Ds. 16/118 Zusammen lernen – zusammenwachsen Eckpunkte für den Weg zur inklusiven Schule in NRW

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I.

Der Landtag bekennt sich zum Ziel eines inklusiven Bildungssystems. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen soll auch im Schulwesen Nordrhein-Westfalens umgesetzt werden. Dieser Anspruch richtet sich an alle staatlichen Ebenen und die gesamte Gesellschaft. Deshalb hat NRW einen Aktionsplan „Inklusion" auf den Weg ge-bracht, wobei der Inklusionsplan Schule innerhalb des Gesamtplans einen eigenständigen Prozess darstellt.
Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen haben Anspruch auf die rechtliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Nordrhein-Westfalen und damit das Recht auf einen Platz in der allgemeinen Schule wie jedes Kind ohne Behinderung auch.
Die bestmögliche Qualität der Bildung und Erziehung aller Kinder im gemeinsamen Unter-richt ist zu gewährleisten. Bei der schrittweisen Realisierung der Inklusion hat höchste Sorg-falt und Umsicht zu walten. Es geht um Menschen, die oftmals in großem Umfang und gege-benenfalls auch dauerhaft Hilfe und Unterstützung brauchen. Die Qualität der sonderpäda-gogischen Unterstützung muss in den allgemeinen Schulen gegeben sein.
Jahrzehntelang galt es in der Bundesrepublik Deutschland als richtig, Kinder mit Behinde-rungen in Förderschulen getrennt von den übrigen Kindern und Jugendlichen zu unterrich-ten. Die Praxis der Sonderförderung führte zur Entwicklung eines komplexen Schulsystems, in dem Kinder und Jugendliche von spezifisch ausgebildeten Lehrerinnen, Lehrern und Be-treuungskräften mit großem Einsatz und hoher Professionalität gefördert – und Eltern in viel-facher Hinsicht entlastet – werden. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es zurzeit (Schuljahr 2011/12) 683 Förderschulen mit 20.199 Lehrkräften. 99.348 Kinder und Jugendliche besu-chen hier die Förderschulen. Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sollen bestmöglich bei der Teilhabe am gesell-schaftlichen Leben und bei der Entfaltung ihrer Talente unterstützt werden. Dies war und ist auch der Anspruch der Sonderschulen bzw. Förderschulen, deren Entwicklung auch im his-torischen Kontext betrachtet werden muss. Hier muss daran erinnert werden, dass zunächst überhaupt ein Bildungsanspruch für Menschen mit Behinderungen durch die Einrichtung von besonderen Schulen anerkannt wurde. Der Bildungsanspruch in der Bundesrepublik umfasste auch Kinder mit Behinderungen und betrachtete Sonderschulen für sie auch als Schutzraum.
In der Folgezeit wuchs allerdings die Zahl der Eltern, die die Herausnahme ihres Kindes aus den allgemeinen Schulen als „Aussonderung" und den von Gleichaltrigen ohne Behinderung getrennten Unterricht in Sonderschulen bzw. Förderschulen als stigmatisierend empfanden und sich den Zugang zu allgemeinen Schulen engagiert erkämpft haben.
Die Behindertenpädagogik hatte die Förderschulen in der Vergangenheit befürwortet. Seit geraumer Zeit weisen die Erkenntnisse der Bildungsforschung jedoch einen anderen Weg. Pädagoginnen und Pädagogen plädieren für „Inklusion": Viele Schülerinnen und Schüler, die bisher in Sondereinrichtungen waren, würden besser gemeinsam mit den übrigen Kindern und Jugendlichen in den Klassen oder Gruppen der allgemeinen Schulen gefördert, da dies für alle Beteiligten positive Effekte habe. Die Anfänge eines solchen gemeinsamen Lernens gehen in NRW auf Beginn der achtziger Jahre zurück. So ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die im Rahmen des „Gemeinsamen Unterrichts" an der allgemeinen Schule mit anderen Kindern und Jugendlichen zusammen lernen, in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.
Der hohe Anspruch, die hohe Professionalität und der hohe Standard, mit dem heute in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen Kinder und Jugendliche mit Behinderungen geför-dert werden, sollen gewahrt bleiben.
Der Landtag spricht sich deshalb für einen ehrlichen Zeitplan bei der Realisierung von Inklusion aus. Eilige Maßnahmen, die Qualitätsanforderungen und Ressourcenfragen außer Acht lassen, sind nicht verantwortbar. Schulen müssen mit einer angemessenen Ausstattung in die Lage versetzt werden, alle Kinder in den Lern- und Erziehungsprozessen zu fördern.
