DS 16/177 Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine

Gesetzentwurf der Landesregierung

A Problem und Regelungsbedarf

Mit diesem Gesetz soll anerkannten Tierschutzvereinen ein Verbandsklagerecht eingeräumt werden, damit sie die Interessen der Tiere als deren Treuhänder nicht nur aussprechen, sondern erforderlichenfalls auch vor Gericht geltend machen und einklagen können. Auf die-sem Wege soll das Ungleichgewicht der Kräfte abgebaut werden, das gegenwärtig im Ver-hältnis zwischen den Haltern von Nutz-, Heim-, Versuchs- und sonstigen dem Tierschutzge-setz unterfallenden Tieren (Tierhalter) und Tieren besteht. Denn derzeit kann nur gegen ein „Zuviel“ an Tierschutz geklagt werden (nämlich von Seiten der Tierhalter), nicht aber auch gegen ein „Zuwenig“ (von Seiten der Tierschutzvereine). Tiere auch über das Institut des Verbandsklagerechts für anerkannte Tierschutzvereine zu schützen entspricht den Staats-zielbestimmungen zum Tierschutz in Artikel 20 a des Grundgesetzes und in Artikel 29 a Ab-satz 1 der Landesverfassung.
Zugleich soll anerkannten Tierschutzvereinen die Mitwirkung an tierschutzrelevanten Recht-setzungs- und Verwaltungsverfahren des Landes ermöglicht werden, um auch in diesen Be-reichen bestehende Ungleichgewichte abzubauen.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Religionsausübungsfreiheit sowie die Wissen-schafts- und Forschungsfreiheit in ihren durch das Grundgesetz und das Tierschutzgesetz vorgegebenen Rahmen durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht beeinträchtigt werden.

B Lösung

Das Gesetz schafft eine gesetzliche Grundlage für die Erhebung von Rechtsbehelfen aner-kannter Tierschutzvereine gegenüber Verwaltungsakten nordrhein-westfälischer Behörden mit Bezug zum Tierschutz. Weiterhin schafft das Gesetz die rechtliche Grundlage zur Mitwir-kung anerkannter Vereine bei tierschutzrelevanten Rechtsetzungs- und Verwaltungsverfah-ren.

C Alternativen

Fortbestand des Ungleichgewichts der Kräfte im Verhältnis zwischen Tierhaltern und Tieren.

D Kosten

Es sind keine zusätzlichen Kosten für den Landeshaushalt zu erwarten, da für die Landes-behörden kein relevanter Mehraufwand entsteht. Das Anerkennungsverfahren für Tier-schutzvereine ist mit bestehenden Ressourcen des Landes durchführbar.
Wesentliche Verzögerungen in Verwaltungsverfahren sind nicht zu befürchten. Die Aus-übung der Mitwirkungsrechte ist an Fristen gebunden, die im materiellen Fachrecht bestimm-te Verfahrensfristen nicht überschreiten. Zudem kann die zuständige Behörde gegebenen-falls im Einzelfall die sofortige Vollziehung eines angegriffenen Verwaltungsaktes anordnen. Eine wesentliche zusätzliche Belastung der Gerichte ist in Anbetracht der Erfahrungen, die mit der Verbandsklage in anderen Bereichen, insbesondere im Umwelt- und Naturschutz, gemacht worden sind, nicht zu erwarten. Geheimhaltungsinteressen des Staates und ande-rer Beteiligter werden über die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes geschützt.

E Zuständigkeit

Zuständig ist das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbrau-cherschutz. Beteiligt sind das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, das Ministe-rium für Inneres und Kommunales, das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, das Justizministerium sowie das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung.

F Auswirkungen auf die kommunale Selbstverwaltung und die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände

Keine Auswirkungen auf kommunale Selbstverwaltung, da keine kommunalen Zuständigkei-ten begründet oder erweitert werden.
Das Gesetz ist nicht konnexitätsrelevant, weil es nicht zu einer konnexitätsrelevanten Verän-derung bestehender kommunaler Aufgaben führt.
Das Gesetz räumt anerkannten Tierschutzvereinen ein „Verbandsklagerecht“ gegen tier-schutzrechtliche Entscheidungen und tierschutzrelevante bau- und immissionsschutzrechtli-che Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken ein. Die kla-gegegenständlichen Entscheidungen werden zwar auch von kommunalen Behörden getrof-fen. Durch die Einräumung eines Klagerechts für anerkannte Tierschutzvereine werden die den Vollzug prägenden besonderen Anforderungen an die Aufgabenerfüllung (Standards) aber unmittelbar nicht geändert. Klagemöglichkeiten gegen kommunale Entscheidungen sind im Rahmen der Verwaltungsgerichtsordnung bereits jetzt eröffnet. Die Einräumung einer weiteren Klagemöglichkeit für anerkannte Tierschutzvereine führt gegebenenfalls zu einer mengenmäßigen Änderung (Zunahme) verwaltungsgerichtlicher Streitverfahren, lässt aber die den Vollzug prägenden Standards in den jeweiligen Aufgabenbereichen unberührt.
Gleiches gilt für die eingeräumten Mitwirkungs- und Informationsrechte. Im Rahmen von bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken werden bereits eine Vielzahl von Betroffenen und Trägern öffent-licher Belange beteiligt. Die künftig erforderliche zusätzliche Beteiligung anerkannter Tier-schutzvereine stellt zwar einen gewissen Mehraufwand im Rahmen laufender Verfahren dar, verändert aber nicht die den Vollzug prägenden Standards in konnexitätsrelevanter Art und Weise.

G Finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen und private Haushalte

Keine.

H Gender Mainstreaming

Die vom Gesetz getroffenen Regelungen haben keine unterschiedlichen geschlechtsspezifi-schen Auswirkungen, so dass Aspekte des Gender Mainstreaming nicht betroffen sind.

I Befristung

Befristung auf fünf Jahre.

Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutz-vereine (TierschutzVMG NRW)

§ 1
Verbandsklagerecht
(1) Ein nach § 3 anerkannter Verein (aner-kannter Verein) kann, ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwal-tungsgerichtsordnung einlegen gegen
1. Genehmigungen und Erlaubnisse nach § 4 a Absatz 2 Nummer 2, § 6 Absatz 3, § 8 Absatz 1, § 11 Absatz 1 Tier-schutzgesetz in der Fassung der Be-kanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313) in der jeweils geltenden Fassung,
2. bau- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken und
3. Anordnungen oder die Unterlassung von Anordnungen nach § 16a Tier-schutzgesetz.
Gegen eine Genehmigung nach § 8 Absatz 1 Tierschutzgesetz ist abweichend von Satz 1 allein der Rechtsbehelf der Fest-stellungsklage statthaft. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn ein dort aufgeführter Verwal-tungsakt auf Grund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitver-fahren erlassen oder in einem solchen Ver-fahren als rechtmäßig bestätigt worden ist.
(2) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 sind nur zulässig, wenn der aner-kannte Verein
1. geltend macht, dass der Erlass eines in Absatz 1 Satz 1 Nummern 1 bis 3 ge-nannten Verwaltungsaktes oder die Un-terlassung eines Verwaltungsaktes im Sinne von Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Vorschriften des Tierschutzgesetzes, Rechtsvorschriften, die aufgrund des Tierschutzgesetzes erlassen worden sind, oder unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Tier-schutzgesetzes (tierschutzrelevante Vorschriften) widerspricht,
2. dadurch in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird und
3. zur Mitwirkung nach § 2 Absatz 1 oder 2 berechtigt war und er sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihm ent-gegen § 2 Absatz 1 oder 2 keine Gele-genheit zur Äußerung gegeben worden ist.
Ein Rechtsbehelf gegen eine Genehmigung nach § 8 Absatz 1 Tierschutzgesetz ist dar-über hinaus nur zulässig, wenn mindestens zwei Mitglieder der Kommission nach § 15 Absatz 1 Satz 2 Tierschutzgesetz das Vor-haben abgelehnt haben.
(3) Hat der anerkannte Verein Gelegenheit zur Mitwirkung in den Fällen des § 2 Absatz 1 oder 2 gehabt, ist er im Verfahren über den Rechtsbehelf mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die er im Rahmen einer Mitwirkung nicht oder nicht rechtzeitig gel-tend gemacht hat, aber hätte geltend ma-chen können.
(4) Ist eine Entscheidung nach Absatz 1 dem anerkannten Verein nicht bekannt ge-geben worden, muss der Rechtsbehelf in-nerhalb eines Jahres erhoben werden, nachdem der Verein von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.
§ 2
Mitwirkungs- und Informationsrechte
(1) Einem anerkannten Verein ist von der jeweils zuständigen Behörde rechtzeitig Gelegenheit zur Äußerung sowie zur Ein-sicht in die tierschutzrelevanten Sachver-ständigengutachten zu geben
1. bei der Vorbereitung von tierschutzrele-vanten Rechts- und Verwaltungsvor-schriften der für den Tierschutz zustän-digen Behörden des Landes und
2. vor der Erteilung bau- und immissions-schutzrechtlicher Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken,
soweit das Vorhaben den satzungsgemä-ßen Aufgabenbereich des anerkannten Vereins berührt. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Vorhaben zur Errichtung von Kleintier-ställen bis zu 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt.
(2) Die jeweils zuständige Behörde hat ei-nem anerkannten Verein auf dessen Ver-langen in Genehmigungs- und Erlaubnisver-fahren nach § 4a Absatz 2 Nummer 2, § 6 Absatz 3, § 8 Absatz 1 und § 11 Absatz 1 Tierschutzgesetz sowie nach § 2 Absatz 1 Satz 2 dieses Gesetzes Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
(3) § 28 Absatz 2 Nummern 1 und 2, Absatz 3 und § 29 Absatz 2 Verwaltungsverfah-rensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. November 1999 (GV.NRW. S. 602) in der jeweils geltenden Fassung gelten sinngemäß. Der anerkannte Verein hat Einwendungen innerhalb von vier Wochen, nachdem ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, gegenüber der zuständigen Behörde zu erheben.
(4) In anderen Rechtsvorschriften vorge-schriebene inhaltsgleiche oder weiterge-hende Formen der Mitwirkung des aner-kannten Vereins bleiben unberührt.
(5) Auf Antrag hat die zuständige Behörde den anerkannten Verein über die Anzahl und den Gegenstand laufender Verwal-tungsverfahren der in Absatz 2 genannten Art zu informieren. Auf das Verfahren und die Ablehnungs- und Beschränkungsgründe finden die §§ 3, 5 bis 10 des Informations-freiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 27. November 2001 (GV.NRW: S. 806) in der jeweils geltenden Fassung entspre-chende Anwendung.
§ 3
Anerkennung
(1) Die Anerkennung wird auf Antrag durch das für den Tierschutz zuständige Ministeri-um erteilt. Sie ist zu erteilen, wenn der rechtsfähige Verein
1. nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Zie-le des Tierschutzes fördert,
2. seinen Sitz in Nordrhein-Westfalen hat und sich der satzungsgemäße Tätig-keitsbereich auf das gesamte Gebiet des Landes erstreckt,
3. im Zeitpunkt der Anerkennung mindes-tens fünf Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist,
4. die Gewähr für eine sachgerechte Auf-gabenerfüllung bietet; dabei sind Art und Umfang seiner bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungs-fähigkeit des Vereins zu berücksichti-gen,
5. wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes von der Körperschaftssteuer befreit ist und
6. den Eintritt als Mitglied, das in der Mit-gliederversammlung volles Stimmrecht hat, jedem ermöglicht, der die Ziele des Vereins unterstützt.
Die Anerkennung kann unter den Voraus-setzungen des Satzes 2 Nummern 1 und 3 bis 6 auch einem überregional tätigen rechtsfähigen Verein mit Sitz außerhalb von Nordrhein-Westfalen erteilt werden, wenn eine satzungsgemäße Teilorganisation für das Gebiet des Landes besteht und diese für sich genommen die Anforderungen nach Satz 2 Nummer 3 bis 6 erfüllt.
(2) Die Anerkennung gilt für das Gebiet des Landes.
(3) Die Anerkennung ist zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen für ihre Ertei-lung nicht vorlagen und dieser Mangel auch nach Aufforderung nicht beseitigt wird. Die Anerkennung ist zu widerrufen, wenn eine der Voraussetzungen für ihre Erteilung nachträglich weggefallen ist. Mit der unan-fechtbaren Aufhebung der Anerkennung entfallen die Rechte gemäß §§ 1 und 2.
§ 4
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Ver-kündung in Kraft. Es tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2017 außer Kraft.

