I.
Die heutigen Anforderungen an Politik und Verwaltungshandeln sind vielfältiger geworden. Während Bürgerinnen und Bürger in zunehmendem Maß mehr Transparenz und mehr Re-chenschaft in politischen Prozessen fordern, können Politik und Verwaltungen dieser Forde-rung mit den Möglichkeiten der Digitalisierung stärker entgegenkommen. Beteiligungspro-zesse lassen sich im digitalen Zeitalter einfacher und mit geringeren Hürden organisieren, Informationen schneller und in größerem Umfang bereitstellen.
Der fortschreitende gesellschaftliche Prozess der Digitalisierung bietet vielfältige Möglichkei-ten, die repräsentative Demokratie um neue politische Mitgestaltungmöglichkeiten durch die Bürgerinnen und Bürger zu ergänzen und damit zu stärken. 79,4% der Haushalte in Nord-rhein-Westfalen haben heute Zugang zum Internet. Hieraus ergibt sich ein großes Potenzial zur stärkeren Partizipation und Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung mit den Bürge-rinnen und Bürgern sowie für die Herstellung von mehr Transparenz in politischen Prozes-sen.
Der hierfür notwendige Wandel wird als Open Government bzw. Offene Staatskunst be-zeichnet. Open Government ist als Leitstrategie für exekutives und legislatives Handeln zu verstehen und umfasst unterschiedliche Facetten. Open Government ist mehr als die Verein-fachung von Verwaltungsabläufen mithilfe des Internets (E-Government). Es konzentriert sich auf eine Bereitstellung offener Daten (Open Data), mehr Teilhabe an der Willensbildung in Regierung und Verwaltung sowie auf neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Ver-waltungen sowie zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern. Es stellt daher eine neue und stärker beteiligungsorientierte Form des Regierungs- und Verwaltungshandelns dar, wobei das Internet mit seinem ganzen Informations- und Kommunikationspotenzial, ins-besondere dem Potenzial der neuen sozialen Medien, eine zentrale Rolle spielt.
Neben den Vorteilen, die sich durch mehr Transparenz und mehr Offenheit für die Bürgerin-nen und Bürger bieten, können von Open Government auch die nordrhein-westfälischen Verwaltungseinheiten profitieren. Durch die Möglichkeiten der Einflussnahme und eine ver-besserte Nachvollziehbarkeit werden politische Entscheidungen transparenter und können eine größere Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger finden.
Entsprechende Verwaltungsverfahren haben dadurch die Chance, schneller, konfliktfreier und erfolgreicher durchgeführt und abgeschlossen werden zu können. Zugleich sind in Folge dessen positive finanzielle und aufgabenkritische Effekte möglich. Ebenso erhalten Bürge-rinnen und Bürger die Möglichkeit, Ausgabestrukturen der öffentlichen Verwaltung zu hinter-fragen und hieraus politische Konsequenzen abzuleiten. Open Government eröffnet somit die Chance eines neuen Dialogs zwischen Politik, Verwaltung und Betroffenen, wenn breit angelegte Informationen und Beteiligungschancen auf verschiedenen Kanälen verfügbar sind.
II.
Ein zentrales Handlungsfeld in Open Government Strategien ist Open Data, d.h. die Bereit-stellung von frei zugänglichen Daten und Informationen. Open Government Data bezeichnet dabei einen Prozess, in dem die Datenbestände der öffentlichen Verwaltung im Interesse der Allgemeinheit frei zugänglich und nutzbar gemacht werden. Auch für Open Government Data gelten dabei die im Jahr 2007 durch die Open Data Working Group definierten und mittler-weile allgemein anerkannten Open Data Kriterien. Das bedeutet, dass auch im Rahmen ei-ner nordrhein-westfälischen Open Data Initiative die Datenbereitstellung aus der
Landesverwaltung so weit wie möglich
vollständig und unmittelbar aus der Quelle,
maschinenlesbar und aktuell,
leicht zugänglich und diskriminierungsfrei,
unter Verwendung offener Standards sowie adäquater Nutzungsbedingungen,
aber auch kostenfrei und dauerhaft
erfolgen bzw. gewährleistet werden sollte.