Die weitere Entwicklung des komplexen Systems von Förderschulen und allgemeinen Schulen stellt eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar. Das Fach- und Erfahrungswis-sen der sonderpädagogischen Lehrkräfte ist an gemeinsamen Lernorten unverzichtbar. Es geht um eine gemeinsame Unterrichtsentwicklung, die das einzelne Kind in den Mittelpunkt stellt. Das gilt für alle Kinder in der Lerngruppe. Wir setzen auf die Bereitschaft der Lehrkräfte der allgemeinen Schulen und der Förderschulen, sich für diesen Prozess zu öffnen.
Auf diesem Weg müssen sie mit geeigneten Maßnahmen und der notwendigen Fortbildung unterstützt und begleitet werden. Sowohl bei den Eltern von Kindern mit Behinderung wie auch bei den Eltern von Kindern ohne Behinderung ist Vertrauen auf eine gelingende Entwicklung hin zu einem inklusiven Schulsystem notwendig. Alle geplanten Maßnahmen sind immer auch unter dem Aspekt des Vertrauens in den verlässlichen Rahmen für den Inklusi-onsprozess zu bewerten.
So verschieden Menschen mit Behinderung sind, so vielfältig sind ihre Bedürfnisse. Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, bedeutet für uns in NRW, die Vielfalt der Lebensläu-fe, Möglichkeiten und Bedürfnisse in den Blick zu nehmen und im Rahmen des beabsichtig-ten Umsetzungsprozesses zu berücksichtigen. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, dass Kinder mit Behinderungen in bestimmten Fällen auch weiterhin Förderschulen besuchen können.
Inklusiver Unterricht lässt sich nicht nach einem einheitlichen Muster und an jeder Schule gleichzeitig einrichten. Vielfältige Lösungen – auch unter Einbeziehung von Vorreiterschulen und dem Austausch in Netzwerken – müssen im Sinne der Eigenverantwortung von Schulen und Schulträgern regional unterschiedlich möglich sein. Der Auftrag der Inklusion richtet sich an alle Schulformen.

II.

Der Landtag NRW hat am 1. Dezember 2010 ohne Gegenstimmen den Antrag von CDU, SPD und Grünen „UN-Konvention zur Inklusion in der Schule umsetzen" verabschiedet. Die Landesregierung hat daraufhin erste Maßnahmen ergriffen. Im Dialog mit Verbänden und Initiativen wurden notwendige Schritte und Maßnahmen erörtert. Gleichzeitig wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass schon jetzt dem Wunsch von Eltern nach gemein-samem Lernen in deutlich höherem Maße nachgekommen werden kann – durch deutliche Verbesserung der personellen Voraussetzungen einerseits und durch Klarstellungen hinsichtlich der Aufgaben von Schulaufsicht und Schulträgern andererseits. Zur Begleitung des Inklusionsprozesses vor Ort wurden Stellen für 53 Koordinatorinnen und Koordinatoren geschaffen. Zur Unterstützung der Schulen, die sich auf den Weg hin zum gemeinsamen Lernen machen, werden seit Oktober 2011 Moderatorinnen und Moderatoren aller für die Fort-bildung zuständigen Kompetenzteams durch Hochschullehrkräfte qualifiziert. Wissenschaftliche Gutachten haben Szenarien zum Ressourcenbedarf und zur möglichen Schrittigkeit des Prozesses untersucht und das Modellprojekt der Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung evaluiert. Diese haben sich als „Türöffner" für eine Kultur des Behaltens, also der Verantwortung der Schulen für einmal aufgenommene Kinder, erwiesen, die eine Grundlage für die Entwicklung eines inklusiven Bildungswesens ist.

III.

Im Einzelnen ist gelingende Inklusion von folgenden qualitativen Voraussetzungen abhängig:
Das Recht jeder Familie, das Leben ihrer Kinder eigenverantwortlich zu gestalten, ist zu res-pektieren und zu unterstützen. Bei der Wahl einer Schule für ein behindertes Kind spielen viele, zum Teil sehr persönliche Faktoren eine Rolle. Wenn Eltern sich entscheiden, unter heute teils immer noch erschwerten Bedingungen ihrem Kind ein Leben mitten in der Gesellschaft zu ermöglichen, so sollten sie sich dafür nicht rechtfertigen müssen und keiner Diskriminierung ausgesetzt werden. Das unterstreicht auch die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
 Das Land ist aufgefordert, die UN-Behindertenrechtskonvention in Nordrhein-Westfalen und damit den Rechtsanspruch auf inklusive Bildung landesgesetzlich zu verankern. Das heißt, dass grundsätzlich auch jedes Kind mit einem sonderpädago-gischen Förderbedarf den Anspruch darauf hat, dass ihm mindestens eine geeignete allgemeine Schule in zumutbarer Entfernung als Lernort angeboten wird. Damit ein-hergehen muss eine unabhängige Beratung.