Begründung

A Allgemein
Durch die Staatszielbestimmungen des Artikel 20 a Grundgesetz (GG) und des Artikel 29 a der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen ist der Tierschutz zum Rechtsgut mit Ver-fassungsrang erhoben worden. Daraus ergibt sich für alle Staatsorgane, so auch für die Ge-setzgeber in Bund und Land, die Verpflichtung, einen effektiven Schutz der Tiere zu wahren und fortzuentwickeln.
Durch das Tierschutzgesetz und die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen werden Tiere um ihrer selbst willen geschützt. Zweck des Tierschutzgesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufü-gen. Die Verpflichtung, Tiere vor Schmerzen, Leiden oder Schäden zu bewahren, gilt auch für den Bereich der Wissenschaft und Forschung. Ein ganzer Abschnitt im Tierschutzgesetz befasst sich mit Regelungen zu Tierversuchen. Anträge zu Tierversuchen werden durch die Behörde auf ihre Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit überprüft. Eine Sachverständi-genkommission aus Vertretern von Tierschutzorganisationen und Personen mit einem na-turwissenschaftlichen Hochschulstudium (Tierärzte, Biologen, Wissenschaftler) unterstützt und berät die Behörde bei ihrer Entscheidungsfindung. Das Verbandsklagerecht und die Mitwirkungsrechte sollen diesen Schutz noch erweitern. Künftig soll nicht nur den Haltern von Nutz-, Heim-, Versuchs- und sonstigen dem Tierschutzgesetz unterfallenden Tieren (Tierhalter) der Rechtsweg offen stehen, sondern Tierschutzverbänden als Treuhändern der Tiere die Möglichkeit eröffnet werden, Belange des Tierschutzes durch die Gerichte kontrol-lieren zu lassen. Hierdurch soll ein Ungleichgewicht bei den Klagemöglichkeiten beseitigt werden.
Erlässt beispielsweise die nach § 15 Tierschutzgesetz (TierSchG) zuständige Behörde zum Nachteil eines Tierhalters eine Anordnung nach § 16 a TierSchG, so kann der Tierhalter mit Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hiergegen vorgehen. Hinzu kommen noch mögliche Klagen vor den ordentlichen Gerichten auf Ent-schädigung. Vergleichbare Rechtsbehelfe zugunsten der Tiere stehen niemandem zu. Ähn-lich ist es, wenn von einem Tierhalter eine Genehmigung für ein Vorhaben beantragt wird, bei dem mit Blick auf die Vorschriften des Tierschutzgesetzes Bedenken bestehen, dass den Tieren unnötige oder unvertretbare Leiden zugefügt oder sie einer nicht artgerechten Haltung ausgesetzt werden: Verweigert die Behörde die beantragte Genehmigung, so muss sie mit verwaltungsgerichtlichen Klagen des Tierhalters durch mehrere Instanzen hindurch und un-ter Umständen auch noch mit Entschädigungsklagen rechnen. Wird das Vorhaben geneh-migt, so kann niemand eine gerichtliche Überprüfung des Vorhabens auf seine Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Tierschutzrechts herbeiführen. Dies liegt daran, dass Tiere selbst nicht klagen können und es gegenwärtig auch keinen Treuhänder gibt, der kraft Gesetzes dazu berechtigt wäre. Dieser Zustand ist vor dem Hintergrund der Staatszielbestimmungen des Artikel 20 a GG und des Artikel 29 der Landesverfassung nicht befriedigend.
Die Mitwirkungsmöglichkeiten, die das gegenwärtig geltende Tierschutzrecht den Tier-schutzvereinen einräumt, sind zur Beseitigung dieses rechtlichen Ungleichgewichts ungeeig-net. Kommissionen wie z.B. die Tierschutzkommission haben lediglich eine beratende Funk-tion. Die Aufgabe eines Treuhänders, der die verletzten Belange von Tieren stellvertretend für diese geltend macht und notfalls vor Gericht einklagt, kann von diesen Gremien nicht erfüllt werden.
Auch die jedermann gegebene Möglichkeit zur Strafanzeige gegenüber tierquälerischen Nut-zungsformen ist unzureichend, denn das repressive Strafrecht kann auf den Tierschutz nur in besonders extremen Fällen generalpräventiv einwirken, nicht aber auch „in einem Normal-fall objektiv rechtswidriger Tierhaltung“ (so ausdrücklich das LG Darmstadt NStZ 1984, 173, 175). Das liegt in erster Linie daran, dass nicht alle Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vor-schriften strafbewehrt sind. Dies gilt insbesondere für das gesetzliche Gebot zu verhaltens-gerechter Unterbringung von Tieren in § 2 TierSchG. Hier kann eine gerichtliche Überprü-fung allein durch die Verwaltungsgerichte erfolgen. Diese aber können von den Tierschutz-organisationen nicht angerufen werden, solange es nicht die tierschutzrechtliche Verbands-klage gibt.
Letztlich bietet die Möglichkeit für Tierschutzorganisationen, festgestellte tierschutzwidrige Zustände ggf. medial in der Öffentlichkeit anzuprangern, keine hinreichende Gewähr für de-ren Beseitigung.