Die Landesverwaltung in Nordrhein-Westfalen bietet bereits heute schon mit ihren internet-basierten Informationsangeboten vielfältige Ansätze für die Bereitstellung von Daten und Informationen. Open Data Projekte auf der kommunalen Ebene – beispielsweise frankfurt-gestalten.de, das von der Open Knowledge Foundation Deutschland initiiert wurde, oder das durch eine Einzelperson erstellte Projekt offenes-koeln.de – illustrieren ebenfalls das Poten-zial offener Daten . Sie ermöglichen die aktive Teilhabe an politischen Projekten und schaf-fen die Struktur für die Vernetzung aktiver Bürgerinnen und Bürger.
Der Grundsatz für Open Data Strategien lautet, möglichst alle Daten der öffentlichen Verwal-tung des Landes für Bürgerinnen und Bürger offen zugänglich zu machen. Der freie Zugang zu Daten ist als eine der Triebfedern der Wissensgesellschaft eine besondere Zukunftsauf-gabe für das Wirtschafts- und Bildungsland Nordrhein- Westfalen. Die Erfahrungen aus an-deren Staaten zeigen, dass die umfangreiche, offene und freie Bereitstellung von Daten des öffentlichen Sektors neue wirtschaftliche Impulse schaffen kann: Durch Weiterverarbeitung, Veredelung und Weiterverbreitung können aus offen bereitgestellten Daten neue Anwen-dungen, Produkte und Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und Produktionsketten entste-hen. Notwendig ist ein Wandel von der Holschuld der Bürgerinnen und Bürger zur Bring-schuld der Verwaltung.
Die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener oder anderer sicherheitsrelevanter Da-ten sind im Rahmen von Open Data zu beachten.
Dem Aufgabenfeld Open Data und dem Aufbau einer entsprechenden Internetplattform sind innerhalb der nordrhein-westfälischen Open Government Initiative daher hohe Priorität einzu-räumen. Daneben ist eine Verankerung dieses Veröffentlichungsanspruchs im Informations-freiheitsgesetz und die Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem Transparenzgesetz, erforderlich.
Wettbewerbe, in deren Rahmen Entwicklerinnen und Entwickler Anwendungen mit Hilfe of-fener Daten der öffentlichen Hand entwickeln, können eine wichtige Triebfeder zur stärkeren Verbreitung des Open Government Konzepts sein. Beispiele hierfür sind MOGDY (Munich Open Government Day), „Apps4Deutschland“ oder auch der US- amerikanische Wettbewerb „Apps4Democracy“.
III.
Die Rot- Grüne Landesregierung hat schon in der 15. Wahlperiode wichtige Schritte unternommen, um über E-Partizipation als weitere wichtige Dimension des Open Governments neue Formen der politischen Mitgestaltung durch die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein- Westfalens zu ermöglichen. Beispiele hierfür sind die Online- Konsultationen zur Eine- Welt- Strategie, zum Medienpass.NRW und zum Jugendmedienschutz. In diesen Prozess eingebunden waren Bürgerinnen und Bürger, pädagogische Fachkräfte, Verbände, Nichtregierungsorganisationen und weitere gesellschaftliche Akteure.
Die Staatskanzlei und das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung haben im Jahr 2011 ebenfalls Online- Dialog- und Beteiligungsverfahren durchgeführt.