 Die Verpflichtung der Schulträger zur Schulentwicklungsplanung erstreckt sich auch darauf, dem Auftrag aus der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht zu werden, in-klusive Schulangebote zu entwickeln und fortzuführen. Ein inklusives Schulsystem fordert von allen Lehrerinnen und Lehrern Bereitschaft und Of-fenheit in ihrem Umgang mit Schülerinnen und Schülern in ihrer Verschiedenheit. Kompetenzen für einen differenzierenden Unterricht, der auch den Schülerinnen und Schülern mit Be-hinderungen gerecht wird, müssen verstärkt in der Ausbildung erworben werden.
 Bei der Lehrerausbildung müssen die Studieninhalte im Hinblick auf individuelle För-derung und diagnostische Grundkompetenzen für alle Studiengänge weiterentwickelt werden.
 Neben der Erweiterung der Kapazitäten der grundständigen sonderpädagogischen Lehrerausbildung müssen verstärkt Möglichkeiten eröffnet werden, eine fachlich fun-dierte Zusatzqualifikation zu erwerben.
Damit Inklusion an Schulen gelingen kann, müssen die Lehrkräfte an allgemeinen Schulen in den Prozess der Umsetzung eingebunden werden.
 Kollegien aller Schulformen sollen Möglichkeiten zur Fortbildung im Bereich Inklusion erhalten. Hierzu ist die Entwicklung eines qualitativ hochwertigen Fortbildungsprogramms mit Modulen für die schulspezifischen Anforderungen hilfreich und sinnvoll.
 Notwendig ist die Erarbeitung eines speziellen Konzeptes zur Unterstützung der In-klusion von Kindern mit herausforderndem Verhalten in Kooperation mit der Jugend-hilfe. Das schließt die Möglichkeit temporärer Herausnahme aus dem regulären Un-terricht ein. Hierfür kann der Schulträger z.B. „ompetenzzentren neuer Art" als Ein-richtungen für zeitlich befristete sonderpädagogische Unterstützung schaffen. Erfah-rungen aus bereits bestehenden Unterstützungszentren in anderen Bundesländern fließen hier mit ein.
 Regional und im Sozialraum sind unter Beachtung der unterschiedlichen Zuständig-keiten Unterstützungsnetzwerke (niedrigschwellige Beratung und Unterstützung für Eltern, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Psychologinnen und Psychologen, The-rapeutinnen und Therapeuten u.a.) für Schulen mit inklusivem Unterricht aufzubauen, auszubauen bzw. zusammen zu führen. Je nach der Art der Behinderung sind unter-schiedliche Angebote notwendig. Dies gilt sowohl für die unterrichtliche Förderung als auch für eine gesicherte Betreuung der Kinder und Jugendlichen.
 Auch für ein inklusives Bildungssystem muss die Qualität der Lernprozesse im Mittel-punkt stehen. Die spezifischen Kompetenzen der Lehrkräfte der allgemeinen Schulen und der Sonderpädagogischen Lehrkräfte müssen dabei zusammengeführt werden. Alle Lehrkräfte sollen in den Umsetzungsprozess gleichberechtigt eingebunden werden. Die Teamorientierung ist in der pädagogischen Arbeit unabdingbar. Sonder-pädagoginnen und -pädagogen sollen Teil des Kollegiums der allgemeinen Schulen werden.
Der Inklusionsprozess soll sorgsam, stringent und nachhaltig erfolgen. Deshalb muss der Umstrukturierungsprozess schrittweise vollzogen werden. Ein verstärkter Ausbau von inklu-siven Schulen ist vor allem im Sek-I-Bereich dringend erforderlich, da dort bisher der Anteil des gemeinsamen Lernens von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen sogar noch hinter dem in den Grundschulen zurück bleibt. Gleichzeitig ist es erforderlich, den Grundschulen zusätzliche Unterstützung zu geben, damit durch stärkere präventive Arbeit insbesondere im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen erreicht werden kann, dass sich bestimmte Lern- und Entwicklungsverzögerungen gar nicht erst zu einem sonderpädagogischen Förderbedarf verfestigen.  