Mit der Schaffung verfahrensrechtlicher Normen, die die Mitwirkung in Verwaltungsverfahren und Überprüfungsmöglichkeiten durch Gerichte eröffnen, leistet der Landesgesetzgeber ei-nen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung des Staatsziels Tierschutz. Mit diesem Schutzauf-trag geht die Pflicht zur effektiven Kontrolle des Tierschutzgesetzes und abgeleiteter Rechts-vorschriften einher. Zwar steht dem Gesetzgeber bei der Verwirklichung des Staatsziels und seiner Gewährleistungselemente ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit zu. Dies entbindet ihn aber nicht von der Pflicht, das jeweils effektivste Mittel zur Erfüllung seines Schutzauftra-ges anzuwenden.
Ein solches effektives Mittel ist die tierschutzrechtliche Verbandsklage. Mit Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage wird anerkannten Tierschutzvereinen die Möglichkeit eröffnet, erforderlichenfalls gegen behördliche Handlungen (z.B. gegen die Genehmigung von Rodeo-Veranstaltungen, von Tierversuchsvorhaben oder von anderen tierbelastenden Umgangsformen), aber auch gegen ein Untätigbleiben der Behörden (z.B. Nicht-Einschreiten gegen eine tierschutzwidrige Tierhaltung) die Verwaltungsgerichte anzurufen, wenn die be-treffende Handlung (Genehmigung) bzw. das Untätigbleiben gegen tierschutzrechtliche Vor-gaben verstößt. Als Treuhänder können die anerkannten Tierschutzvereine die Rechte der Tiere gerichtlich geltend machen.
Durch das vorliegende Gesetz wird unter bestimmten Voraussetzungen gemeinnützig aner-kannten Tierschutzvereinen auf Landesebene das Verbandsklagerecht eingeräumt. Die zur Klagebefugnis grundsätzlich notwendige Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes (vgl. § 42 Absatz 2 VwGO) entfällt.
Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Religionsausübungsfreiheit sowie die Wis-senschafts- und Forschungsfreiheit in ihren durch das Grundgesetz und das Tierschutzge-setz vorgegebenen Rahmen durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht beeinträchtigt wer-den. Insbesondere hat die Einführung des Verbandsklagerechts keinen Einfluss auf die vom Tierschutzgesetz vorgeschriebene Güterabwägung zwischen den schützenswerten Interes-sen der Tiere und anderen schützenswerten Rechten.
Eine solche Klagemöglichkeit gibt es bereits im Naturschutzrecht (§ 64 BNatSchG, § 12 b Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen), im Wettbewerbsrecht (§ 8 Absatz 3 Nummer 2 UWG), im Umweltrecht (§ 2 Umweltrechtsbehelfsgesetz) und im Verbraucherschutzrecht (§ 3 UKlaG).
Die Gesetzgebungskompetenz des Landes ergibt sich aus Artikel 70, 72, 74 Nummer 1 GG in Verbindung mit § 42 Absatz 2 VwGO. Nach Artikel 70 Absatz 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit nicht das Grundgesetz dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis verleiht. Zwar erstreckt sich nach Artikel 74 Nummer 1 GG die konkurrierende Ge-setzgebung des Bundes auf das gerichtliche Verfahren, und es wird davon ausgegangen, dass der Bund in Ausschöpfung dieser Kompetenz die gerichtlichen Verfahrensordnungen, darunter auch die Verwaltungsgerichtsordnung erschöpfend geregelt hat. Indes sind auch auf Sachgebieten, die der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit unterliegen und die in dieser Weise vom Bund kodifiziert worden sind, einzelne Vorbehalte zugunsten der Lan-desgesetzgebung möglich und zulässig. Einen solchen Vorbehalt enthält § 42 Absatz 2 VwGO erster Halbsatz: „Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist …“. Diese Bestim-mung ermächtigt sowohl den Bundes- als auch den Landesgesetzgeber, durch Gesetz Per-sonen, Behörden oder beteiligungsfähigen Verbänden ein Klagerecht einzuräumen, ohne dass diese eine individuelle Rechtsverletzung geltend machen müssen.
Ein Ausschluss der Gesetzgebungskompetenz des Landes durch ein Gebrauchmachen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Tierschutzbereich (Artikel 74 Absatz 1 Nummer 20 GG) wird nicht gesehen. Es liegt weder ein Ausschluss durch positivrechtliche Normie-rung seitens des Bundesgesetzgebers vor noch durch einen bewussten Regelungsverzicht.
