeinwohlorientierten Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen „PASS“ der Supportstelle Weiterbildung fortzuführen und bedarfsgerecht aus vorhandenen Mitteln weiterzuentwickeln, um neue Zielgruppen für die Arbeit in der Weiterbildung zu erschließen und damit dem Generationenwechsel in der Weiterbildung zu begegnen;
- das Europäische Jahr der Kompetenzen 2023/2024 aktiv zu begleiten und zu prüfen, welche der Maßnahmen und Initiativen der EU-Kommission in Nordrhein-Westfalen aufgegriffen und weiterentwickelt werden können.