 Schulen, die den Weg der Inklusion gehen wollen, erhalten in der Anfangsphase des Umsetzungsprozesses der Inklusion ein „tart-Budget" da der Einstieg in den Pro-zess noch einmal einer besonderen Unterstützung bedarf. Dazu gehören z. B. garan-tierte Fortbildungs- und Beratungsmodule und -ressourcen. Von diesen sollen auch die Schulen, die den Prozess aktiv beratend und unterstützend begleiten, profitieren.
 Schulträger, die ein Konzept zum Gesamtumbau hin zu einer inklusiven Schulland-schaft umsetzen wollen, sollen weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten und beson-dere Unterstützung erhalten.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (AO-SF Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung) zwar sinnvoll zur Sicherstellung der Förderung ist, dass es aber auch erhebliche Ressourcen bindet, und Eltern und Kinder sich häufig durch das Verfahren stigmatisiert fühlen.
 Das AO-SF-Verfahren sollte daher überarbeitet und, wo dies möglich ist, durch schulinterne Diagnostik ersetzt werden. Diese soll an die Frühförderung anknüpfen.
Es hat sich gezeigt, dass die Zuordnung zu einem bestimmten Förderschwerpunkt oft nicht mehr den tatsächlichen Förderbedürfnissen vieler Kinder mit ihren komplexeren Behinderungen gerecht wird. Die damit verbundene Zuständigkeit von Förderschulen bzw. Kompetenzzentren für bestimmte Kinder führt im Gemeinsamen Unterricht immer wieder zu der Situation, dass Sonderpädagogen nur kurzzeitig und punktuell Kinder fördern können. Dies ist mit guten Unterrichtskonzepten in einer inklusiven Schule oftmals nicht vereinbar und führt zu zusätzlichen Belastungen durch Fahr- und Besprechungszeiten.
 Mittelfristig soll geprüft werden, in welcher Weise die Förderschwerpunktsystematik mit Blick auf die sonderpädagogische Förderung und ein inklusives Schulsystem wei-ter zu entwickeln ist.
 Konzepte individueller Förderung, die kein Kind zurücklassen, sind notwendig. Jeder Pädagoge, jede Pädagogin, jeder Sonderpädagoge und jede Sonderpädagogin muss sich für jedes Kind verantwortlich fühlen.
Inklusion erfordert systemische Lösungen für Schulbegleiterinnen und -begleiter (Poolbil-dung), deren Qualifizierung sowie Stammpersonal statt wechselnder Betreuung. Schulbeglei-terinnen und -begleiter werden derzeit über §§ 53,54 SGB XII Kindern mit Behinderungen individuell zugewiesen. Pool-Lösungen könnten den flexibleren Einsatz der Schulbegleiter-innen und -begleitern an inklusiv unterrichtenden Schulen möglich machen.
Die bisherige Zuteilung von Ressourcen wird dem Anspruch von Inklusion im Sinne der individuellen Förderung und der individuellen Vorkehrungen nicht immer gerecht. Entsprechend dem bereits geltenden Sozial- und Schulrecht soll der Anspruch auf individuelle Vorkehrungen an die Bedarfslage des jeweiligen Kindes in seiner Schule und nicht an den Schulort Förderschule gebunden sein.
 Die Möglichkeiten flexibler trägerübergreifender Lösungen für die Zuweisung von be-hindertengerechten Ausstattungen und sonderpädagogischen Lern- und Unterrichts-materialien und -hilfen (z. B. Materialpool) sind zu prüfen.
 Bei Förderschulen, die zu inklusiven Schulen werden wollen, sind gegebenenfalls Trägerkooperationen bzw. Überleitungen der Schulträgerschaften zu prüfen.
 Ein Übergangsmanagement für die individuellen Vorkehrungen bei Schuleintritt und Übergang in die Sekundarstufe I ist zu entwickeln.
 Alle im System „chule" bzw. „örderschule" befindlichen Gelder und Ressourcen zur Realisierung der laut UN-Konvention „ngemessenen Vorkehrungen" für die Bedürfnisse des einzelnen Kindes sind zu ermitteln und gegebenenfalls zusammenzuführen. Dabei sind auch die Fragen des Transports der Schülerinnen und Schüler unter den Schulträgern zu klären.
Derzeit erfolgt die Zuweisung von sonderpädagogischen Lehrerstunden für den Gemeinsa-men Unterricht nach festen Berechnungsschlüsseln für die Primar- bzw. die Sekundarstufe. Diese richten sich nach dem individuellen Förderschwerpunkt der Schülerinnen und Schüler.
