I. Der Landtag stellt fest:
Der Entwurf des Gesetzes zu dem Steuerabkommen vom 21. September 2011 (BT- Drucksache 17/10059) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt in der Fassung vom 5. April 2012 stellt einen Angriff auf die Steuergerechtigkeit in Deutschland dar.
Der vorliegende Entwurf sieht für die von deutschen Staatsbürgern bisher in der Schweiz größtenteils nicht versteuerten Vermögen eine grundsätzliche Straffreiheit vor. Der laut dem Gesetzentwurf einmalig zu zahlende Ablassbetrag auf die bisher nicht bzw. nicht ausreichend besteuerten Vermögen deutscher Bundesbürger in der Schweiz beträgt zum Teil nur die Hälfte dessen, was ehrlicherweise an Umsatz-, Körperschafts-, Einkommens-, und Abgeltungssteuer hätte gezahlt werden müssen. Somit führt das Gesetz zu einer massiven Steuerungerechtigkeit und eine Ungleichbehandlung zum Nachteil ehrlicher Steuerzahler mit versteuertem inländischen Vermögen und zum Vorteil deutscher Steuerhinterzieher mit unversteuertem Vermögen auf Schweizer Boden.
Eine finanzielle Kompensation dieser Anonymität ist mit den bislang vorliegenden Abkommen ebenfalls nicht gewährleistet. Es bestehen vielfältige Möglichkeiten der Umgehung. Diese werden insbesondere durch die zeitliche Differenz zwischen der Ratifizierung des Abkommens und dem Erfassungsstichtag der Vermögen möglich. Steuerhinterziehern wird ein Vorsprung gewährleistet. Dieser kann auf vielfältige Weise zur Umgehung genutzt werden. Beispielsweise durch eine Umwandlung der Vermögen in Immobilien oder andere Wertgegenstände, die Gründung einer Stiftung ohne festen Begünstigten, die Überführung in einen Gewerbebetrieb etc. Außerdem sind Schließfächer ebenfalls nicht erfasst. Die Steuerhinterzieher haben zum Teil eine beträchtliche Kreativität an den Tag gelegt, um einer Besteuerung durch den deutschen Fiskus zu entgehen. Die Annahme eines grundsätzlichen Mentalitätswandels ist nicht plausibel. Insbesondere nicht, wenn zeitgleich eine höhere Besteuerung durch das Abkommen als im Rahmen einer Selbstanzeige behauptet wird.
Mit dieser eklatanten Steuerungerechtigkeit entstehen durch die Besserstellung und Immunisierung krimineller Steuerhinterzieher dem Bund und den Ländern Steuerausfälle in Milliardenhöhe. Diese Beträge fehlen in den jeweiligen Haushalten und führen entweder zu höherer Neuverschuldung oder müssen dann durch die verbleibenden ehrlichen Steuerzahler kompensiert werden. Dies ist nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen abzulehnen, sondern gefährdet den sozialen Zusammenhalt und die Zukunfts- und Investitionsfähigkeit unserer Gesellschaft.
Die Ratifizierung des Abkommens würde zu einer vollständigen Lähmung der deutschen Steuerbehörden führen, da jegliche strafrechtlichen Untersuchungen und Verfolgungen untersagt werden. Die in dem vorliegenden Gesetzentwurf maximalen 900 bzw. 1300 Auskunftsersuche deutscher Finanzämter bei den Schweizer Behörden pro Jahr, so wie das faktische Verbot weiterer ermittlungsnotwendiger Aktivitäten, wie beispielsweise der Sicherstellung und dem Ankauf von ermittlungsrelevanten Dokumenten stellen einen kaum mit dem deutschen Rechtssystem vereinbaren Einschnitt in die Tätigkeit der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden dar.
Die Nutzung von angekauften Steuerdaten durch die Landesregierung ist rechtskonform. Die Landesregierung ist zur Prüfung von angebotenen Informationen verpflichtet. Das Instrument der Steuer-CDs ist finanziell sehr erfolgreich und auch ein von anderen Ländern und Staaten genutztes Verfahren. Die finanziellen Mehreinnahmen werden auch von den Ländern eingenommen, deren Regierungen Bedenken gegen den Ankauf von Steuerinformation haben.
