DS 16/746 Gesetz zur Regelung des Jugendarrestvollzuges in Nordrhein-Westfalen (Jugendarrestvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen – JAVollzG NRW)

Gesetzentwurf der Landesregierung

A Problem

Das Recht des Jugendarrestvollzuges ist bisher gesetzlich nur rudimentär im Jugendgerichtsgesetz und im Übrigen durch Rechtsverordnung und allgemeine Verwaltungsvorschriften geregelt. Dieses Regelwerk entspricht nicht mehr verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1972 (BVerfGE 33, 1 ff.) und später 2006 (Urteil vom 31. Mai 2006 – 2 BvR 1673/04) gefordert, Grundrechtseingriffe gegenüber erwachsenen beziehungsweise jungen Gefangenen gesetzlich zu legitimieren. Dies hat auch für den Vollzug des Jugendarrestes zu gelten. Die Gesetzgebungskompetenz des Landes zur Schaffung eines Jugendarrestvollzugsgesetzes ergibt sich aus Artikel 70 Absatz 1 des Grundgesetzes.
1976 wurde die ursprünglich repressive Intention der Ausgestaltung des Arrestvollzuges aufgegeben, gleichzeitig wurden die sozialpädagogischen Inhalte der Jugendarrestvollzugsordnung neu definiert. Damit ging die Überzeugung einher, dass diese Neuorientierung zumindest bei der Gestaltung von Freizeit- und Kurzarresten an ihre Grenzen stößt. Zunehmend wurde die vollständige Abschaffung des Jugendarrestes gefordert, zum Beispiel 1992 von der DVJJ-Kommission zur Reform des Jugendkriminalrechts (abgedruckt in DVJJ-Journal 1992, Seite 4 ff.) sowie danach auch 2002 von dem 64. Deutschen Juristentag (Verhandlungen des 64. Deutschen Juristentages, Berlin 2002, Band I, Gutachten D). Hintergrund dieser Forderung waren auch die ungünstigen Ergebnisse der Rückfallstatistik, aus denen sich eine
Rückfallquote von ca. 70 % ergab.

B Lösung

Das Justizministerium legt den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Jugendarrestvollzuges vor.Mit dem Entwurf greift Nordrhein-Westfalen die weitreichende Kritik am Jugendarrest auf und schafft als erstes Bundesland eine moderne, verfassungsrechtlich fundierte gesetzliche Grundlage für den Vollzug des Jugendarrestes. Der Entwurf wendet sich dabei kompromisslos vom reinen Sanktionscharakter des Arrestes ab und zielt konzeptionell auf die Förderung
und Erziehung der Jugendlichen. Er trägt zudem der Erkenntnis Rechnung, dass eine erzieherisch nachhaltige Einwirkung auf Jugendliche in der Regel Zeiträume von mindestens einer Woche erfordert. Freizeit- und Kurzarrest erfüllen diese Voraussetzung nicht. Der Entwurf konzentriert deshalb im Einklang mit den empirischen Realitäten wesentliche Elemente der erzieherischen Ausgestaltung des Jugendarrestvollzuges auf den Dauerarrest. Dieser umfasst auch die Variante des Jugendarrestes neben Jugendstrafe (sog. "Warnschussarrest") gemäß § 16a JGG-E, der durch das Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten (BT-Drs. 17/9389) eingeführt werden soll. Eigene Regelungen zum Vollzug dieser Arrestform sind daher nicht erforderlich.
Der Entwurf verbessert die rechtliche Stellung der Jugendlichen, schreibt innovative Standards fest und stellt die Erforderlichkeit pädagogisch ausgerichteter, sinnvoller, erneute Straffälligkeit vermeidender Ausgestaltung des Arrestvollzuges in den Vordergrund. Damit setzt er auch die in der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates vom 5. November 2008 aufgestellten Europäischen Grundsätze für die von Sanktionen und Maßnahmen betroffenen jugendlichen Straftäterinnen und Straftäter – Empfehlung REC(2008)11 – weit möglichst um.

C Alternativen

Keine.

D Kosten

Der Entwurf sieht Mehrkosten in Höhe von EUR 830.000,00 pro Jahr vor. Die gesetzlich vorgesehene konsequent pädagogische Ausrichtung der Betreuung in den fünf Jugendarrestanstalten des Landes erfordert eine Aufstockung des Personalbestandes um jeweils eine Sozialarbeiterin oder einen Sozialarbeiter sowie drei Angehörige des allgemeinen Vollzugsdienstes, von denen eine oder einer die Befähigung zur Sportübungsleiterin oder zum Sportübungsleiter besitzt. Darüber hinaus ist der Einsatz von psychologischen Fachkräften vorgesehen, der im Umfang von zehn Wochenstunden pro Anstalt extern eingekauft werden soll. Die Entscheidung über Mehrkosten bleibt dem künftigen Haushaltsaufstellungsverfahren vorbehalten. Vorfestlegungen für den Haushalt sind nicht getroffen.

E Zuständigkeit

Federführend ist das Justizministerium. Beteiligt sind die Staatskanzlei, das Ministerium für Inneres und Kommunales, das Finanzministerium, das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport, das Ministerium für Schule und Weiterbildung und das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen.

F Befristung

Das Gesetz zur Regelung des Jugendarrestvollzuges sieht die Anordnung einer Befristung in Form einer Berichtspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag bis zum Ablauf des Jahres 2017 vor.