Die nachträgliche Einfügung neuer verwaltungsverfahrensrechtlicher Institute in das Tier-schutzgesetz wie z.B. die Tierschutzkommission (§ 15 Absatz 1 TierSchG) oder den Tier-schutzbeauftragten (§ 8 b TierSchG) lässt nicht den Schluss zu, dass damit eine erschöp-fende und abschließende Verfahrensregelung getroffen worden sei. Zudem weist die Ver-bandsklage eine völlig differenzierte Rechtsqualität gegenüber den bestehenden Verfahrens-regelungen im Tierschutzrecht auf. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass der Bundesgesetz-geber durch die Einführung der genannten Rechtsinstitute eine Verbandsklage bewusst aus-schließen wollte (s. hierzu Caspar in DÖV 2008, S. 145, 149 ff.). Ebenso wenig lässt sich aus dem Scheitern der Initiative des Landes Schleswig-Holstein im Bundesrat (BR-Drs. 157/04) im Jahr 2004 ein Regelungsverzicht für entsprechende landesrechtliche Regelungen ableiten. Im Ergebnis sprechen die überwiegenden Argumente dafür, dass der Bundesgesetzgeber die Klagebefugnis in tierschutzrelevanten Verfahren nicht abschließend im Tierschutzgesetz regeln wollte und insofern den Ländern die Möglichkeit zur Schaffung einer landesrechtlichen Regelung auf der Grundlage des § 42 Absatz 2 Halbsatz 1 VwGO eröffnet ist. Es steht daher den Ländern frei, aufgrund eigener Kompetenz ein Verbandskla-gerecht einzuführen. Bremen hat dies bereits durch den Erlass des Gesetzes über das Ver-bandsklagerecht für Tierschutzvereine vom 25. September 2007 getan.
Um – wie im Bereich des Naturschutzes – den Kreis der antragsberechtigten Vereine abzu-grenzen, wird ein Anerkennungsverfahren für Tierschutzvereine verankert: Nach dem Vorbild des § 64 BNatSchG und § 12 LG NRW beschränkt sich die Klagebefugnis auf eingetragene Vereine, die staatlich anerkannt sein müssen. Schon im Interesse einer sachgerechten Auf-gabenwahrnehmung und Klagevertretung sind bestimmte Voraussetzungen (ideelle Zielstel-lung, landesweite Tätigkeit, Zuverlässigkeit, Erfahrung und Leistungsfähigkeit, behördlich anerkannte Gemeinnützigkeit, Öffentlichkeit) für den Antragsteller unerlässlich. Damit wird gleichzeitig einer eventuellen Missbrauchsgefahr begegnet.
Um bereits im Vorfeld den tierschutzfachlichen Sachverstand der anerkannten Vereine nut-zen zu können, wird – ebenfalls in Anlehnung an die entsprechenden naturschutzrechtlichen Regelungen – die Mitwirkung von Vereinen bei wichtigen tierschutzrelevanten Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Landes und Genehmigungen eingeführt. Die bereits im frühen Verfahrensstadium durchgeführte Beteiligung der anerkannten Tierschutzvereine führt dazu, dass die Behörde tierschutzrechtliche Bedenken und Einwände frühzeitig erfährt und bei der Entscheidung angemessen berücksichtigen kann. Anerkannte Tierschutzvereine sind besser als der Einzelne in der Lage, die Interessen von Tieren vor Gericht zu schützen.
Befürchtungen, dass die Einführung der Verbandsklage zu einer Prozessflut führen könnte, sind unbegründet. Da nur anerkannte Vereine klagen können und das Kostenrisiko im Unter-liegensfall zu tragen haben, ist z.B. im Naturschutzrecht nach der Einführung des Verbands-klagerechtes die befürchtete Prozessflut ausgeblieben.
B Im Einzelnen
Zu § 1: Rechtsbehelfe von Vereinen
Das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine orientiert sich im Grundsatz an den beste-henden Verbandsklageregelungen im Umwelt- und Naturschutzrecht.
Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 lässt die tierschutzrechtliche Verbandsklage gegen folgende Ge-nehmigungen und Erlaubnisse der jeweils zuständigen Behörden zu:
 Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung (Schächten) nach § 4 a Absatz 2 Nummer 2 TierSchG,
 Erlaubnis zum Kürzen der Schnabelspitze bei Nutzgeflügel und zum Kürzen des bin-degewebigen Endstückes des Schwanzes von unter drei Monate alten männlichen Kälbern mittels elastischer Ringe nach § 6 Absatz 3 TierSchG,
 Genehmigung für Versuche an Wirbeltieren nach § 8 Absatz 1 TierSchG,
 Genehmigung für das Züchten, Halten, Zur Schau Stellen, Ausbilden, Handeln und Bekämpfen von Wirbeltieren nach § 11 Absatz 1 TierSchG.
Die Erweiterung der Klagemöglichkeiten in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 betrifft Genehmi-gungsverfahren zu Vorhaben nach der Landesbauordnung und dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), die das Halten von Tieren zu Erwerbszwecken zum Gegenstand haben. Bei derartigen Vorhaben sind regelmäßig tierschutzrelevante Vorschrif-ten im Sinne von § 1 Absatz 2 Nummer 1 als öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne von § 75 Absatz 1 Satz 1 Landesbauordnung (BauO NRW) bzw. § 6 Nummer 2 BImSchG, zu beachten. Das Verbandsklagerecht erstreckt sich nicht auf Vorhaben zur privaten (Hob-by)Tierhaltung sowie Haltungen zu Lehr- und Forschungszwecken an Hochschulen und au-ßeruniversitären Forschungseinrichtungen. Dies wird durch die Anknüpfung an das Merkmal „Erwerbszweck“ verdeutlicht. In der Sache ist das gerechtfertigt, weil Tierschutzbelange in Erwerbszusammenhängen aus wirtschaftlichen Gründen in besonderer Weise Gefahr laufen, nicht hinreichend beachtet zu werden. Ohne die gesetzliche Möglichkeit, die Einhaltung der zum Schutz der Lebens- und Wohlbefindensinteressen von Tieren ergangenen Vorschriften durch die Verwaltungsgerichte überprüfen zu lassen, bliebe die Treuhänderstellung, die das Gesetz den anerkannten Tierschutzvereinen einräumen will, unvollständig und der ange-strebte effektive Tierschutz würde verfehlt.
