DS 16/1861 Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses

Der Landtag Nordrhein-Westfalen setzt einen aus 12 stimmberechtigten Mitgliedern und ei- ner entsprechenden Zahl von stellvertretenden Mitgliedern bestehenden Untersuchungsausschuss ein.
Die Verteilung der zu vergebenden Sitze im Untersuchungsausschuss erfolgt folgendermaßen:
SPD 5 Mitglieder
CDU 3 Mitglieder
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2 Mitglieder
FDP 1 Mitglied
PIRATEN 1 Mitglied

II. Zugrundeliegender Sachverhalt

Die WestLB hielt bis zum 31.03.2008 ein Portfolio von strukturierten Wertpapieren sowie Finanzierungstiteln mit einem Gesamtwert von 23 Milliarden €. Die vorgenommen Übertragung dieser Wertpapiere auf eine Gesellschaft namens Phoenix war Ausgangspunkt für eine Beihilfeverfahren der EU und die spätere Gründung einer Abwicklungsanstalt.
Dieses Portfolio gliederte sich in 3 Vehikel:
1. Kestrel,
2. Greyhawk,
3. Harrier
In diesen 3 nicht konsolidierten Zweckgesellschaften befanden sich folgende Wertpapiertypen:

  • 11,7 Milliarden € US-amerikanische und europäische forderungsbesicherte Schuldverschreibungen,
  • 5,5 Milliarden € immobilienbesicherte gewerbliche Darlehen,
  • 4,3 Milliarden € Immobilienbesicherte Wohnungsbaudarlehen,
  • 1,7 Milliarden € sonstige Positionen

Neben Commercial Papers und Medium-term-Notes, waren diese aber auch in Form der besonders risikobehafteten Income-Notes und Capital Notes vorhanden.
Zum 31.12.2007 wurden 80 % der Wertpapiere, also 18,4 Milliarden €, noch von der Ratingagentur S&P mit AAA bewertet.
Allerdings stiegen die Risiken und Ausfälle, auch auf dem US- Immobilienmarkt, im Laufe des Jahres 2007, so stark an, dass es eine eigenständige Finanzierung der Vehikel auf dem Anleihemarkt nicht mehr möglich war und dir auflaufenden Berichtigungen in die Bilanzen der WestLB übernommen werden mussten und dort zu Marktwertverlusten von 1,5 bis 2,5 Milliarden € geführt hätten.
Im Risikobericht der WestLB zum Jahresabschluss 2007 (Seite 27) heißt es dazu:
„In den zurückliegenden Jahren war der US-amerikanische Hypothekenmarkt durch einen wahren Boom gekennzeichnet. Dieser war begünstigt durch ansteigende Hauspreise, günstige Finanzierungskonditionen und die Entwicklung an den internationalen Finanzmärkten, Kreditrisiken in Form von Strukturierungs- und Verbriefungstechniken an eine Vielzahl von Investoren weiterzugeben. Eine hohe im Markt befindliche Liquidität sowie das Verlangen der Anleger nach strukturierten höherverzinslichen Anlageformen verstärkten diesen Trend. Dieses Marktumfeld veränderte sich vor allem im zweiten Halbjahr 2007 grundlegend. Kreditnehmer waren angesichts steigender Kreditzinsen und gleichzeitig fallender Hauspreise nicht mehr in der Lage, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Die Zahl privater Zwangsvollstreckungen, insbesondere im US-Immobiliensektor, stieg sprunghaft an und beschleunigte den Preisverfall von US-Privatimmobilien.
(S.29)
Die von uns eingesetzten Standardinstrumentarien (z.B. Stresstests) gaben Indikationen über potenzielle Verluste durch mögliche Kreditkrisen (z.B. in Analogie zur Asienkrise 1997/1998 bzw. Russlandkrise 1998/1999). Dauer und Ausmaß dieser Finanzmarktkrise sowie die beobachteten Korrelationen zwischen den Risikoarten traten allerdings in dieser Kombination erstmals auf. So bezogen sich die Marktverwerfungen auf eine Vielzahl von Assetklassen, was entsprechenden Bewertungsbedarf für die Aktivseite auslöste. Zudem führte die einsetzende Vertrauenskrise zu einem dauerhaften Anstieg der Refinanzierungs-kosten der Banken, beispielsweise waren Positionen aus ABCP-Programmen am Markt nicht mehr oder nur in eingeschränktem Umfang platzierbar. Mit den Erfahrungen aus diesen Entwicklungen arbeiten wir auch 2008 intensiv daran, unser Risikomanagement weiterzuentwickeln.“
Um die WestLB vor diesen Marktrisiken abzuschirmen wurden der WestLB die Vehikel Kestrel, Greyhawk und Harrier durch die neu geschaffene Phoenix Light SF Limited Gesellschaft nach irischem Recht abgekauft, die Schuldverschreibungen in gleicher Höhe (mit 5 Milliarden € als von Land und Sparkassen besicherte Junior Notes, also einer Erstverlusttranche) ausgab.
Diese Transaktion war Ausgangspunkt für die Beihilfeuntersuchung der EU-Kommission und Grundstein für die spätere Gründung der Erste Abwicklungsanstalt EAA und die Übertragung von weiteren Wertpapieren außerhalb des Phönix-Portfolios.
Das von der WestLB praktizierte Risikomanagementsystem und deren Grundsätze der Risikosteuerung sind nicht ausreichend gewesen, um Marktrisiken im beschriebenen Umfang zu vermeiden. Bezüglich der Risikosteuerung wurden im Geschäftsbericht der WestLB für das Jahr 2007 auf Seite 30 und 34 folgende Grundsätze angegeben:
„Wir definieren unser Risikoprofil über die Risikotoleranz. Der Vorstand legt in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat die Risikotoleranz und die darauf aufbauenden Risikostrategien fest. Die Risikomanagementprozesse stellen die Transparenz des Risikoprofils sicher und ermöglichen damit eine weitgehend vorausschauende Steuerung. Kernprozesse des Risikomanagements sind die Ermittlung, die Überwachung, die Analyse, die Steuerung und die Berichterstattung über die Risiken des Konzerns.
Das Risikomanagement ist Bestandteil der Gesamtbanksteuerung. Risiko, Ertrag und Kapitalbedarf werden dabei integriert betrachtet.
[…]
Der Vorstand verantwortet konzernweit die Steuerung der Risiken. Die Grundsätze der Risikopolitik und der Risikosteuerung stimmt er dabei eng mit dem Risikoausschuss des Aufsichtsrates ab und informiert diesen regelmäßig detailliert über die Risikolage des Konzerns.
(Seite 34f)
Ausgangspunkt der Risikosteuerung ist die Festlegung der Risikotoleranz durch den Vor- stand und die Eigentümer im Rahmen von WestCAP. Mit der Festlegung der Risikotoleranz wird der in ökonomischem Kapital gemessene Risikoappetit definiert und begrenzt. Durch die Aufteilung der Risikotoleranz in Form von Limiten auf verschiedene Risikoarten und Geschäftsfelder ist WestCAP ein wesentlicher Bestandteil zur Steuerung unseres Risikoprofils. Die Risikotoleranz ist somit auch Grundlage für unser Limitierungssystem und stellt sicher, dass sich die Risikoübernahme in der Gruppe innerhalb der von der Risikotoleranz definierten Grenze bewegt.
[…]
Integrierte Planung und Steuerung von Risiko und Ertrag
Im jährlichen Budgetprozess planen die Geschäftsbereiche auf Basis der Geschäftsstrategie auch ihren Bedarf an regulatorischem und ökonomischem Risikokapital. Dieser Kapitalbedarf wird in Verbindung mit der Ertragsplanung ermittelt, die sich an den Renditeerwartungen der Eigentümer der Bank orientiert.“
Für die praktische, organisatorisch Risikosteuerung war ein Global Risk Committee (GRC) unter der Leitung des Chief Risk Officer (CRO) eingerichtet, dem mehrere weitere Komitees zugeordnet wurden. Zu nennen sind insbesondere:

  • Das Credit Committee (CC) mit direkten Berichterstattung an den Vorstand für alle Kreditanträge, Kapitalbeteiligungsanträge und eigenkapitalnahen Geschäfte, und der Verantwortung für die zentrale Länderlimitsteuerung.
  • Das Credit Portfolio Committee (CPC) steuerte auf Portfolioebene die Kreditrisiken.
  • Das Market Risk Committee (MRC) dessen Aufgabe die Überwachung der Marktpreisrisikopositionen unter Beachtung von Risikoanalysen und Risikokonzentrationen war. MRC beurteilt die Marktrisikosituation insgesamt und insbesondere mit Blick auf Risikokonzentrationen.
  • Local OpRisk Committees mit Sitzen in London, New York, Singapur und Düsseldorf, deren Aufgabe die Überwachung lokaler Risiken war.

Dem CRO leitete zur Erfüllung seiner Aufgaben, die von der Marktseite organisatorisch unabhängigen Bereiche:

  • Group Risk Management (GRM)
  • Credit Risk Management (CRM),
  • Market Risk Management (MRM)
  • Operational Risk Management (ORM)

III.        Auftrag des Untersuchungsausschusses

Der Ausschuss erhält den Auftrag

  • die Entstehung,
  • die Entwicklung,
  • die Beurteilung
  • und Risikoeinschätzung der zuständigen Stellen, insbesondere
  • des Vorstands,
  • des Aufsichtsrats,
  • des Risikoausschusses
  • der Risikokomitees
  • der Risikoabteilung
  • und die mit dem Kauf verbundene Geschäftsstrategie

