DS 16/1683 Sperrung der Rheinbrücke im Zuge BAB 1 für LKW ab 3,5 Tonnen sowie zum Erhaltungszustand der Bundesfernstraßen in NRW

Entschließungsantrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

I. Ausgangssituation

Am 30. November hat der Verkehrsminister des Landes NRW nach intensiver Untersuchung durch Experten des Landesbetriebes Straßen.NRW die Rheinbrücke im Zuge der Bundesautobahn A1 in Leverkusen für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen gesperrt. Die Sperrung wurde nach Einschätzung von Straßen.NRW notwendig, weil die im Rahmen kontinuierlicher Untersuchungen aktuell festgestellten schwerwiegenden Schäden im Anschlussbereich von mehreren Querträgern an den Hauptträgern der Brücke ein sofortiges Handeln notwendig gemacht haben.
Inzwischen haben weitere Inspektionen der Rheinbrücke ergeben, dass einige Schäden repariert und die Brücke nach den Instandsetzungsarbeiten in etwa drei Monaten wieder für LKW-Verkehr bis 44 t freigegeben werden kann. Gleichwohl muss ein Ersatzneubau der Rheinbrücke weiter geplant und gebaut werden.
Insgesamt geht Straßen.NRW von fast 400 Brücken an Autobahnen und anderen Fernstraßen in Nordrhein-Westfalen aus, die in den nächsten zehn Jahren nachgerechnet und saniert oder ersetzt werden müssen. Die Kosten hierfür werden auf etwa 3,5 Milliarden Euro geschätzt. Insbesondere auf den hoch belasteten Autobahnen aus den 60er und 70er Jahren sind die Tragfähigkeitsreserven der Brücken, deren Konzeption auf die erhebliche Zunahme des Schwerverkehrs planerisch und statisch nicht ausgelegt war, zunehmend aufgebraucht.
So hat sich beispielsweise die (Güter-)Verkehrsleistung im Bereich des Straßengüterverkehrs vom Zeitpunkt der Wiedervereinigung bis 2011 von rund 250 Mrd. Tonnen- Kilometer (tKm) auf rund 435 Mrd. tKm nahezu verdoppelt. Die zulässigen Gesamtgewichte der LKW haben sich von 24 t (1956) auf inzwischen 44 t (EU) erhöht. Die Anzahl der genehmigungspflichtigen Großraum- und Schwertransporte ist seit den 70er Jahren von einigen wenigen Transporten auf über 100.000 Transporte, allein in Nordrhein-Westfalen, angestiegen. Darüber hinaus sind zahlreiche LKW überladen, die so die Straßeninfrastruktur ex- ponenziell stärker belasten als LKW, die nicht stärker als das zulässige Gesamtgewicht beladen sind. Insgesamt wird der Verschleiß der Straßeninfrastruktur im Wesentlichen durch den Straßengüterverkehr verursacht.
Die rund 400 genannten Bauwerke von Bundesfernstraßen in Nordrhein-Westfalen sind des- halb auf deren aktuelle Tragfähigkeit rechnerisch zu untersuchen. Die statischen Überprüfungen durch den Landesbetrieb Straßen.NRW finden bereits statt. Auch die Planung der Sanierung beziehungsweise Erneuerung der Brücken an Bundesautobahnen und -straßen ist durch Straßen.NRW mit den jeweils fachspezifischen Ingenieuren auszuführen.
Infolge dessen mussten bereits mehrere Brücken für den Schwerverkehr gesperrt oder „abgelastet“ werden. Aktuell sind über 30 Brückenbauwerke allein auf Bundesautobahnen in Nordrhein-Westfalen für den Schwerverkehr ab 44 t nur noch eingeschränkt befahrbar, oder sogar ganz gesperrt. Darunter befinden sich zum Beispiel auch die Talbrücken im Zuge der A 45 zwischen dem Westhofener-Kreuz und der Anschlussstelle Wilnsdorf. Aufgrund der Vielzahl der betroffenen Brückenbauwerke im Zuge von Autobahnen und Bundesstraßen werden für Schwertransporte ab 60 t vermehrt schärfere Auflagen (Begleitfahrzeug/ Brückenquerung in Alleinfahrt) sowie größere Umwege als noch vor einigen Jahren erforderlich.
Für Autofahrer besteht nach Auskunft von Straßen.NRW trotz des Sanierungsbedarfs keine Gefahr, da die Bauwerke regelmäßig überprüft werden und bei deren Planung ein Sicherheitsfaktor für die Belastung eingerechnet wurde. Das ist auch bei aktuellen Nachrechnungen der Fall.