Diesem Anliegen entspricht auch die Erweiterung der Klagemöglichkeiten in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3. Das gegenwärtig herrschende rechtliche Ungleichgewicht im Verhältnis zwischen Tierhaltern und zu schützenden Tieren wird in den Fällen, in denen Anlass für eine behördli-che Anordnung nach § 16 a TierSchG besteht, besonders offenbar: erlässt die zuständige Behörde eine tierschutzrechtliche Anordnung, dann muss sie mit Anfechtungsklage, ggf. auch Berufung und Revision von Seiten des betroffenen Tierhalters (und im Anschluss daran ggf. auch noch mit Klagen des Tierhalters auf Entschädigung) rechnen; unterlässt sie dage-gen die Anordnung, so gibt es niemanden, der die Rechtmäßigkeit des Unterlassen verwaltungsgerichtlich überprüfen lassen könnte. Nur ein „Zuviel“ an Tierschutz (aus der Sicht des von einer § 16 a- Anordnung betroffenen Tierhalters) kann zur gerichtlichen Prüfung gestellt werden, nicht dagegen auch ein „Zuwenig“ (aus der Sicht der betroffenen Tiere, deren Be-lange möglicherweise verletzt sind). Dies ist ein Ungleichgewicht, das mit dem Gebot zu ei-nem effektiven Tierschutz nach Artikel 20 a GG und dem Gedanken der Fairness gegenüber dem Schwächeren unvereinbar ist.
Absatz 1 Satz 2 beschränkt den statthaften Rechtsbehelf gegen eine Tierversuchsgenehmi-gung auf die Feststellungsklage. Mit der Feststellungsklage kann nachträglich die Rechtmä-ßigkeit einer erteilten Genehmigung gerichtlich festgestellt werden, ohne dass der Genehmi-gungsinhaber gehindert ist, sofort von der Genehmigung Gebrauch zu machen. Darüber hinaus ist eine Feststellungsklage gegen eine erteilte Tierversuchsgenehmigung nur zuläs-sig, wenn die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung des § 1 Absatz 2 Satz 2 erfüllt ist.
Absatz 1 Satz 3 schließt die Möglichkeit einer Verbandsklage für den Fall aus, dass ein in Absatz 1 Satz 1 Nummern 1 und 2 genannter Verwaltungsakt auf Grund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist. Dasselbe gilt, wenn die Unterlassung einer Anordnung nach § 16 a TierSchG gerichtlich als rechtmäßig bestätigt worden ist. Damit soll eine doppelte gerichtliche Befassung mit dem Verwaltungsakt ausge-schlossen werden.
Absatz 2 enthält Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Erhebung einer Verbandsklage. Nach Satz 1 Nummer 1 setzt die Zulässigkeit einer Klage voraus, dass der Verein geltend machen kann, der Erlass eines in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 genannten oder die Unterlassung eines in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 genannten Verwaltungsaktes widerspreche Rechtsvor-schriften des Tierschutzgesetzes oder Rechtsverordnungen aufgrund des Tierschutzgeset-zes oder unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Union im Anwendungsbe-reich des Tierschutzgesetzes.
Nach Satz 1 Nummer 2 ist die Verbandsklage nur zulässig, soweit der Verein durch den Verwaltungsakt oder seine Unterlassung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich be-rührt wird.
Einer weiteren Regelung zur Begründetheit der Klage bedarf es nicht. Der angegriffene Ver-waltungsakt kann im Verbandsklageverfahren nur darauf überprüft werden, ob der geltend gemachte Verstoß gegen tierschutzrelevante Rechtsvorschriften nach § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 tatsächlich vorliegt (vgl. Kopp, VwGO, 16. Aufl. (2009), § 113 Rn. 25 zur ver-gleichbaren Regelung in § 61 Abs. 2 BNatSchG).Dies folgt aus Sinn und Zweck der die be-schränkte Zulässigkeit der Klage regelnden Vorschrift des § 1 Absatz 2 und dem Institut ei-ner Verbandsklage. Einer ausdrücklichen Regelung dazu im Gesetz bedarf es nicht. Die Prü-fungsdichte wird zusätzlich eingeschränkt durch die Folgen materieller Präklusion. Die Klage wird durch den Eintritt der Präklusion – soweit diese reicht – zumindest unbegründet, ohne dass insoweit eine inhaltliche Prüfung des Verwaltungsakts erfolgt (vgl. Eyermann, VwGO, 13. Aufl. (2010), § 113 Rn. 4 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – 4 A 38/95 -, NVwZ 1997, 489 ff.).