Die in den ersten Open Data-Ansätzen und Konsultationsprozessen gesammelten Erfahrun-gen müssen zusammen mit den Möglichkeiten einer verbesserten elektronischen Zusam-menarbeit durch Nutzung der Potenziale der sozialer Medien in einer integrierten Open Government Strategie der Landesregierung zusammengefasst und zielgerichtet weiterentwi-ckelt werden. Dabei handelt es sich um einen Prozess, in dem es darum gehen wird, den anerkannten Open Government-Standards sowie den Erwartungen der jeweiligen Zielgrup-pen schrittweise gerecht zu werden, um unter Einbeziehung von Erfahrungswerten zur größtmöglichen Offenheit von Regierung und Verwaltung gelangen zu können.
Open Government muss eine systematische und breite Verankerung innerhalb der Landes-verwaltung finden, damit die neuen Formen des Regierungs- und Verwaltungshandeln auch für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig positive Wirkun-gen erbringen kann. Die Open Government Strategie des Landes Nordrhein-Westfalen sollte zudem einen intensiven Erfahrungsaustausch mit den Initiativen der kommunalen Ebene vorsehen, damit von Anfang eine die Verwaltungsebenen übergreifende Open Government-Entwicklung ermöglicht werden kann.
Daneben müssen bewährte Informationsmaßnahmen und Beteiligungsmöglichkeiten auch für Bürgerinnen und Bürger, die noch nicht über einen Internetzugang verfügen, vorgehalten bzw. weiter ausgebaut werden.
IV. Der Landtag beschließt
1. Der Landtag begrüßt lokale und regionale Open Government Projekte und spricht seine ausdrückliche politische Unterstützung aus.
2. Der Landtag begrüßt die Entwicklung einer Open Government Strategie der Landes-regierung und fordert die Landesregierung auf, den begonnenen Prozess unter Ein-beziehung der gewonnenen Erfahrungen insbesondere aus den Online- Konsultatio-nen in der 15. Wahlperiode so fortzusetzen, dass möglichst schon Mitte 2013 mit der Umsetzung der Open Government Strategie begonnen werden kann.
3. Die Open Government-Strategie der Landesregierung muss auch für Bürgerinnen und Bürger, die noch nicht über einen Internetzugang verfügen, bewährte Informati-onsmaßnahmen und Beteiligungsmöglichkeiten vorhalten bzw. weiter ausbauen.
4. Im Prozess der Entwicklung der Open Government Strategie sind auch die Bürgerin-nen und Bürger in angemessener Weise zu Beteiligen. Der Landtag unterstützt daher die Durchführung eines Zukunftsforums „Digitale Bürgerbeteiligung“. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger soll darüber hinaus auch im gelebten Open Government Prozess erfolgen. In regelmäßigen Abständen sollten daher auch zukünftig entspre-chende Foren durchgeführt werden.
5. Der Landtag bekräftigt die Notwendigkeit eines Open Government-Online- Angebots zur zentralen Bereitstellung aller Daten und Informationen der Landesverwaltung. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die Open Government Strategie an den an-erkannten Open Government Data Kriterien auszurichten. Hierbei sind insbesondere Strategien zum verstärkten Einsatz freier Lizenzen und die nachhaltige Absicherung freier und offener Lizenzmodelle zu entwickeln. Die Belange des Datenschutzes oder anderer sicherheitsrelevanter Bereiche sind bei der Bereitstellung öffentlicher Daten zu beachten.
6. Open Government wird die Landesverwaltung nachhaltig verändern und muss dazu organisatorisch fest verankert werden. Die Landesregierung wird daher aufgefordert, für die Umsetzung der nordrhein-westfälischen Open Government Initiative die erfor-derlichen Ressourcen bereitzustellen. Sie wird ebenfalls aufgefordert, Beratungs-, Qualifikations- und Informationsangebote für Bedienstete des Landes dahingehend zu prüfen, ob diese hinsichtlich der Grundsätze von Open Government und Open Da-ta weiter entwickelt werden sollten.
7. Die Landesregierung wird beauftragt, anschließend Wettbewerbe durchführen, bei denen Entwicklerinnen und Entwickler unter Verwendung öffentlich bereitgestellter Daten Applikationen erstellen, die zu Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit beitragen.