II. Der Landtag stellt fest:

1. Die vom Landesbetrieb Straßen.NRW kontinuierlich durchgeführte Überprüfung und Bewertung von Brücken ist eine wichtige und unverzichtbare Aufgabe zum Erhalt der Verkehrssicherheit.
2. Der Zustand der Brückenbauwerke von Bundesfernstraßen in Nordrhein-Westfalen ist in vielen Fällen Besorgnis erregend. Ursache für diesen Zustand ist eine seit vielen Jahren stattfindende Unterfinanzierung der Bundesfernstraßen.
3. Der Zustand der Brückenbauwerke erfordert umgehendes Handeln zur Erhaltung der Verkehrssicherheit, der Leistungsfähigkeit des Fernstraßenverkehrsnetzes, der Wettbewerbsfähigkeit des Landes und nicht zuletzt auch zur Vermeidung ökologisch schädlicher Umfahrungsverkehre.
4. Das Bundesfernstraßennetz als Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein- Westfalen hat eine dienende Funktion gegenüber Gesamt-Deutschland und Europa, weil die wirtschaftsstärkste Metropolregion Europas erhebliche Waren-, Dienstleistungs- und Personenströme zu bewegen hat.
5. Erforderlich ist ein umfassendes Brückensanierungsprogramm für die Bundesfernstraßen in NRW, für das der Bund als Baulastträger und das Land als durchführende Planungsbehörde (Landesbetrieb Straßen.NRW) die notwendigen Mittel bereitstellen müssen.
6. Der Güterverkehr ist stärker als bisher an den durch ihn verursachten Kosten im Straßennetz zu beteiligen.
III. Der Landtag beschließt:
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen fordert die Landesregierung auf:
1. Umgehend gemeinsam mit dem Bund ein Sonderarbeitsprogramm zur statischen Prüfung und Sanierung der Brückenbauwerke an Bundesfernstraßen in Nordrhein-Westfalen auf den Weg zu bringen.
2. Als Voraussetzung dafür gegenüber dem Baulastträger Bundesrepublik Deutschland auf eine verlässliche und Planungssicherheit bietende Finanzierungszusage zu dringen.
3. Landesseitig das erforderliche Personal insbesondere Brückenbauingenieure und die erforderlichen Mittel für die Planungsarbeiten zur Verfügung zu stellen.
4. Ein Baustellenmanagement für die konkreten Erneuerungs- bzw. Ertüchtigungsphasen von Brückenbauwerken durchzuführen und im Vorfeld jeweils Ausweichrouten für den Schwerverkehr zu gewährleisten und zu priorisieren.
5. Ihre Politik zur Veränderung des Modal-Split im Güterverkehr – insbesondere bei Schwersttransporten – zu Gunsten der Binnenwasserstraßen und der Schiene fortzusetzen und hierfür auch gegenüber der Logistikwirtschaft zu werben.
6. Gegenüber dem Bund die Interessen des Landes im Hinblick auf ein zukunftsfähiges und auskömmliches Finanzierungskonzept für die gesamte Verkehrsinfrastruktur in Deutschland einzubringen, welches auch Gewähr bietet, künftig mehr Güter auf Schienenwegen und Wasserstraßen zu transportieren.
7. Die Nutzung der Straßen des Landes durch überladende LKW durch vermehrte und gezielte Kontrollen deutlich zu mindern.
8. Sich für eine Ausweitung der LKW-Maut auf alle Fahrzeuge über 7,5 t auf allen Straßen der Bundesrepublik Deutschland einzusetzen, deren Aufkommen zweckgerichtet zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur einzusetzen ist.