der am 31.03.2008 von der WestLB auf das Vehikel Phoenix Light übertragenen Wertpapiere und Wertpapiervehikel Kestrel, Greyhawk und Harrier sachlich vollumfänglich aufzuklären.
Dazu sind insbesondere folgende Fragen zu untersuchen und zu klären:
1. Welche Renditeerwartungen sind von Seiten der Eigentümer und insbesondere des Landes NRW in die Risiko- und Ertragsplanungen eingeflossen?
2. Welche Risiko- und Ertragsplanungen lagen für die Vehikel Greyhawk, Harrier und Kestrel vor?
2.1. Welche Gremien hatten Kenntnis von diesen Risiko- und Ertragsplanungen?
2.2. Welche Veränderungen sind bezüglich dieser Planungen vorgenommen worden?
3. Welches Geschäftsziel des Aufsichtsrats lag den Risiko- und Ertragsplanungen bezüglich der genannten Vehikel zu Grunde?
3.1. Welche Geschäftsziele des Aufsichtsrats bestanden bezüglich der Vehikel explizit im 2. Halbjahr 2006 und dem 1. Halbjahr 2007?
4. Welche Risikoeinschätzungen bestanden bezüglich der genannten Vehikel explizit im 2. Halbjahr 2006 und dem 1. Halbjahr 2007?
4.1. Welche Gremien hatten Kenntnis von diesen Risikoeinschätzungen?
4.2. Welche internen Risikoklassifizierungen bestanden für die Vehikel?
4.3. Welche Risikorückstellungen wurden für die Vehikel getroffen?
4.4. Bestanden Informationen über Verkäufe konkurrierender Institute im Segment der Vehikel?
4.4.1. Wenn ja, welche Schlüsse wurden daraus gezogen?
5. Welche Risikoeinschätzungen bezüglich der Situation am amerikanischen Immobilien- markt bestanden explizit im 2. Halbjahr 2006 und im 1. Halbjahr 2007?
5.1. Welche Risikomitteilungen lagen von dem Local OpRisk Committee New York bezüglich des amerikanischen Immobilienmarktes und oder den 3 Vehikeln Greyhawk, Kestrel und Harrier vor?
5.2. Welche Gremien hatten Kenntnis von diesen Risikoeinschätzungen?
6. Welche Informationen lagen bezüglich der Kreditnehmer der Wertpapiere aus den 3 Vehikeln Greyhawk, Harrier und Kestrel vor?
6.1. Welche Gremien hatten Kenntnis von diesen Informationen?
7. Welche Richtlinien bestanden für das Portfoliomanagement mit strukturierten Wertpapieren für die Händler der WestLB?
7.1. Welche Anpassungen der Richtlinien wurden während der Laufzeit der 3 Vehikel Greyhawk, Harrier und Kestrel vorgenommen?
7.2. Welche Anpassungen der Bonifikationsregeln wurden für die Händler der WestLB während der Laufzeit der 3 Vehikel Greyhawk, Harrier und Kestrel vorgenommen?

IV. Teilweiser und vollständiger Abschlussbericht

Ferner wird der Untersuchungsausschuss beauftragt nach Abschluss seiner Untersuchungen dem Landtag gemäß § 24 Gesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Nordrhein-Westfalen Bericht zu erstatten, aus dem sich ergibt, welche Konsequenzen aus den jeweiligen Feststellungen zu ziehen sind.
Der Abschlussbericht erfolgt schriftlich. Über abtrennbare Teile des Einsetzungsauftrages hat der Untersuchungsausschuss auf Verlangen des Landtags oder der Antragsteller einen Teilbericht zu erstatten, wenn die Beweisaufnahme zu diesem Teil abgeschlossen ist und der Bericht ohne Vorgriff auf die Beweiswürdigung der übrigen Untersuchungsaufträge möglich ist.

V. Einbeziehung von externen Sachverstand

Der Untersuchungsausschuss ist befugt sich jederzeit externen Sachverstandes zu bedienen, sofern dieser zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist und im unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag steht.
Ebenso darf externer Sachverstand zur Klärung von Fragestellungen in Anspruch genommen werden, sofern Rechte des Untersuchungsausschusses oder damit in Verbindung stehende Verfahrensfragen von grundlegender oder auch situativer Notwendigkeit, ohne deren Beantwortung ein Fortführen der Untersuchung nicht möglich ist, betroffen sind. Die entsprechenden Mittel hierzu sind dem Ausschuss zu gewähren.

VI. Personal für den Untersuchungsausschuss und die Fraktionen

Dem Untersuchungsausschuss und den Fraktionen wird zur Verfügung gestellt:
1. Allen Fraktionen und den Mitarbeitern des Ausschusses werden erforderliche Räume in einem Gebäude des Landtags nebst Büroausstattung (Mobiliar und PC) zur Verfügung gestellt.
2. Dem Ausschuss und dem/der Vorsitzenden wird gestellt:
a. Ein Mitarbeiter / Eine Mitarbeiterin des höheren Dienstes.
b. Eine weitere personelle Unterstützung aus dem höheren/gehobenen Dienst sowie aus dem Bereich der Teamassistenz.
3. Den fünf Fraktionen im Landtag werden gestellt:
a. Die erforderlichen Mittel für je einen/eine Mitarbeiter/in des höheren Dienstes.
b. Die erforderlichen Mittel für je eine Halbtagskraft zur Assistenz.

Bezogen auf die Abrechnung können wahlweise Pauschalbeträge bis zur Verabschiedung des Untersuchungsausschussberichts, je angefangenen Monat der Tätigkeit gewährt werden. Alternativ werden die Kosten des tatsächlichen Personaleinsatzes abgerechnet.