Den Ankauf und die Auswertung von Steuer-CDs unter Strafe stellen zu wollen, wie es die Bundesjustizministerien Leutheusser-Schnarrenberger angekündigt hat, ist daher aus rechtlicher und finanzieller Sicht nicht nachvollziehbar. Mit einem Ankaufsverbot von Steuer- CDs würde den Steuerbehörden eines der wirksamsten Instrumente gegen die Steuerkriminalität, in Bezug auf alle „Steueroasen“, aus der Hand geschlagen.
Das bisher vorliegende Gesetz ist in keiner Weise mit dem durch die USA mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft bisher verhandelten Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA)vergleichbar. Hier zeigen die USA was eigentlich selbstverständlich sein müsste und wie unvorteilhaft der vorliegende Entwurf eines Steuerabkommens gegenüber dem des Amerikanisch-Schweizer Modell für Deutschland ist.
Die USA fordern einen weitgehenden Verzicht auf eine Anonymisierung und nicht nur mehr Stichprobenkontrollen, sondern auch Gruppenabfragen nach flexiblen Suchkriterien. Gruppenabfragen sind im deutsch-schweizerischen Abkommen dagegen nicht vorgesehen. Deutsche Steuerhinterzieher bleiben trotzdem weiterhin anonym.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der gegen das Inkraftreten des vorliegenden Abkommens mit der Schweiz spricht, liegt auch in der Steuergerechtigkeit für die Zukunft. Einer eingeführten Vermögensbesteuerung könnten sich die Inhaber von Konten bei Schweizer Banken auch im Rahmen dieses Abkommens entziehen.
Hinzu kommt der Europäische Gedanke einer einheitlichen Regelung. Eine einheitliche EU- weite Regelung wäre wünschenswert. Der Abschluss des von der Bundesregierung geplanten Steuerabkommens mit der Schweiz würde dem Europäisierungsprozess in den Mitgliedstaaten der EU zuwiderlaufen und dem Sinn der Europäischen Union widersprechen. Zudem könnte die Schaffung eines Präzedenzfalls mit Sonderrechten für die Schweiz zu Begehrlichkeiten bei weiteren Staaten, wie Österreich und Luxembourg, führen.
Ein Steuerabkommen mit der Schweiz wäre prinzipiell zu begrüßen. In der gegenwärtigen Fassung ist der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft ausgehandelte Vertrag jedoch nicht ratifizierungsfähig. Grundlage für ein Steuerabkommen sollte zumindest eine grundsätzliche Gleichheit und Offenheit im Informationsaustausch zwischen deutschen und schweizerischen Behörden sein, wie sie auch gegenüber anderen Ländern in Doppelbesteuerungsabkommen geregelt ist.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf
- sich im Interesse des Gemeinwohls und der Steuergerechtigkeit gegenüber Bundestag und Bundesregierung im Bundesrat nachdrücklich für eine Verhinderung des Steuerabkommen vom 21. September 2011 (BT-Drucksache 17/10059) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt in der Fassung vom 5. April 2012 in jetzigen Form einzusetzen.
- sich im Interesse des Gemeinwohls und der Steuergerechtigkeit gegenüber Bundestag und Bundesregierung im Bundesrat nachdrücklich für die Möglichkeit einer zukünftigen Strafverfolgung krimineller Steuerhinterzieher und den dafür notwendigen Ankauf und Auswertung von Steuerdaten einzusetzen.
- sich im Interesse des Landes dafür einzusetzen, dass kein Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft gültig werden darf, welches nicht mindestens auf dem qualitativen Niveau des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) zwischen der Schweiz und der USA ist, weiterhin ein Ankauf und eine Verwendung von ermittlungsrelevanten Dokumenten und Daten sowie sogenannter „Steuer-CDs“ geprüft und in relevanten Fällen umgesetzt wird.