§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 bestimmt eine weitere besondere Zulässigkeitsvoraussetzung für Fälle, in denen der anerkannte Verein gemäß § 2 Absatz 1 oder Absatz 2 zur Mitwirkung berechtigt war. In diesen Fällen ist eine Klage nur zulässig, wenn der Verein sich auch be-reits im Verwaltungsverfahren in der Sache geäußert hat oder ihm keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde. Hat der Verein in den Fällen des § 2 Absatz 1 oder 2 von seinem Mitwirkungsrecht keinen Gebrauch gemacht oder in den Fällen des § 2 Absatz 2 sich kein Mitwirkungsrecht verschafft oder sich in der Sache nicht geäußert, steht § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 der Zulässigkeit einer Verbandsklage entgegen.
§ 1 Absatz 2 Satz 2 bestimmt für Klagen gegen Tierversuchsgenehmigungen eine weitere, besondere Zulässigkeitsvoraussetzung. Danach kann ein Rechtsbehelf gegen eine Tierver-suchsgenehmigung nur eingelegt werden, wenn mindesten zwei Mitglieder der Kommission nach § 15 Absatz 1 Satz 2 Tierschutzgesetz die Durchführung des genehmigten Tierver-suchs abgelehnt haben. Die Beschränkung der Klagemöglichkeit ist hier sachlich gerechtfer-tigt, da ein einstimmiges oder ganz überwiegend einheitliches Votum zu Gunsten des Tier-versuchs der auch mit Vertretern der Tierschutzverbände besetzten Kommission nach § 15 Absatz 1 Satz 2 Tierschutzgesetz die Gewähr dafür bietet, dass die Tierversuchsge-nehmigung nicht gegen Tierschutzrecht verstößt.
Nach Absatz 3 ist in denjenigen Fällen, in denen dem anerkannten Verein im vorausgegan-genen Verwaltungsverfahren nach § 2 Absatz 1 oder 2 die Gelegenheit zur Mitwirkung ge-geben wurde, der Rechtsbehelf nur zulässig, wenn er tatsächlich mitgewirkt und sich hierbei zur Sache geäußert hat (materielle Präklusion). Damit sollen die klageberechtigten Vereine angehalten werden, im Verwaltungsverfahren frühzeitig ihren Sachverstand einzubringen, damit die Behörde in der Lage ist, bereits in einem frühen Verfahrensstadium etwaigen Be-denken nachzugehen. Auch sollen von der Verwaltungsentscheidung Begünstigte vor einem für sie überraschenden Prozessvortrag geschützt werden. Der Verein ist allerdings nicht präkludiert, wenn ihm eine Gelegenheit zur Äußerung verwehrt wurde.
Rechtsbehelfe im Sinne des § 1 Absatz 3 sind die nach Maßgabe der Verwaltungsgerichts-ordnung allgemein statthaften Rechtsbehelfe.
Statthafter Rechtsbehelf gegen eine Baugenehmigung ist nach § 110 Absatz 1 und 3 Num-mer 7 JustG NRW die Klage. Auch gegen die in § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Entwurfs genannten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen ist derzeit die Klage der statthafte Rechtsbehelf, da kein Fall des § 110 Absatz 3 Satz 1 JustG NRW vorliegt. Der anerkannte Tierschutzverein ist kein Dritter im Sinne dieser Vorschrift. Für die in § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 3 genannten tierschutzrechtlichen Entscheidungen ist ebenfalls die Klage der statthafte Rechtsbehelf, da es sich nicht um Verwaltungsakte mit Doppelwirkung handelt.
Absatz 4 dient der Schaffung von Rechtssicherheit. Die Regelung orientiert sich an den in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 58 Absatz 2 VwGO entwickelten Kriterien für die Verwirkung des Klagerechts. Um die Frist des Absatzes 4 auf einen Monat nach Bekanntga-be zu verkürzen, kann die zuständige Behörde dem anerkannten Verein die Entscheidung unter Beifügung einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung auch noch nachträglich bekanntgeben.
Zu § 2: Mitwirkung von Vereinen
Absatz 1 regelt die obligatorische Mitwirkung der anerkannten Vereine:
1. bei der Vorbereitung von tierschutzrelevanten Rechts- und Verwaltungsvorschriften der für den Tierschutz zuständigen Landesbehörden,
2. vor der Erteilung bau- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken. Durch die Anknüpfung an das Merkmal „Er-werbszweck“ werden private (Hobby-)Tierhaltungen nicht von der obligatorischen Mitwir-kung erfasst. Ausgenommen sind nach Satz 2 auch (kleine) Stallbauvorhaben bis zu ei-nem Brutto-Rauminhalt von 50 Kubikmetern. Dies entspricht einer Stallgrundfläche von 4 mal 5 Metern bei einer Stallhöhe von 2,50 Metern. Konkret sollen tierschutzrechtlichen Einwendungen bei befürchteten Verstößen gegen tierschutzrechtliche Vorschriften früh-zeitig geltend gemacht werden können. Die Vereine sind von der jeweils zuständigen Behörde so rechtzeitig über das Vorhaben und die Mitwirkungsrechte zu informieren, dass sie die Gelegenheit zur Äußerung bzw. zur Einsichtnahme wirksam wahrnehmen können.
In Absatz 2 wird für anerkannte Vereine ein Mitwirkungsrecht für folgende Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren geregelt:
 Schlachten ohne Betäubung (Schächten) nach § 4 a Absatz 2 Nummer 2 TierSchG,