Im Mittelpunkt aller Veränderungsprozesse stehen die Schülerinnen und Schüler. Sie haben Anspruch auf eine inklusive Schule, die Teilhabe und Bildung in hoher Qualität ermöglicht. Voneinander lernen zu können, setzt auch das Vorhandensein von Leistungsträgerinnen und -trägern in einer Klasse voraus. Sie müssen wie alle Kinder bestmöglich gefördert werden.
 Notwendig ist eine Qualitätssicherung und wissenschaftliche Evaluation, die auch Elternzufriedenheit sowie Leistungsbereitschaft und Sozialkompetenz aller Kinder ein-bezieht.
Die demografische Entwicklung und das Elternwahlverhalten nach Einführung des Rechtsanspruchs auf inklusive Bildung stellen neue Anforderungen an die Schulentwicklungsplanung. Förderschulen werden verstärkt unter die Mindestschülerzahl fallen, die für einen ord-nungsgemäßen Schulbetrieb notwendig ist.
Für die Schülerinnen und Schüler der von Schließung betroffenen Förderschulen können Kooperations- und Brückenlösungen an allgemeinen Schulen eingerichtet werden, um eine Beschulung in zumutbarer Entfernung besser gewährleisten zu können.
Um das Schulangebot schrittweise inklusiv auszubauen, soll der Schulträger im Einvernehmen mit der Schulaufsichtsbehörde allgemeine Schulen aller Schulformen als Schwerpunktschulen im Sinne von „orreiterschulen" bestimmen, in denen Kinder und Jugendliche ohne Behinderungen und mit unterschiedlichen Behinderungen gemeinsam unterrichtet und erzo-gen werden. Eine solche Schule umfasst neben den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und Emotionale und soziale Entwicklung in der Regel auch weitere Förderschwerpunkte.
Die Erfahrungen aus dem Schulversuch „usbau von Förderschulen zu Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung" sind grundlegend für die Schulgesetznovelle und für die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems zu nutzen. Die gesetzliche Regelung über Kom-petenzzentren für sonderpädagogische Förderung (§ 20 Abs. 5 SchulG) wird geändert. Bis-herige Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung und Förderschulen in freier Trägerschaft könnten Kompetenzzentren neuer Art werden.

IV.

Der Landtag bittet die Landesregierung, im Sinne der formulierten Anforderungen zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sich darüber hinaus an folgenden Eckpunkten orien-tiert:
 Umsetzung eines grundsätzlichen Rechtsanspruchs auf Unterricht in der allgemeinen Schule auch für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf – beginnend mit den Klassen 1 und 5 ab dem Schuljahr 2013/14;  
 Recht auf Verbleib in einer allgemeinen Schule auch bei Feststellung eines sonder-pädagogischen Förderbedarfs im Laufe des Schulbesuchs ab dem Schuljahr 2013/2014.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist eine Konnexitätsfeststellungsprüfung durchzu-führen.
Davon unberührt ist die Tatsache, dass sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention auch der Auftrag an alle Kommunen richtet, ein inklusives Gemeinwesen zu gestalten.
Zudem wird die Landesregierung aufgefordert, parallel ein Konzept zur Festlegung und Deckung des Ressourcenbedarfs vorzulegen, das folgende Eckpunkte berücksichtigt:
 Für ein inklusives Schulsystem ist es Ziel, dass alle Schülerinnen und Schüler, die eine allgemeine Schule besuchen – auch jene mit sonderpädagogischem Förderbedarf -, bei der Ermittlung des Lehrerstellen-Grundbedarfs mit der Lehrer-Schüler-Relation der allgemeinen Schule berücksichtigt werden.
 Darüber hinaus ist es erforderlich, sonderpädagogische Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Hier soll geprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen dies künftig in Form von Stellenbudgets geschehen kann.
 Es ist zu prüfen, ob bzw. wie im Rahmen schulrechtlicher Regelungen für Schulträ-ger, die in Abstimmung mit der Schulaufsicht weitergehende inklusive Konzepte ver-folgen wollen, besondere Gestaltungsspielräume eröffnet werden können.
 Der dafür notwendige <Stellen-Mehrbedarf ist unter Berücksichtigung der Vereinba-rungen des Schulkonsenses aus den demographischen Effekten der kommenden Jahre zu decken.
 Ein Monitoring soll den Entwicklungsprozess einschließlich des Ressourcenbedarfs kontinuierlich begleiten.