 Kürzen der Schnabelspitzen bei Nutzgeflügel und das Kürzen des bindegewebigen Endstückes des Schwanzes von unter drei Monate altenmännlichen Kälbern mittels elastischer Ringe (§ 6 Absatz 3 TierSchG)
 Verwendung von Wirbeltieren für Tierversuche nach § 8 Absatz 1 TierSchG,
 Verwendung von Wirbeltieren nach den unter § 11 Absatz 1 TierSchG genannten Zwecken: Züchten, Halten, zur Schau Stellen, Ausbilden, Handeln und Bekämpfen von Wirbeltieren,
 Vorhaben zur Errichtung von Kleintierställen bis zu 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt.
Die erhebliche Relevanz für die Belange des Tierschutzes legt es nahe, den Sachverstand der anerkannten Tierschutzvereine in diese Verwaltungsverfahren einzubeziehen. Zur Ver-meidung unnötigen Verwaltungsaufwandes wird bei diesen zahlenmäßig umfangreichen Ge-nehmigungs- und Erlaubnisverfahren aber auf eine obligatorische Mitwirkung der anerkann-ten Vereine durch die zuständige Behörde verzichtet. Es obliegt dem anerkannten Verein, bei der Behörde vorstellig zu werden, um an entsprechenden Verwaltungsverfahren mitzu-wirken. Im Vorfeld einer Mitwirkung können die anerkannten Vereine von den zuständigen Behörden Informationen über Anzahl und Gegenstand laufender Verfahren der in Absatz 2 genannten Art durch ein Informationsersuchen nach Absatz 5 erhalten.
In Absatz 3 Satz 1 sind die notwendigen Ausnahmen von einer Beteiligung in Anlehnung an und unter Verweis auf die Vorgaben des nordrhein-westfälischen Verwaltungsverfahrensge-setzes zur Anhörung geregelt. Danach kann von einer Beteiligung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine soforti-ge Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig er-scheint, oder wenn durch die Beteiligung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßge-benden Frist in Frage gestellt würde (§ 28 Absatz 2 Nummer 1 und 2 VwVfG NRW). Eine Beteiligung muss unterbleiben, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegen-steht (§ 28 Absatz 3 VwVfG NRW). Durch den Verweis auf § 29 Absatz 2 VwVfG NRW wer-den u. a. öffentliche und private Geheimhaltungsinteressen geschützt. Wenn durch das Be-kanntwerden einzelner Tatsachen, die in einem Sachverständigengutachten genannt sind, berechtigte Geheimhaltungsinteressen Beteiligter oder dritter Personen verletzt würden, kann die Behörde die entsprechenden Stellen schwärzen oder in anderer Weise unkenntlich machen oder, wenn dies nicht möglich ist, die Einsicht in das Gutachten ganz verweigern.
Die in Satz 2 bestimmte Äußerungsfrist von vier Wochen stellt sicher, dass es durch die Be-teiligung des anerkannten Vereins nicht zu Verzögerungen im Verwaltungsverfahren kommt. Nach Ablauf der Frist ist der anerkannte Verein mit weiteren Einwendungen präkludiert (vgl. § 1 Absatz 3).
Absatz 4 stellt klar, dass inhaltsgleiche oder weitergehende Mitwirkungsrechte eines aner-kannten Vereins neben § 2 bestehen bleiben.
Absatz 5 Satz 1 gibt einem nach § 3 anerkannten rechtsfähigen Verein gegenüber der zu-ständigen Fachbehörde einen eigenständigen Anspruch auf Zugang zu Informationen über Anzahl und Gegenstand laufender Verfahren der in § 2 Absatz 2 genannten Art. Die auf An-trag zu erteilenden Informationen sollen den anerkannten Verein in die Lage versetzen, im Vorfeld eines Mitwirkungsverlangens nach § 2 Absatz 2 zu beurteilen oder zu entscheiden, ob er im Einzelfall gemäß Absatz 2 seine Mitwirkung an einem laufenden Verfahren verlangt.
Satz 2 bestimmt, dass für den Informationsanspruch nach Satz 1 die Regelungen des Infor-mationsfreiheitsgesetzes NRW über das Verfahren und die Ablehnungs- und Beschrän-kungsgründe entsprechend gelten.
Zu § 3: Anerkennung
Zuständige Behörde für die Anerkennung rechtsfähiger Tierschutzvereine ist das für den Tierschutz zuständige Ministerium als oberste Tierschutzbehörde. Die Voraussetzungen, unter denen die Anerkennung auf Antrag zu erteilen ist, orientieren sich an den umwelt- und naturschutzrechtlichen Regelungen. Mit den Anerkennungsvoraussetzungen in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 6 wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass im Interesse einer sachgerechten Aufgabenwahrnehmung und Klagevertretung bestimmte Voraussetzungen wie z. B. Mitgliederzahl, Leistungsfähigkeit, längerfristige Erfahrung, landesweite Tätigkeit, Öffentlichkeit und Gemeinnützigkeit des Vereins unerlässlich sind. Durch diese Anforderun-gen wird gleichzeitig einer eventuellen Missbrauchsgefahr begegnet.
Zu § 4: Inkrafttreten; Außerkrafttreten
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes und eine Befristung auf fünf Jahre.